THausärzte in Horneburg: Die große Sorge vor dem Praxissterben

Auf dem Land müssen zukünftig immer weniger Hausärzte immer mehr Patienten versorgen. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Horneburg hat genügend Hausärzte, trotzdem bekommen Neupatienten kaum Termine. Ein neues Gesetz könnte die Lage ab Oktober entspannen - doch wie sieht es langfristig aus?
Horneburg. Acht Hausärzte in sechs Arztpraxen versorgen aktuell die knapp 14.000 Menschen in der Samtgemeinde Horneburg. Die Kommune ist mit einem Versorgungsgrad von über 95 Prozent derzeit weit entfernt von einer medizinischen Unterversorgung. Doch das könnte sich in den nächsten Jahren schlagartig ändern.
„Wir machen uns Sorgen um die zukünftige Ärzteversorgung“, sagt Peter Hoffmann vom Horneburger Verein Methusalem. Bei einem runden Tisch brachten Vertreter der Methusalems, der Awo und des Sozialverbandes ihre Sorgen Dr. Stephan Brune und Iris Fitze näher. Der Kardiologe praktiziert seit 1993 in Stade und ist zudem Vorsitzender im Bezirksausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Iris Fitze koordiniert seit 2017 das Projekt Landgang, um jungen Medizinstudenten das Praxisleben im Landkreis mittels Praktika attraktiv zu machen.
Budget-Deckel für Hausärzte fällt im Oktober
Die Hauptsorgen der Horneburger: Neupatienten fänden kaum noch einen Hausarzt in der Samtgemeinde. Außerdem sei etwa ein Drittel der lokalen Hausärzte über 63 Jahre alt und werde voraussichtlich in den nächsten zwei bis fünf Jahren in den Ruhestand gehen - ohne Nachfolger in Sicht.
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Eine gute Nachricht für Neupatienten ohne Hausarzt tritt bereits ab dem 1. Oktober in Kraft. Denn durch das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) werden die bisherigen Budgets für Hausärzte abgeschafft.
Bisher mussten die Mediziner mit einem gedeckelten Budget kalkulieren, um Leistungen für Patienten abzurechnen. Überschritten sie das Budget, mussten sie für die Leistungen selbst aufkommen oder bekamen sie nicht von den Krankenkassen vergütet.
Junge Mediziner setzen auf Work-Life-Balance
Doch Brune sieht die Änderung mit Vorsicht: „Ob Hausärzte deswegen mehr Patienten aufnehmen können, ist fraglich.“ Denn laut Honorarberichten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2023 haben Hausärzte in Deutschland durchschnittlich 900 Patienten pro Quartal behandelt. Eine Aufhebung des Budgetdeckels für Fachärzte sei aktuell „nicht in Sicht“, so Brune.
Es gebe mehr Ärzte, die ihre Praxis in den nächsten Jahren abgeben wollen, als Nachfolger, bestätigt Brune und stellt klar: „Wir werden zukünftig mit weniger Ärzten klarkommen müssen.“

Sind sie die neuen Hausärzte von morgen? Über das Projekt Landgang lernen Medizinstudenten den Landkreis Stade kennen. Foto: Buchmann
Generell habe sich das Verständnis von angehenden Ärzten für ihre Arbeit geändert. Jungen Medizinern sei es wichtig, sich finanziell für ihre Lebensplanung abzusichern, sagt Iris Fitze. Deswegen liebäugelten mehr damit, sich in einer Klinik oder einer Praxis anstellen zu lassen, anstatt selbstständig eine Praxis zu führen - auch hinsichtlich der Work-Life-Balance, weshalb Arbeiten in Teilzeit im Trend sei.
Niedersachsen mangelt es an Studienplätzen
Förderprogramme wie das Projekt Landgang wollen daher versuchen, jungen Medizinern durch Einblicke in Landarztpraxen diese Ängste zu nehmen und sie ermutigen, sich auf lange Sicht in der Region niederzulassen. Wichtig sei zudem, die Situation der Studienplätze in Niedersachsen zu verbessern.
2024 landete Niedersachsen laut dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) mit lediglich 793 Medizin-Studienplätzen im Ländervergleich auf dem drittletzten Platz. „Es wird viel zu wenig ausgebildet“, betont Brune und sieht die Landesregierung in der Pflicht. Er kritisiert auch bürokratische Hürden für Ärzte aus dem Ausland, die dringend in Praxen und Kliniken gebraucht werden.
„Ohne ausländische Ärzte können wir einpacken“, unterstreicht Methusalem-Mitglied Astrid Rehberg. Welche Rolle die Lokalpolitik beim Ärztemangel einnehmen kann, demonstrierte jüngst die Samtgemeinde Fredenbeck mit einem neuen Gesundheitscampus. Doch Brune mahnt: „Zu viel Konkurrenz ist nicht gut.“ Kommunen würden so gegeneinander arbeiten und mit viel Geld um die wenigen Ärzte buhlen.
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