THalloween am Reformationstag: Konkurrenz oder kein Problem?

Marc Wischnowsky vor einem Porträt Martin Luthers in St. Cosmae in Stade. Foto: Richter
Seit 2018 hat Niedersachsen einen neuen Feiertag: den 31. Oktober. Halloween? Nein. Reformationstag. Kirchen im Kreis Stade tun einiges, damit das vor lauter Kürbissen nicht in Vergessenheit gerät.
Landkreis. Horror-Häuser, Gärten des Grauens und grinsende Kürbisfratzen allerorten: Von Nindorf im Süden bis Oldendorf im Norden feiert der Landkreis Stade am 31. Oktober Halloween. Einige evangelisch-lutherische Christen - dazu gehören in den Kirchenkreisen Buxtehude und Stade aktuell 40 Prozent der Bevölkerung - haben an diesem Tag aber anderes im Kopf.
Der Jorker Pastor Paul Benjamin Henke ist einer von ihnen. „Es gibt zurzeit so furchtbare Kriege auf der Welt. Ich verstehe nicht, weshalb die Menschen sich in dieser Zeit unbedingt auch noch gruseln wollen“, sagt er. Gerade jetzt freue Henke sich, dass es die Reformation gab und Luther den Menschen Wichtiges gezeigt habe: Dass sie vor Gott keine Angst haben müssen und dass sie Vertrauen haben können.
Henke zitiert Luther: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ In der Jorker Kirche ist Martin Luther am Donnerstag, 31. Oktober, ab 17 Uhr live zu sehen - verkörpert von Pastor Matthias Schlicht. Henke spielt seinen Schüler Paulinus, danach gibt es Lutherbier und belegte Brote. Andere Kirchen, wie St. Paulus in Buxtehude, laden zum Filmgottesdienst.
Kinder- und Familienfest
T Halloween: In der Festung Grauerort wird es gruselig
Reformations-Rallye mit ein bisschen Grusel
Oder zur Reformations-Rallye: Fledermäuse und Spinnennetze zieren die Einladung in die St. Martini-Kirche in Oldendorf. Kinder dürfen verkleidet kommen und auf Luthers Spuren rund um die Kirche geheimnisvolle Zeichen suchen und Rätsel lösen. Auch „ein bisschen Grusel“ und „jede Menge Süßigkeiten“ werden angekündigt.
Droht Halloween dem Reformationstag die Show zu stehlen? „Ach was“, sagt Marc Wischnowsky, Superintendent des Kirchenkreises Stade. Er hat sich mit Eltern darüber ausgetauscht, wie sie es empfinden. Schließlich sind es vor allem Kinder und Jugendliche, die gruselig verkleidet von Tür zu Tür gehen und Süßigkeiten sammeln. Die meisten, sagt er, machen das einfach mit, ohne traditionellen oder gar spirituellen Hintergrund.
Das Millionengeschäft mit Halloween
Eine echte Konkurrenz sieht Wischnowsky in Halloween deshalb nicht. Er weist aber darauf hin, dass auch viel kommerzielles Interesse dahinter stecke. Tatsächlich rechnet der Handelsverband Deutschland in diesem Jahr mit Halloween-Umsätzen in Höhe von 540 Millionen Euro. Das wäre ein Umsatzplus von 12,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Der Reformationstag sei ohnehin etwas ganz anderes, sagt der Superintendent, nämlich eher ein Tag der intellektuellen Beschäftigung mit der Reformation. Traditionen waren bisher nicht damit verbunden, schon gar nicht für Familien geeignete. Das liege auch daran, dass es erst seit 2018 ein Feiertag ist. „Aber ich finde es natürlich toll, wenn Kollegen versuchen, das jetzt in so etwas zu überführen, indem sie sagen: Wir machen was.“
Für die Faszination des Grusel-Faschings hat Wischnowsky etwas Verständnis. Es könne der Angst vor dem Tod den Schrecken nehmen, sich humorvoll damit zu beschäftigen: „Über den Tod zu lachen, finde ich sehr gesund.“ Doch er rät zu Augenmaß. Die Eltern haben ihm berichtet, dass ihre Kinder manchmal echte Angst bekommen, wenn der Grusel zu heftig wird.
Von Fegefeuer zu Fake-News
Wichtig ist Wischnowsky, den emanzipatorischen Gedanken der Reformation zu vermitteln. Die Kirche war übermächtig geworden und herrschte durch Angst. „Teufel, Hölle, Fegefeuer - all das droht Euch. Nur die Kirche kann Euch retten“ - mit dieser Erzählung wurden Macht und Einnahmen gesichert. „Ganz ähnlich bedienen sich heute antidemokratische Kräfte der Verschwörungstheorien und Fake News. Sie machen den Leuten Angst und behaupten, nur sie könnten sie retten.“
„Reformation neu feiern - Demokratie stärken“ lautet in diesem Jahr das Motto der Evangelischen Kirche in Deutschland für den Reformationstag. Wischnowsky sieht das etwas kritisch: „Luther war kein Demokrat.“ Aber er habe das kirchliche Angst-Regime mit seiner Botschaft durchbrochen: Jeder hat eine eigene, direkte Beziehung zu Gott, und der hat uns zu freien, fröhlichen Menschen gemacht. Der Bildungsgedanke sei wichtig gewesen und sei es bis heute: Jeder sollte die Bibel lesen können und wissen, was er singt und was im Gottesdienst passiert.
- Um Luther und die Bildung geht es auch im Gottesdienst am Reformationstag mit Marc Wischnowsky und der Stadtkantorei in St. Cosmae Stade ab 17 Uhr.