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Entwicklung

TISEK: Wie sich die Stadt Stade in den nächsten 20 Jahren verändern soll

Stade mit Holzhafen (unten rechts), der Altstadt mit ihren roten Dächern und der Hansebrücke als wichtige Verbindung in den Süden der Stadt. Hier soll sich einiges tun.

Stade mit Holzhafen (unten rechts), der Altstadt mit ihren roten Dächern und der Hansebrücke als wichtige Verbindung in den Süden der Stadt. Hier soll sich einiges tun. Foto: Martin Elsen

Stade hat einen Plan für die Zukunft: In dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) gibt es konkrete Vorhaben, die bis 2045 angepackt und umgesetzt werden sollen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft wohl eine große Lücke.

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Von Lars Strüning
Samstag, 23.12.2023, 19:20 Uhr

Stade. Stader Stadtverwaltung und Politik haben sich viel vorgenommen für die Jahre von 2025 bis 2045. Projekte für mehr als 80 Millionen Euro stehen in dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK), pro Jahr also vier Millionen Euro allein aus dem Etat der Stadt. Dazu sollen jeweils Mittel von EU, Bund oder Land eingeworben werden. Ohne die wird es kaum gehen. Damit soll eines der großen Ziele erreicht werden: eine klimaneutrale Stadt.

Es ist ein großer Wurf, den die Stadtverwaltung und die Politik wagen. Und es war Schwerstarbeit im Vorfeld. Verantwortlich dafür zeichnen Erster Stadtrat Lars Kolk und Stadtentwickler Nils Jacobs. Was sie mit Hilfe der Bevölkerung, der Parteien, anderer Institutionen und von Fachbüros erarbeitet haben, ist nicht weniger als eine Zeitenwende für die Hansestadt.

Gute Ideen, aber noch überwiegt die Skepsis

Die große Mehrheit im Rat trägt die Pläne für das ISEK und den Verkehrsentwicklungsplan (VEP) mit, nur die beiden Linken stimmten dagegen. Jedes Jahr sollen die Mitglieder im Rat aufs Neue die einzelnen Ideen absegnen und das Geld dafür bereitstellen. Ob das alles so wie vorgesehen umgesetzt werden kann, darüber herrscht derzeit Skepsis.

Angesichts sinkender Steuereinnahmen und fehlender Fachkräfte im Rathaus hält sich der Optimismus in Grenzen. Einen ernsthaften Versuch ist es allen dennoch wert, schließlich wurde umfassende Vorarbeit geleistet.

Vor vier Jahren beschloss der Rat, die Verwaltung mit der Entwicklung des ISEK zu beauftragen und damit die Grundlagen für die zukünftige Stadtentwicklung festzuzurren. In Corona-Zeiten wurden Staderinnen und Stader umfangreich per Fragebogen zu ihren Wünschen befragt. 2400 Bögen wurden ausgefüllt, damit hatte kaum einer gerechnet. Im Mittelpunkt der Begehrlichkeiten standen bessere Bedingungen für Radfahrer.

So will Stade bis 2040 klimaneutral werden

Fünf Workshops in fünf Stadtgebieten wurden im Sommer und Herbst 2022 veranstaltet - unter guter Beteiligung der Bevölkerung. Im Februar 2023 folgte die Stader Wirtschaft mit ihren Vorstellungen für das Stade der Zukunft. Die Ergebnisse sind bemerkenswert.

Stade will bis 2040 klimaneutral sein. Die Energieversorgung soll umgestellt werden auf regenerativen Strom und grüne Gase. Ziel: Stade ist - jenseits der Industrie - CO2-neutral. Zum Beispiel soll Abwärme genutzt werden vom Klärwerk oder aus der Schwinge fürs Heizen in der Altstadt.

Heinz Masur und Svea Coerd vom Büro PGT Umwelt und Verkehr aus Hannover moderierten die Workshop-Treffen mit Bürgern zum ISEK.

Heinz Masur und Svea Coerd vom Büro PGT Umwelt und Verkehr aus Hannover moderierten die Workshop-Treffen mit Bürgern zum ISEK. Foto: Archiv

Stade will ÖPNV und Radlern Vorfahrt geben. Der Verkehr ist ein großes Thema bei den Zukunftsplänen. Stade ist eine Stadt der Autofahrer. Gutachter haben berechnet, dass täglich 116.000 Autofahrten in der Stadt stattfinden - ohne die B73. Allein gut 50.000 davon entfielen auf den innerstädtischen Verkehr. Bis 2040 wüchsen diese Zahlen, der mögliche Weiterbau der A26 verstärke den Trend. Mit Hilfe von ISEK und VEP soll diese Entwicklung zurückgedrängt werden.

