THunderte neuer Jobs bei Airbus in Nordenham

Es ist vor allem die Nachfrage nach Flugzeugen der A-320-Familie, die Airbus den neuen Boom beschert.Foto: Heilscher Foto: Heilscher
Airbus ist nach der Corona-Krise im Aufwind. Über 300 Mitarbeiter sind allein im Nordenhamer Werk 2023 neu eingestellt worden. Über die Aussichten sprach Reporter Christoph Heilscher mit dem Airbus-Betriebsratsvorsitzenden Michael Eilers.
Nordenham. Christoph Heilscher: Kaum zu glauben, noch vor zwei Jahren war die Tristesse groß bei Airbus. Allein im Nordenhamer Werk wurden in der Corona-Zeit rund 650 Stellen abgebaut. Seit vergangenem Jahr geht es wieder aufwärts. Wo steht die aktuelle Mitarbeiterzahl?
Michael Eilers: Mit Auszubildenden sind es gut 3.000 im Nordenhamer Werk, also fast so viele wie vor der Corona-Krise. Der Höchststand lag seinerzeit bei 3200. Aber nicht allein die Zahl ist entscheidend. Airbus hat im Jahr 2023 nicht nur 300 neue Mitarbeiter eingestellt, sondern auch 180 Leiharbeiter unbefristet übernommen. Außerdem haben 52 Auszubildende angefangen.
Dabei hatte die Geschäftsführung in der Krise die Zahl der Auszubildenden reduzieren wollen.
Dagegen haben wir uns damals gewehrt. Die Auszubildenden haben Aktionen dagegen gestartet. Mit Erfolg und vernünftigen Gründen. Es war zu erwarten, dass es mit dem Flugzeugbau nach der Corona-Krise wieder aufwärtsgeht. Ab kommendem Jahr bekommen sogar 58 junge Leute pro Jahr im Nordenhamer Airbus-Werk einen Ausbildungsvertrag. In der Vergangenheit waren es stets 40 neue Azubis gewesen. Das ist also ein Anstieg von fast 50 Prozent. Das freut uns. Wir brauchen diese jungen Menschen. Es gehen in den nächsten Jahren mehr Beschäftigte in den Ruhestand, als wir durch die Ausbildung in den Betrieb bekommen.
Viele Fachkräfte wechseln zu Airbus
300 neue Mitarbeiter mit Festvertrag in einem Jahr. Das entspricht der Größe eines kleineren Nordenhamer Industriebetriebs. Wo kommen die Leute her?
Aus Nordenham, aus der Wesermarsch insgesamt, aber auch aus Bremerhaven und von weiter weg. Viele der neuen Mitarbeiter sind aus anderen Industriebetrieben zu uns gewechselt, etliche von ihnen kennen Schichtarbeit.
Es hat aus anderen Nordenhamer Industriebetrieben Gegrummel gegeben, weil Airbus Mitarbeiter abwerbe.
Zunächst einmal: Wir haben gegen die Abbaupläne gekämpft und Schlimmeres verhindert. Jetzt sucht Airbus neues Personal, hat aber als Unternehmen keine Mitarbeiter anderer Betriebe offensiv angesprochen. Aber viele Menschen kennen einander in Nordenham. In Deutschland ist die freie Wahl des Arbeitsplatzes im Grundgesetz garantiert. Und es ist niemandem verwehrt, in einen sicheren Job mit guten tarifvertraglichen Leistungen zu wechseln. Das ist ein Vorteil bei der Suche nach qualifizierten Leuten. Und das ist gut so.
Wird es im neuen Jahr weitere Neueinstellungen geben?
Auf jeden Fall. Um den Personalbedarf zu decken, muss erneut eine dreistellige Zahl an neuen Kolleginnen und Kollegen eingestellt werden.
Wie viele genau?
Das steht noch nicht fest, weil die konkrete Produktionsplanung für die einzelnen Airbus-Typen für 2024 noch nicht abschließend festgelegt sind. Das geschieht in den nächsten Wochen. Aber die Mehrjahresplanung steht. 2026 soll die Zahl der monatlich produzierten Maschinen der A-320-Familie von derzeit rund 50 auf 75 steigen. Beim CFK-Flugzeug A 350 geht die Rate hoch von 6 auf 10 Maschinen im Monat. Von dem Langstreckenjet A 330 wird Airbus künftig vier Maschinen im Monat bauen. Das bedeutet viel Arbeit für den Airbus-Standort Nordenham, denn wir sind an all diesen Programmen gut beteiligt.
Airbus zahlt gut, die Jobs sind sicher. Reicht das, um Interessenten zu überzeugen, zu Airbus zu kommen?
