THund totgebissen: „Der Pitbull hat mir Cookie aus dem Arm gerissen“

Hanna mit ihrem Chihuahua „Cookie“. Er überlebte die Attacke der großen Hunde nicht. Foto: privat
Hanna geht in Rotenburg mit ihrem Hund Gassi. Zwei frei laufende Hunde attackieren die Elfjährige – mitten im Stadtgebiet. Cookie stirbt. Jetzt ermittelt die Polizei.
Rotenburg. Beata Traue kämpft mit den Tränen. Drei Tage nach dem Vorfall sitzt sie mit ihrer Tochter Hanna in ihrem Restaurant „Am Ahe Wald“ und hat viele Fragen. Die drängendste: „Warum muss erst eine Tragödie passieren, bis die Leute was unternehmen?“
Die Tragödie ist der Tod des Familienhundes Cookie, ein vierjähriger Chihuahua. Er wurde von anderen, größeren Hunden getötet. Die Polizei ermittelt. Straftatbestand: Sachbeschädigung.
Die elfjährige Hanna ist am vergangenen Sonntag mit Cookie auf einer kleinen Gassirunde am Mühlende unterwegs. Die Familie wohnt am Moorkamp, mit dem Chihuahua ist die Gymnasiastin an der Brauerstraße unterwegs. In etwa 100 Metern Entfernung sieht sie zwei Hunde. „Ich habe gehofft, dass der Besitzer dabei ist“, erzählt sie.
Der Kampf dauert einige Minuten
Aber es gibt dort kein Herrchen oder Frauchen. Als der Pitbull und der andere große Mischling auf die Elfjährige zurennen, nimmt sie den kleinen Chihuahua auf den Arm. Hanna: „Der Pitbull hat mir Cookie aus dem Arm gerissen.“ Die großen Hunde beißen auf den kleinen ein. Einige Minuten dauert der Kampf, dann greifen Passanten ein.
Passanten bringen schwer verletzten Hund in eine Tierklinik
Ein Vater hält mit zwei 15-Jährigen an, sie rufen die Polizei, das Mädchen hält einen der Hunde am Halsband fest. Gegenüber vom Autohaus eilt ein Pärchen herbei, sie bringen den schwer verletzten Chihuahua Cookie mit Hanna zur Tierklinik nach Posthausen und alarmieren Mutter Beata. In der Nacht stirbt ihr Hund.
Der Pitbull und der Mischling gehören einer Hundehalterin, die am Lönsweg wohnt. Sie besitzt einen weiteren Hund, bestätigt das Ordnungsamt der Stadt. Die polizeilichen Ermittlungen gegen sie laufen - wegen einer „Sachbeschädigung“ am Hund, womöglich aber auch wegen fahrlässiger Körperverletzung am Kind, sollte Hanna wegen psychischer Schäden eine Behandlung brauchen.
Meine Tochter ist traumatisiert
Beata Traue, Mutter von Hanna
Die Elfjährige war ein paar Tage nicht in der Schule, brauchte Ruhe, zeigt sich nach dem Vorfall gefasst. Mutter Beata aber ist sich sicher: „Meine Tochter ist traumatisiert, und mir geht es richtig schlecht.“ Was Hanna erlebt habe, sollte niemand erleben müssen.
„Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können“
Die Elfjährige macht sich sogar selbst Vorwürfe. „Ich habe überlegt, noch auf einen Stromkasten zu klettern mit Cookie.“ Aber hätte das die Situation verbessert? Den Jagdtrieb der großen Hunde womöglich nicht noch intensiviert? In welcher Gefahr hat sich Hanna selbst schon befunden? Polizeisprecher Heiner van der Werp sagt nach dem Vorfall: „Es hätte alles noch viel schlimmer kommen können.“
Cookie sei schon der dritte Hund der Familie gewesen, so Traue. „Wir werden vermutlich nie wieder einen halten können.“ Vielleicht, sagt sie, wollten die großen Hunde sogar nur spielen. Offensichtlich sei die Halterin aber nicht in der Lage, die Hunde richtig zu halten.
Nachbarn berichten seit Jahren von Problemen mit der Hundehalterin
Tatsächlich bestätigt die Polizei, auch im Bereich von Vergehen nach dem Tierschutzgesetz zu ermitteln. Nachbarn der Hundehalterin berichten, dass das Problem seit Jahren bekannt sei. Schon 2021 habe man sich deswegen an Landkreis und Stadtverwaltung gewandt.