Mehr Busse und bessere Fahrradwege

Ein eigenes Stadtbussystem mit hoher Taktfolge soll die Anschlüsse und den öffentlichen Nahverkehr verbessern, um Menschen gerade für kürzere Strecken in der Stadt zum Umsteigen zu bewegen. Für Radler sind acht Vorzugsrouten vorgesehen, die die Ortschaften mit der Innenstadt und dem Bahnhof verbinden. Barrieren sind die Bahngleise und die B73. Um sie zu überwinden ist Großes angedacht.

Stade will einen Kreisel auch für Radfahrer über der B73. Die Kreuzung Thuner Straße/Bundesstraße könnte ähnlich wie in Kaisereichen mit einem schwebenden Kreisel entschärft werden. Unten fließt der überregionale, oben der innerörtliche Verkehr mit den Radfahrern. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Hansebrücke über die Bahn. Hier ist ein Projekt mit Signalwirkung geplant.

Zwei Kreisel an der Hansebrücke

Die Ampelkreuzungen auf der Innenstadtseite (Salztorswall/Wallstraße) und Richtung Campe (Harsefelder/Harburger Straße) werden aufgelöst und als Kreisverkehre ausgebaut. Das lasse den Verkehr besser fließen. Autos haben in jede Fahrtrichtung nur noch eine Spur zur Verfügung, in jede Richtung gibt es zudem eine Radfahrerspur. Von der Hansebrücke soll es direkte Zugänge per Rad und zu Fuß zum Bahnhof geben. Ziel: Die Menschen sollen davon überzeugt werden, dass sich Radfahren lohnt.

Dafür sind weitere Radfahrer- und Tempo-30-Zonen vorgesehen und „Verkehrs-Hubs“, wo ein Umsteigen vom Rad auf Auto, Bahn oder Bus möglich ist. E-Räder und E-Autos sollen hier sicher abgestellt und aufgeladen oder auch gemietet werden können.

Die Siedlungspolitik ist wichtig fürs Wachstum der Stadt. Zuzug bedeutet junges Leben. Die Infrastruktur mit Schulen und Kindergärten ist dadurch ausgelastet, genügend Arbeitskräfte stehen zur Verfügung. Bis 2030 wird Stade voraussichtlich um 2500 Einwohner, also um 5,2 Prozent, wachsen. Bis 2040 sind es noch einmal etwa 1000, was 2,2 Prozent Wachstum entspricht.

Keine neuen Baugebiete, keine Einfamilienhäuser

Stade will keine neuen Einfamilienhäuser. Die Heidesiedlung 2.0 ist das letzte größere Wohnquartier. Schon hier sind keine Einfamilienhäuser mehr vorgesehen. Anschließend soll, abgesehen von Lückenschlüssen, vorerst Schluss sein mit dem Flächenverbrauch. Der Traum vom Eigenheim muss dann über gebrauchte Immobilien erfüllt werden.

Eine zentrale Rolle beim ISEK spielen grüne Zonen, wie die Camper Höhe, die erhalten und wenn möglich miteinander verbunden werden sollen. Das gilt auch für die grünen Keile mit Frischluftzufuhr, die wie Schwingewiesen oder Schwingetal bis an die Wohngebiete heranreichen.

Das sagt die Politik im Rat zu „ISEK 2040“

Die Fraktionen im Rat können dem viel abgewinnen. „Das ist extrem wichtig für unsere zukünftige Arbeit“, sagte CDU-Fraktionschef Daniel Friedl während der Sitzung am Montag. Karin Aval, Vorsitzende der Grünen im Rat, hätte sich mehr Grünplanung gewünscht, trug aber im Namen ihrer Fraktion das ISEK mit. Es gab aber auch Selbstkritisches.

Der Grüne Reinhard Elfring sprach von „Verwaltungsprosa“ angesichts der fast 100-seitigen Ausarbeitung. Seine Sorge: „Die Wohnbevölkerung wird reingrätschen in unsere Pläne, wenn es konkret wird.“ Einen Seitenhieb gab es für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Rat: Die hätten sich, freundlich ausgedrückt, vornehm zurückgehalten im Vorfeld, da hätte er sich mehr Engagement gewünscht.

Kai Holm, Fraktionsvorsitzender der SPD, sieht im ISEK ein 500-Teile-Puzzle, das nach und nach zusammengesetzt werde und dessen Gesamtbild erst am Ende des langen Prozesses zu erkennen sei. Gewohnt kritisch ging die zweiköpfige Linken-Fraktion mit dem Vorhaben um. Tristan Jorde fehlt eine Fußgängerplanung. Er störte sich zudem am LNG-Terminal und Surfpark. Das sei keine Entwicklung hin zu einer lebenswerten Stadt. Die große Mehrheit sah das anders.

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