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Bützflethersand

THoffnungsträger der Wirtschaft: Das hat Prime Lithium in Stade vor

Dr. Axel C. Heitmann auf dem Gelände der geplanten Lithium-Pilotanlage.

Dr. Axel C. Heitmann auf dem Gelände der geplanten Lithium-Pilotanlage. Foto: Strüning

Im Chemie-Park der Dow auf Bützflethersand könnte ein neues Kapitel regionaler Wirtschaftsgeschichte geschrieben werden: Mit der Ansiedlung von Prime Lithium eröffnen sich völlig neue Perspektiven. Was steckt hinter dem Engagement?

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Von Lars Strüning
Mittwoch, 10.04.2024, 19:20 Uhr

Was oder wer ist Prime Lithium?

Die Prime Lithium AG ist ein relativ junges Unternehmen und ein Ableger der Deutschen Rohstoff AG mit Sitz in Mannheim. Die handelt vor allem mit Öl und Gas. Prime Lithium erforscht seit Juli 2023 in Stade in einem Labor auf dem Dow-Gelände, inwieweit auch in Deutschland hochreines Lithium für den Batterieantrieb von Autos hergestellt werden kann. Dieser Markt wird von China beherrscht.

Was treibt Prime Lithium nach Stade?

Der Chemie-Standort in Stade bietet dem Lithium-Hersteller mehrere Vorteile. Dr. Axel C. Heitmann, Chef von Prime Lithium, führt den seeschifftiefen Hafen an. Hier können Erzfrachter aus der ganzen Welt den Rohstoff liefern, den das Unternehmen zur Herstellung von Lithium benötigt.

Die vorhandene Infrastruktur im Chemie-Park ist ein weiteres Plus. Straßen, Werkschutz, Ambulanz oder Werkfeuerwehr sind bereits vorhanden. Das hält die Kosten niedrig. Und Prime Lithium hat ausreichend Platz. 22 Hektar von dem 550 Hektar großen Areal an der Elbe hat sich das Unternehmen gesichert.

Mitten im Chemieverbund zu sitzen war offenbar ein Plus für Stade. Hier bereits arbeitende Forschungslabore, Ausbildungseinrichtungen und der bestehende Bebauungsplan waren weitere Gründe. Nicht zu vergessen: Gas- und Stromlieferung sind hier gesichert, später auch in grüner Form. Wichtig vor allem: Dow stellt die für die Herstellung von Lithium benötigte Natronlauge per Pipeline aus der eigenen Produktion zur Verfügung. Brunsbüttel als Alternativstandort hatte bei der Endausscheidung das Nachsehen.

Was macht Prime Lithium in Stade?

Das Unternehmen ist bereits seit Juli 2023 mit einem Forschungslabor im Chemie-Park vertreten. Heitmann lobt die pragmatische und zielgerichtete Zusammenarbeit mit der Dow und die Hilfe bei der Ansiedlung. Ziel von Prime Lithium ist die Herstellung von hochreinem Lithiumhydroxyd als Grundlage für Autobatterien. Für seine Arbeit im Forschungslabor in Stade habe Prime Lithium bereits zwei Patente angemeldet.

Ein Kernstück ist CCU, Carbon Capture and Utilisation. Dahinter steckt, dass das in der Produktion anfallende CO2 in einem geschlossenen Kreislauf wieder verwendet wird.

Blick ins Stader Versuchslabor von Prime Lithium.

Blick ins Stader Versuchslabor von Prime Lithium. Foto: Strüning

Heitmann nennt Lithium das Arbeitspferd der Autobatterie. Es entscheidet über Leistung, Ladezyklen und Haltbarkeit der Batterie von E-Fahrzeugen. Die Forschung sei aufwendig, komplex und übergreifend. Das Unternehmen werde deshalb mit Chemikern, Physikern, Verfahrenstechnikern, Geologen, Mineralogen oder auch Maschinenbauern arbeiten.

Heitmann setzt auf ein Batterie-Cluster in Europa mit Schwerpunkt im Norden Deutschlands, also ein Netzwerk dieser High-Tech-Industrie. Und er setzt auf eine Zusammenarbeit mit Studieneinrichtungen wie der TU Hamburg-Harburg, mit dem Batterieproduzenten Northvolt, das sich im großen Stil in Heide in Schleswig-Holstein ansiedelt, oder Automobilherstellern wie VW. Ziel: Eine komplette europäische Wertschöpfungskette von der Forschung über den Bau bis zur Anwendung der Batterien. Heitmann denkt groß: Er spricht von einer Mammutaufgabe und sagt angesichts des Technologie-Vorsprungs der Chinesen: „Wir haben nicht viel Zeit.“

Was entsteht im Chemie-Park?

