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Fachmärkte

THammer-Insolvenz: Bliedersdorfer erlebt „miese Geschichte“

Der Hammer Fachmarkt in Stade fotografiert in einem Autospiegel.

Im Fokus: Für einen Bliedersdorfer begann im Hammer Fachmarkt in Stade ein Problem mit einem Einkauf. Foto: Thies Meyer

Ein Bliedersdorfer zahlte bei Hammer per Vorkasse. Sein Geld bekam er nicht zurück, dafür einen Gutschein. Die Verbraucherzentrale verrät, welche Rechte Kunden haben.

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Von Thies Meyer
Dienstag, 15.07.2025, 05:50 Uhr

Bliedersdorf. Vor etwas mehr als zwei Wochen wurde bekannt: Der Mutterkonzern der Hammer-Märkte, die Unternehmensgruppe Brüder Schlau aus Porta Westfalica, ist insolvent. Für einen Bliedersdorfer, der anonym bleiben möchte, wurde ein Kauf während der Insolvenz zu einer „ganz miesen Geschichte“, wie er selbst sagt.

Er bestellte am 23. Juni Gardinenstoff und zahlte dafür rund 300 Euro im Voraus. Hammer teilte ihm mit, dass der Artikel nicht geliefert werden könne. Als der Bliedersdorfer sein Geld zurückforderte, soll Hammer die Rückzahlung verweigert haben. Der Kunde könne sein Geld aufgrund der Insolvenz nicht zurückerhalten. Von der Insolvenz wusste der Kunde bei seinem Kauf nichts. Der Hammer-Mutterkonzern hat das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung am 26. Juni beantragt.

Stattdessen händigte Hammer ihm einen Gutschein im Warenwert des bestellten Artikels aus. „Man nötigt jemanden zum Kauf einer anderen Ware“, sagt der Betroffene. Mehr Transparenz habe er sich von Hammer gewünscht, der Konzern hätte ihm die Insolvenz früher mitteilen müssen.

Zusätzlich ärgert den Bliedersdorfer: Hammer habe auch an dem Morgen, an dem er seinen Gutschein für Plissees als Alternative zu Gardinen eingelöst hat, noch weitere Bestellungen mit Vorkasse abgewickelt - trotz der Insolvenz.

Insolvenzverwaltung: Keine Nachteile für Kunden

Die Insolvenzverwaltung Streitbörger aus Bielefeld beaufsichtigt die Brüder Schlau dabei, ihre insolvente Unternehmensgruppe um Hammer & Co zu sanieren. Streitbörger äußert sich auf ihrer Homepage wie folgt: „Für Kundinnen und Kunden sowie Geschäftspartner hat die Insolvenz in Eigenverwaltung keinerlei Nachteile. Die Lieferfähigkeit bleibt vollständig erhalten. Aufträge werden wie gewohnt ausgeführt.“ Das widerspricht den Aussagen des Bliedersdorfers, der seine Gardinen nicht bekam. Für eine Stellungnahme war die Insolvenzverwaltung am Montag nicht zu erreichen.

Haben Kunden ein Recht auf Rückerstattung?

Tim-Oliver Tettinger, Rechtsexperte von der Verbraucherzentrale Niedersachsen, verrät, welche Rechte Verbraucher in diesem Fall haben. Der Bliedersdorfer hätte sein Geld zurückfordern können, sagt Tettinger. Wenn die Ware für Hammer nicht lieferbar war, hätte der Bliedersdorfer den Vertrag widerrufen und erst danach seine Vorauszahlung zurückfordern können.

Wann Hammer ihm sein Geld erstattet hätte und wie viel, bestimmt die Insolvenztabelle mit einer Reihenfolge: Je höher der Betrag der Bestellung, desto eher erhalten Kunden ihr Geld (vollständig) zurück. „Eine sofortige Rückzahlung des Unternehmens vor Verfahrenseröffnung wäre insolvenzrechtlich sogar unzulässig.“

Dürfen insolvente Unternehmen Gutscheine ausstellen?

Doch der Bliedersdorfer verbrauchte seinen Gutschein. Den hätte er nicht akzeptieren müssen, sagt Tettinger: „Wenn der Verbraucher ausdrücklich die Rückerstattung verlangt, nachdem der Vertrag mangels Lieferung endgültig nicht erfüllt wurde, ist die einseitige Ausstellung eines Gutscheins grundsätzlich nicht zulässig.“

Wenn Betroffene jedoch, ohne ihre Rechte zu kennen, einen Gutschein als Gegenleistung annehmen, ist es für Kunden schwieriger, diese Entscheidung noch anzufechten. „Eine Rückabwicklung ist kaum noch möglich“, sagt Tettinger.

Darf ein insolventes Unternehmen noch Bestellungen durchführen?

„Grundsätzlich ja - die Insolvenzeröffnung ist erst mit dem gerichtlichen Eröffnungsbeschluss wirksam.“ Der Rechtsexperte weiter: „Wenn die Insolvenz bereits beantragt war oder intern als beschlossen galt, darf das Unternehmen rechtlich noch Bestellungen durchführen“ - mit Einschränkungen. Denn: Wenn es zum Zeitpunkt des Kaufs keine Chance mehr auf eine Lieferung gibt, „kann dies unter Umständen zivilrechtlich anfechtbar sein“, sagt Tettinger.

Lohnt sich ein Anwalt oder das Gericht?

Tetinger rät zur Erstberatung bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen, zum Beispiel wenn Kunden wie der Bliedersdorfer einen Gutschein akzeptieren und einlösen, ohne vorher ihre Rechte zu prüfen. Die Zentrale informiert Kunden per Telefon, Video oder vor Ort über ihre Rechte. Die Erstberatung ist kostenlos.

Im Einzelfall könne ein Anwalt prüfen, ob ein Unternehmen seine Kunden beispielsweise getäuscht habe und dies eine Anfechtung rechtfertige, so Tettinger. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten daher abwägen, ob sich ein Anwalt oder sogar ein Gerichtsverfahren rentiert. „Eine Klage ist immer mit Kostenrisiken verbunden. Hier geht es auch um die Höhe der Forderung im Einzelfall“, sagt Tettinger.

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