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Rechtsextremismus

THolocaust-Film und „Omas gegen Rechts“: Bliedersdorfer laden zum Diskutieren ein

Die Köpfe hinter dem Katharinenkino (von links): Nico Albrecht, Martin Hensel und Volker Dammann.

Die Köpfe hinter dem Katharinenkino (von links): Nico Albrecht, Martin Hensel und Volker Dammann. Foto: privat

Darf Kirche politisch sein? Ehrenamtliche der Bliedersdorfer Gemeinde setzen mit einem Filmabend im November ein klares Ja. Doch das junge Kulturangebot steht auf der Kippe.

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Von Steffen Buchmann
Sonntag, 09.11.2025, 15:00 Uhr

Bliedersdorf. Licht aus, Beamer an: Am Samstag, 15. November, verwandelt sich das Bliedersdorfer Gemeindehaus wieder in einen Kinosaal. Das Katharinenkino startet dieses Jahr in seine zweite Spielzeit, aber vorerst nur mit einem einzigen Termin. Der hat es thematisch jedoch in sich: Gezeigt wird ein Film über den Holocaust - und die Omas gegen Rechts kommen zum Diskutieren zu Besuch.

Einer der Köpfe hinter dem Projekt ist Nico Albrecht. Der Politiklehrer lebt seit Februar 2024 mit seiner Partnerin, der neuen Pastorin Mira Neckel, in Bliedersdorf und engagiert sich seitdem in der Kirchengemeinde. Die Idee für das Katharinenkino kam ihm bei einem Gespräch in der Krippe seines Kindes. „Ich dachte mir: Ein Kino in Bliedersdorf, das wäre doch mal was“, sagt der 40-Jährige.

Gemeinsam Leinwandabenteuer erleben

Gesagt, getan: Gemeinsam mit Heinrich Klensang startete Albrecht im Oktober 2024 die erste Kino-Ausgabe in Bliedersdorf. Nachmittags lief ein Film für die Kinder, am Abend waren dann die Erwachsenen dran - Eintritt frei.

„Die Kinder konnten es sich auf einer Puzzle-Matte gemütlich machen, dazu hatten wir frisches Popcorn im Kochtopf gemacht“, erinnert sich Albrecht. Bis März 2025 kamen so einmal monatlich Jung und Alt im Gemeindehaus zusammen, um gemeinsam Filme zu schauen. „Das ist etwas Besonderes in der Gemeinde“, sagt Volker Dammann, der zunächst als Besucher kam und dann selbst mit anpackte. Auch Martin Hensel stieß als Zuschauer im Frühjahr 2025 zum Projekt.

Eigentlich sollte das monatliche Kirchenkino auch diesen Herbst wieder anlaufen. Doch es gibt ein Problem: „Es fehlt uns leider an Zeit und Helfern, um das Kino wie letztes Jahr anzubieten“, sagt Albrecht. Deshalb musste das Team den ursprünglichen Saisonstart im Oktober kurzfristig absagen.

Darf Kirche politisch sein?

Doch der Filmabend soll nicht einfach verschwinden. „Wir wollen weiterhin ein kulturelles Angebot für das Dorf anbieten“, sagt Albrecht. Dass die Ehrenamtlichen Lust auf ein anspruchsvolles Programm haben und nicht bloß „seichte Unterhaltung“ zeigen wollen, spiegelt sich im bisher einzigen Termin wider.

Am 15. November um 19 Uhr zeigt das Katharinenkino kostenfrei für Besucher ab 16 Jahren einen Überraschungsfilm. Ein Hinweis: Es ist ein aktuelles Drama um den Alltag einer Nazi-Familie, die direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz lebt. Im Anschluss wird eine Vertreterin der Omas gegen Rechts einen Vortrag halten.

Kirche ist immer politisch.

Pastorin Mira Neckel

Die beiden Themen Holocaust und Rechtsextremismus zu kombinieren war Albrecht wichtig. „Sie sind derzeit seltsam entkoppelt“, sagt er. Er habe den Eindruck, viele sehen keinen Zusammenhang mehr. Im Anschluss können die Besucher in einer offenen Runde diskutieren und Gedanken austauschen.

Katharinenkino sucht dringend Helfer

Pastorin Neckel unterstützt das Projekt und lobt das Engagement der Ehrenamtlichen. Das Argument, Kirche müsse sich politisch neutral verhalten, finde sie „irrsinnig. Wir predigen Nächstenliebe und setzen uns für die Schwächeren ein“, sagt Neckel und ergänzt: „Kirche ist immer politisch.“ So habe sie etwa zur vergangenen Bundestagswahl einen besonderen Demokratie-Gottesdienst angeboten.

Doch wie geht es nach dem 15. November mit dem Katharinenkino weiter? „Wir hätten Lust, die Reihe mit tollen Filmen fortzuführen“, sagt Albrecht. Dafür brauche es jedoch „mehr Schultern“, um die Arbeit zu verteilen. Wer Interesse hat, beim Katharinenkino mitzuwirken, kann sich bei Pastorin Mira Neckel informieren. „Oder einfach am 15. November vorbeischauen“, sagt Albrecht.

Transparenzhinweis: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es, dass Martin Hensel das Projekt mit ins Leben gerufen hatte. Dies wurde korrigiert.

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