Mehrere Fälle, in denen die insgesamt drei Hunde der Halterin vom Grundstück gelaufen sind und andere Hundehalter oder Passanten angegangen seien, habe man gemeldet.
Polizei: „Uns war die Problematik nicht bekannt“
Nie sei die Halterin auf einer Gassirunde gesehen worden, die Hunde seien nicht erzogen und weitgehend sich selbst überlassen, so der Vorwurf. Von der Polizei heißt es: „Uns war die Problematik nicht bekannt.“ Nun schon. Der Landkreis Rotenburg mit dem Veterinäramt als Aufsichtsbehörde und das Ordnungsamt der Stadt sind eingeschaltet.
Landkreis Rotenburg als Aufsichtsbehörde bestätigt ein „laufendes Verfahren“
Bürgermeister Torsten Oestmann hat sich persönlich an Traue gewandt und versprochen, dass man sich kümmern werde. Erste Stadträtin Bernadette Nadermann bestätigt: „Nach Kenntnis des Vorfalls haben Mitarbeitende des Ordnungsamtes die hundehaltende Person aufgesucht, um sich einen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten und den Tieren zu verschaffen. Das betreffende Grundstück ist ausbruchssicher hergerichtet.
Zum Zeitpunkt des Besuchs zeigten die Tiere kein aggressives Verhalten gegenüber Menschen; dennoch ist die hundehaltende Person angehalten worden, die Hunde außerhalb des Grundstücks nur angeleint und mit Beißkorb versehen zu führen.“
Der Landkreis als Aufsichtsbehörde bestätigt ein „laufendes Verfahren“ nach dem Niedersächsischen Hundegesetz. Details könne man noch nicht nennen. Nur so viel: Die nach dem Hundegesetz „erforderlichen Schritte“ seien eingeleitet worden.
Halterin ist verpflichtet, für Leine und Maulkorb zu sorgen
Demzufolge ist die Halterin nicht nur „angehalten“ worden, für Leine und Maulkorb zu sorgen, sondern sie sei verpflichtet worden. Die Hunde müssten ja weiter ausgeführt werden, nur müsse das als „Sofortmaßnahme“ jetzt „außerhalb eines ausbruchsicheren Grundstücks“ eben unter diesen Bedingungen geschehen, so die Auflage aus dem Veterinäramt.
Zudem könnten in einem weiteren Schritt die Hunde als gefährlich eingestuft werden. Dann müsste die Halterin Bedingungen wie eine praktische Sachkundeprüfung und „persönliche Eignung“ erfüllen. Auch müsste der Hund dann einen Wesenstest bestehen. Damit würde die „soziale Verträglichkeit“ eines Hundes geprüft.

Die großen Hunde der Halterin hätten einen Maulkorb tragen müssen. Foto: Philipp Schulze
Selbst bei bestandener Prüfung würde die Einstufung als „gefährlich“ jedoch nicht aufgehoben. Seien alle Bedingungen erfüllt, erhalte der Antragsteller eine Bescheinigung, dass er den gefährlichen Hund halten und führen dürfe.
Wie weit die behördliche Prüfung in diesem konkreten Fall nun geht: noch offen. Bleibt die Frage, wie ausbruchssicher ein Grundstück ist, wenn hohe Zäune nicht geschlossen werden?
Beata Traue und den besorgten Nachbarn hilft das aktuell wenig weiter. „Ich weiß nicht, wie lange meine Tochter mit dem Trauma leben muss.“ Über das Präventionsteam der Polizei seien ihr Beratungsstellen vermittelt worden, wo sie sich Hilfe holen könnten.
Familie hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet
Mittlerweile hat sie einen Rechtsanwalt eingeschaltet, denn die persönliche Nachverarbeitung wird Geld kosten. Auch die Rechnung vom Tierarzt in Posthausen, der Cookie noch retten wollte, liegt vor: 4000 Euro. Geld und Folgekosten, die Traue sich von der Halterin wiederholen möchte.
Die habe sich bis heute nicht bei ihr persönlich gemeldet. Umso mehr ist sie überzeugt, dass das Thema nicht ruhen dürfe, nicht als Einzelfall abgetan werden: „Ich möchte etwas erreichen, das bin ich meiner Tochter und unserem Hund schuldig.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Zevener Zeitung.