THans Schmidt: Was Stades ältesten Umweltaktivisten antreibt

Hans Schmidt mit seinem alten Balgen-Fotoapparat. Foto: Richter
Als Hans Schmidt Umweltaktivist wurde, gab es das Wort noch gar nicht. Von Dow bis LNG: Schmidt hat die Entwicklung Bützfleths miterlebt und kritisch begleitet.
Stade. Ja, er ist ein beharrlicher Idealist. Aber ein bodenständiger. In seiner Jugend ging Hans Schmidt, Jahrgang 1938, noch Jahr für Jahr mit dem Jätestock aufs Kornfeld. Von einem Tag zum nächsten war es damit vorbei: „Ich hatte mein Werkzeug noch klar gemacht, da war es plötzlich aus. Die Pestizide waren da.“
Vom Pferd zum Trecker - eine Zeitenwende
Damals wurde das Korn noch von Hand zu Garben gebunden und auf die Felder gestellt. Das sah nicht nur anders aus, es fühlte sich auch anders an, erinnert sich Schmidt, der in Abbenfleth geboren ist. „Früher war die Zeit, in der Dinge sich verändern, viel länger“, sagt er. Er hat das oft erlebt: vom Plumpsklo zur Kanalisation, vom Pferd zum Traktor und vom Balgen-Fotoapparat, mit dem er einige Bilder in seinem Buch als Jugendlicher selbst fotografiert hat, zur Digitalfotografie.
In seinem neuem Buch „Hinter’m Deich. Ein Leben zwischen Elbe und Moor“ ist all das nachzulesen - und vieles mehr. Seine Kritik ist nicht für Behörden und Politik reserviert. Auch sich selbst nimmt er kritisch unter die Lupe.
Ortsentwicklung
T Ärger ums Freibad: Bützflether wehren sich gegen Schließung
Seine Memoiren beginnen da, wo es in den meisten deutschen Familien wehtut: 1933, als seine Eltern Hitler wählen. Die Eltern, später von den Briten als Mitläufer eingestuft, erzählen wenig von dieser Zeit. Doch als Michel Friedman seiner Generation vorwirft, die Väter und Großväter nicht genug befragt zu haben, gehören Hans Schmidt und seine Frau zu den Ersten, die sich melden, als in Stade Finanzierer für Stolpersteine gesucht werden.
Sexuelle Revolution vorweggenommen
Helga, geborene Haack, lernt Schmidt schon in der Schule kennen. Wirklich nahe kommen sie sich erst später. „Beim Tanzen miteinander sind wir eine Einheit. Und das bleibt bis heute so“, schreibt Hans Schmidt. Er ist beeindruckt von Helga, die frei redet, klug, schön und sportlich ist. Sie verloben sich 1961.
Das unerfahrene, aber nicht anspruchslose Paar bekommt Beziehungsprobleme. Unzufrieden wirft ihm die junge Frau den Verlobungsring vor die Füße. Er gelobt Besserung. In Bützfleth sind sexuelle Revolution und Befreiung längst nicht angekommen. Doch diese beiden nehmen sie vorweg. Auf Helgas Wunsch besucht Hans Schmidt Seminare und Workshops, investiert Liebe und Energie. 1962 heiraten sie.

Hans Schmidt (links) mit seiner Mutter und seinen Brüdern. Foto: Schmidt
Eine gute Entscheidung - das merkt jeder, der die beiden mehr als 60 Jahre später miteinander erlebt. Und jeder, der ihre Bücher liest, denn sie schreiben beide: Helga Schmidts lesenswerte Autobiografie „Licht, Schatten, Kraft“ ist in der Stader Buchhandlung Kapitel 17 erhältlich.
Hans Schmidt erzählt in seinem Buch von Familienglück und erfüllender Arbeit, aber auch von schweren Prüfungen. Die schwerste ist der Abschied von Tochter Kerstin, die 1981 im Alter von elf Jahren nach langer Krankheit stirbt.
Bekannter Schriftsteller hat das Buch lektoriert
Trost ist schwer zu finden. Doch da ist auch der ältere Sohn und Sonnenschein Peter, heute Vater von Schmidts drei Enkelkindern. Auch anderen jungen Leuten öffnet Familie Schmidt ihr Zuhause und nimmt sie in ihre auf. Einer von ihnen ist ein Gastarbeiterkind aus der Bützflether Nachbarschaft: Nevfel Cumart. Er wird ein bekannter Dichter und Autor, nennt Helga und Hans Schmidt bis heute „seine deutschen Eltern“ und hat Hans Schmidts Buch lektoriert.
Kraft schöpfen Helga und Hans Schmidt in vielfältigem Engagement: Helga Schmidt gründet aus ihrer eigenen Erfahrung heraus eine Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern, die sie viele Jahre leitet. Ab 2015 kümmern sie sich um Geflüchtete, einige erweitern ebenfalls die Familie. Hans Schmidt ist neben Schützenverein und Feuerwehr seit 1970 auch im Bürgerverein aktiv. Als Chlorgaswolken der Dow über Bützfleth ziehen, setzt er sich für den Schutz der Anwohner ein - erfolgreich.
Von Dow bis LNG: Schmidt ist kritischer Begleiter
Später tritt Schmidt auch der AUN (Arbeitsgemeinschaft Umweltplanung Niederelbe) bei, die Projekte wie das einst geplante Kohlekraftwerk oder das LNG-Terminal kritisch begleitet. Industrie, Elbvertiefung, A26 - Hans Schmidt, Diplom-Bauingenieur und Architekt, ist ein sachkundiger und leidenschaftlicher Kritiker. Die Hintergründe beschreibt er in „Das Leben hat Vorrang“ (MCE-Verlag 2022). Eine spannende Lektüre für alle, die mehr über die Geschichte der Industrie- und Infrastrukturprojekte im Landkreis Stade wissen wollen.
Bis heute ist der 86-Jährige voll dabei - auch mit Blick auf die Pläne, auf Bützflethersand ein Altholzkraftwerk anzusiedeln. Es sei der gleiche Konflikt wie immer, sagt Hans Schmidt: „Deutschland lebt von und mit der Industrie. Uns geht es nur darum, dass der Mensch und das Leben Vorrang haben.“
- Hans Schmidt: „Hinter‘m Deich. Ein Leben zwischen Elbe und Moor“ ist 2024 im MCE-Verlag erschienen, hat 272 Seiten mit vielen Fotografien und kostet 20 Euro. ISBN: 978-3-938097-63-2.