Zähl Pixel
Serienmörder

T„Höflich und freundlich“: Mutmaßlicher Göhrde-Mörder beruflich im Nachbarkreis unterwegs

So sah das Stammhaus der Firma Leppert in den 1960er Jahren aus. Foto: Stadtarchiv Lüneburg

So sah das Stammhaus der Firma Leppert in den 1960er Jahren aus. Foto: Stadtarchiv Lüneburg Foto: Stadtarchiv Lüneburg

Der mutmaßliche Serienmörder Kurt-Werner Wichmann ist 1970 immer wieder in die Region zwischen Cuxhaven und Bremerhaven gekommen - als Auslieferungsfahrer eines Lüneburger Unternehmens. Eine Mitarbeiterin von damals liefert interessante Einblicke.

Von Carlo Eggeling Mittwoch, 28.02.2024, 23:30 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Kurt Werner Wichmann dürfte den Landstrich zwischen Bremerhaven und Cuxhaven durchaus gekannt haben. Auch wenn die Äußerungen der Polizei dazu widersprüchlich ausfallen. Der mutmaßliche Serienmörder hat 1970 für die Lüneburger Firma Leppert gearbeitet, die produzierte unter anderem Senf und Essig - und lieferte die Ware bis ins Hadelner Land. „Er hat als Beifahrer Fahrten begleitet“, erinnert sich eine ehemalige Mitarbeiterin, die damals ihre Ausbildung in der Firma durchlief. „Er hat Hilfsarbeiten erledigt.“ Dazu gehörte das Aufräumen des Lagers, Fässer reinigen und eben Ausfahrten erledigen. All das habe sie vor ein paar Jahren bereits der Polizei erzählt. Dort habe sie sich nach Presseartikeln im Zusammenhang mit den Göhrde-Morden und dem Fund der Leiche Birgit Meiers unter Wichmanns Garage im Herbst 2017 gemeldet.

Unklar, ob Wichmann etwas mit den „Disco-Morden“ zu tun hatte

Es bleibt die Frage, ob Wichmann etwas mit dem mutmaßlichen Tod von sieben jungen Frauen zu tun haben könnte, die von Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre in der Region zwischen Elbe und Weser verschwanden. Nur in einem Fall wurde eine Leiche gefunden. Wie berichtet, geht der ehemalige Chef des Hamburger Landeskriminalamtes, Reinhard Chedor, den Schicksalen der Frauen nach.

Nach Berichten in der "Nordsee-Zeitung" haben sich zahlreiche Frauen aus dem Raum zwischen Bremerhaven und Cuxhaven gemeldet, die unheimliche Begegnungen geschildert haben. Ob es sich um Wichmann handelte, der sie verfolgte und bedrängte oder jemand anderen, bleibt Interpretationssache. Mindestens drei Frauen sind sich zu 100 Prozent sicher, dass Wichmann es war.

Hinweis in den Akten der Polizei auf Verbindung Wichmanns ins Cuxland

Interessant ist jedenfalls, dass sich sogar in den Akten der Polizei ein Hinweis auf die Verbindung Wichmanns ins Cuxland findet. Die ehemalige Mitarbeiterin der Firma Leppert hatte sich vor Jahren bei der Lüneburger Polizei gemeldet und ihre Erinnerungen geschildert. Es lief ähnlich wie jetzt: Berichte in der Landeszeitung Lüneburg hatten sie an den Kollegen Wichmann denken lassen.

Mit diesem Passbild wurde einmal nach Kurt-Werner Wichmann gefahndet.

Mit diesem Passbild wurde einmal nach Kurt-Werner Wichmann gefahndet. Foto: privat

Wieder zurück ins Jahr 1970. Anders als in der heutigen Zeit der großen Supermärkte gab es in den Orten kleine Lebensmittelgeschäfte, die bei anderen Betrieben ihre Ware orderten. Leppert beschäftigte Handelsreisende, die bei Kaufleuten für Produkte warben und Aufträge schrieben. Der Sohn eines Vertreters schildert es so: „Mein Vater war mehrere Tage unterwegs, um die Aufträge einzusammeln.“ Es habe zwei solcher Reisenden gegeben, die ein Gebiet von Schnackenburg an der Elbe über Dannenberg, Mölln, Uelzen, Stade bis an den Rand Cuxhavens und Ortschaften im Kehdinger oder Hadelner Land abdeckten.

Wichmann hatte „eine große Fresse“

„Dann hat ein Fahrer die Ware ausgeliefert“, erinnert sich der Sohn. Er hatte einen Beifahrer dabeigehabt. Denn die Produkte seien nicht wie heute auf Paletten gestapelt gewesen, sondern in einzelnen Kartons. Die Fahrer, es habe zwei oder drei gegeben, hätten einen Helfer dabeigehabt. Man sei frühmorgens gestartet, habe 25 bis 30 Kaufleute „abgeklappert“ und sei abends nach Lüneburg zurückgekehrt: „Eine Tour dauerte solange, wie sie eben dauerte.“

Er selber habe als Jugendlicher während der Ferien in der Firma gejobbt und so Wichmann kennengelernt: „Er war ein unangenehmer Zeitgenosse. Nicht unfreundlich, aber er hatte eine große Fresse. Er war sozial nicht kompatibel.“ Er erinnert sich daran, dass Wichmann einen „großen Mercedes“ gefahren habe: „Das war ungewöhnlich, konnten sich die anderen nicht leisten - und dann so sein junger Mann.“ An dem Wagen habe Wichmann „herumgeschweißt“, mit einem „Kumpel“, so habe er es erzählt. Das Auto sei goldfarben lackiert gewesen, die Front habe an eine S-Klasse erinnert.

Kündigung nachdem Vergewaltigung bekannt wird

Eines Tages sei sein Vater nach Hause gekommen und habe gesagt, der Chef, Joachim Leppert, habe Wichmann gekündigt. „Das war, als die Vergewaltigung bekannt wurde.“ Leppert habe gesagt, so einen Mann könne man nicht beschäftigen.

Zur Erinnerung: Wichmann hatte 1970 eine junge Frau als Anhalterin mitgenommen, sich an ihr vergangen. Er hatte sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Das Landgericht Lüneburg ging später davon aus, dass er sie töten wollte. Doch der Frau war es gelungen, Wichmann zu überreden, sie laufen zu lassen. Sie erstattete Anzeige, die Polizei schaltete die Öffentlichkeit ein. Wichmann fand sich im Zeitungsartikel nicht richtig dargestellt - er meldete sich bei der Kripo. Die nahm ihn fest.

Auch die ehemalige Auszubildende, damals 17 Jahre alt, kann noch einiges erzählen. Auf sie machte Wichmann einen anderen Eindruck: „Er war sehr höflich und freundlich. So haben sich Mütter damals ihre Schwiegersöhne vorgestellt.“ Einmal habe er angeboten, sie nach Hause zu fahren. Eigentlich sei das für sie unüblich gewesen, es habe damals gegolten: „Mit Fremden fährt man nicht mit.“ Fremd scheint Wichmann, damals Anfang 20, ihr geblieben zu sein.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel

95-Jähriger für 80 Jahre Feuerwehrdienst geehrt

Mit 15 Jahren trat er in die Feuerwehr ein, jetzt ist er 95: Christoph Bardenhagen erzählt, wie Feuerwehrdienst mit Pferdewagen nach dem Krieg aussah – und warum er bis heute nicht loslassen kann.