Es gibt nach wie vor viele Bewerber. Darüber hinaus wird es immer wichtiger, auch über die Bezahlung und die Jobsicherheit hinaus als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. In dieser Hinsicht ist im Unternehmen vieles in Bewegung. Es geht zum Beispiel darum, auch für Frauen ein attraktiverer Arbeitgeber zu sein. Für alle Beschäftigtengruppen gehört die Vereinbarkeit von Familie und Beruf genauso dazu wie gute Entwicklungsmöglichkeiten. Der Wunsch nach solchen Möglichkeiten ist deutlich größer geworden. Führung muss nach Werten erfolgen, bei denen die Zufriedenheit der Mitarbeiter eine größere Rolle spielt. Der Betriebsrat arbeitet zu diesen Themen in mehreren Arbeitsgruppen mit.
Airbus hat über viele Jahre zahlreiche Leiharbeiter beschäftigt. Ist das nun vorbei? Gibt es nur noch fest angestelltes Personal?
Im Nordenhamer Werk sind durch die Übernahmen aktuell nur wenige Leiharbeiter beschäftigt. Wir haben als Betriebsrat darauf gedrängt, Klarheit für die Leiharbeitskollegen zu bekommen, bevor externe Neueinstellungen an Bord kommen. Das hat geklappt. Zurzeit werden zwei Konzern-Tarifverträge zwischen Airbus und der IG Metall verhandelt. Dabei geht es auch um die Quote der Leiharbeiter sowie um die Arbeitszeitkonten. Derzeit lässt der Tarifvertrag einen Anteil von 13 Prozent Leiharbeitern an der Gesamtbelegschaft zu. Betriebsräte und IG Metall wollen diese Quote senken, aber nicht ganz streichen.
Warum überhaupt Leiharbeit?
Die Konzern-Tarifverträge waren vor vielen Jahren eingeführt worden, um im Unternehmen Instrumente der Flexibilität zu haben - um so auf Krisen reagieren zu können. Eines dieser Instrumente ist Leiharbeit. Selbstverständlich zu fairen Konditionen, zum Beispiel gleicher Bezahlung. Airbus wird aber im neuen Jahr nicht nur Leiharbeiter einstellen, sondern auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit unbefristetem Festvertrag. Verhandelt wird auch über die Arbeitszeitkonten. Airbus-Beschäftigten stehen ein Arbeitszeitkonto für persönliche Belange, ein Sicherheitskonto für Auslastungsschwankungen und ein Lebensarbeitszeitkonto zur Verfügung. In den Verhandlungen geht es um die Attraktivität dieser Konten und die verschiedenen Interessen bezüglich Flexibilität für den Arbeitgeber und Zeitsouveränität für die Beschäftigten. Bis März müssen Ergebnisse bei diesen Tarifverhandlungen erzielt werden.
Gute Aussichten für Flugzeugbauer
Die Luftfahrtbranche boomt. Der Weltluftfahrtverband IATA rechnet damit, dass sich die Passagierzahlen in den kommenden 20 Jahren mehr als verdoppeln werden. Deswegen geht Airbus davon aus, dass bis 2040 rund 40.000 neue Flugzeuge gebraucht werden. Wenn so viel neue Arbeit nach Nordenham kommt, müssen dann nicht auch Arbeitspakete rausgehen?
Zunächst einmal sind die Kernfähigkeiten des Standortes tarifvertraglich festgeschrieben. Und dann gilt für uns Betriebsräte der Grundsatz, dass nur Arbeit rausgeht, wenn andere Arbeit reinkommt und kein Kollege seinen Job verliert. Ein kleiner Bereich, an dem rund 40 Arbeitsplätze hängen, wird 2024 in das Werk nach Brasov in Rumänien verlagert. Außerdem wird untersucht, ob Bereiche der Einzelteilefertigung verlegt werden. Betroffen davon wären knapp 150 Mitarbeiter. Denen werden im Nordenhamer Werk andere, mindestens gleichwertige Arbeitsplätze angeboten, wenn es zu dieser Verlagerung kommen sollte. Wir werden sehen, wie es weitergeht.
Für die Luftfahrtbranche ist die steigende Nachfrage gut, fürs Klima weniger, oder?
Es ist das Ziel von Airbus, auf klimaneutrale Antriebe umzusteigen. Bis 2035 will Airbus das erste Wasserstoffflugzeug ausliefern. Auch sind die neuen Triebwerke, die heute die Flugzeuge antreiben, deutlich effizienter. In den genannten Zahlen ist der Austausch älterer Flugzeuge berücksichtigt. Und es gibt positive Entwicklungen für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und beim Luftverkehrsmanagement.
Welche Rolle spielt das für den Airbus-Standort Nordenham?
Uns Betriebsräten ist wichtig, dass die Wertschöpfung an den Standorten bleibt und nicht abgezogen wird. Das haben Konzern- und Gesamtbetriebsrat auch jüngst in einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron deutlich gemacht. Auch zukünftige, klimaneutrale Flugzeuge sollen in Nordenham gebaut werden.