Das bestehende Labor ist noch provisorisch untergebracht, aber die Forschungsarbeiten laufen bereits mit 20 Mitarbeitenden. Es herrscht Start-up-Stimmung. Aus dem Labor erwächst eine Pilotanlage, das 11.000 Quadratmeter große Grundstück ist bereits für den Bau vorbereitet. Den Bau der Pilotanlage kalkuliert Heitmann mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

Hier sollen dann ab 2026 die Erkenntnisse aus dem Forschungslabor in eine kleine Produktion umgesetzt werden. Sind die Ergebnisse aus der Pilotanlage überzeugend, könnten 2027/28 die Entscheidungen für den Bau der ersten Großanlage getroffen werden, welche 2030 angefahren werden könnte. Das Investitionsvolumen für die erste von drei geplanten Produktionsanlagen: 700 Millionen Euro. Für den ersten Schritt rechnet Heitmann mit etwa 350 Angestellten. Später soll zudem das Recycling der Batteriezelle eine Rolle spielen.

Prime Lithium hofft für die Ansiedlung in Stade auf Mittel des Bundesministeriums für Wirtschaft. Das von Minister Robert Habeck (Grüne) geführte Haus hat eine passgenaue Förderung für die nationale Batteriezellen-Produktion aufgelegt, für Prime Lithium leider zu früh. Jetzt hofft Heitmann, dass diese Förderung in Zukunft fortgesetzt wird. Das Programm führt den Namen „Resilienz und Nachhaltigkeit des Ökosystems der Batterienzellfertigung“.

Wie groß ist der Bedarf an Lithium?

Der ist riesig. Das Wachstum für die kommenden Jahre wird mit jeweils 24 Prozent veranschlagt. Das liegt vor allem an steigenden Zulassungszahlen bei E-Autos für emissionsfreies Fahren. 2033 soll weltweit jedes zweite Auto elektrobetrieben sein. Der Bedarf steige von zurzeit eine Million Kilogramm Lithium auf fünf Millionen Kilogramm weltweit.

Heitmann nennt zwei Beispiele: In jedem Smartphone ist etwa ein Gramm Lithium verbaut. Für E-Autos werden je nach Leistung zwischen 30 und 40 Kilogramm verbaut.

Zurzeit bestehe in der EU beim Lithium eine Nachfragelücke von 150.000 Kilo pro Jahr. Die steigt im Jahr 2033 auf 600.000 Kilogramm. Bislang bedienen sich die Batteriehersteller mit Lithium aus China oder Lateinamerika, so Heitmann. Das müsse sich ändern, um Abhängigkeiten abzubauen. EU-weit müssten 30 Produktionsanlagen wie in Stade gebaut werden, um den Bedarf zu decken.

In Stade sollen pro Anlage 20.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr hergestellt werden. Das würde für 500.000 E-Fahrzeuge reichen.

Was bedeutet die Ansiedlung von Prime Lithium für Stade?

Das Interesse des Unternehmens ist erst mal ein Mutmacher. Die zuletzt gebeutelte Industrie auf Bützflethersand hatte vor allem mit hohen Strom- und Gaspreisen zu kämpfen. Der Bestand geriet in Gefahr - und damit auch ein großer Teil des Wohlstands in der Region. Zuletzt hatte Trinseo angekündigt, seine Anlage zu schließen, 85 Arbeitsplätze würde das treffen (das TAGEBLATT berichtete).

Das Industriegebiet an der Elbe in Bützfleth. Hier ist auf 550 Hektar noch viel Platz für Neuansiedlungen.

Das Industriegebiet an der Elbe in Bützfleth. Hier ist auf 550 Hektar noch viel Platz für Neuansiedlungen. Foto: Martin Elsen

Der Wind scheint sich zu drehen. Der Industriepark in Bützfleth könnte sein Gesicht stark verändern. Der Stader Seehafen wurde gerade für 300 Millionen Euro von Land und Bund ausgebaut, dort entstand ein Anleger für verflüssigte Gase, wo im ersten Schritt verflüssigtes Erdgas (LNG) und später auch grüne Gase auf Wasserstoff-Basis importiert werden sollen.

Die Ansiedlung von Prime Lithium könnte auch älteren Plänen zum Ausbau des Hafens an der Nordseite neuen Schwung verleihen. Zusammen mit der Milliarden-Investition zum Bau des LNG-Terminals an Land durch die Hanseatic Energy Hub (HEH) GmbH erhält das Industriegebiet ein neues Design. Es entstehen zwei Hoffnungsträger für die Region.

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