T„Ich habe laut geschrien“: Staderin berichtet von brutalem Überfall

Ulrike von Salzen-Waller zeigt auf die Stelle, an der sie nach dem brutalen Überfall kopfüber lag und um Hilfe rief. Foto: Stehr
Unvermittelt wurde Ulrike von Salzen-Waller jüngst in Stade von hinten niedergeschlagen. Sie leidet noch immer darunter. Und es bleiben Fragezeichen.
Stade. Mit einem mulmigen Gefühl steht Ulrike von Salzen-Waller an der Stelle, an der sie vor wenigen Tagen brutal überfallen wurde. Seit dem Vorfall traut sie sich nicht mehr, den kleinen Weg zwischen der BBS III in der Wiesenstraße und der Schwingebrücke alleine zu gehen.
„Ich habe ein Stück Leichtigkeit verloren, bei jedem Geräusch drehe ich mich um und habe Angst“, sagt die 71-jährige Staderin.
„Plötzlich schlug mir jemand auf den Kopf“
An einem Mittwochmorgen kam sie gegen 10.30 Uhr vom Stader Wochenmarkt. Wie immer war sie zu Fuß unterwegs und nahm den für Autos gesperrten und von hohen Bäumen umsäumten Weg entlang der Bahntrasse.
Er führt als Verlängerung der Wiesenstraße in Richtung Schwinge und wird von vielen Joggern, Radfahrern und Spaziergängern genutzt. „Plötzlich spürte ich etwas an der Schulter. Als ich mich umdrehte, schlug mir jemand mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf“, berichtet Ulrike von Salzen-Waller.
Sie stürzte und fiel eine kleine Böschung hinunter. „Ich lag auf dem Rücken, kam nicht mehr hoch und habe laut geschrien“, erinnert sie sich. Zwei ältere Fahrradfahrer eilten herbei, halfen ihr hoch und blieben bei ihr, bis Polizei und Rettungsdienst eintrafen.
Dass sie trotz ihrer Kopfverletzung nicht mit ins Krankenhaus genommen wurde, kann sie im Nachhinein nicht verstehen. Noch immer unter Schock stehend, ging sie alleine nach Hause.
„Es war eine schreckliche Nacht, ich hatte Kopfschmerzen und habe mich übergeben“, sagt die Seniorin. Ihr Hausarzt schickte sie am nächsten Morgen sofort ins Krankenhaus, wo eine leichte Gehirnerschütterung festgestellt wurde. Außerdem hatte Ulrike von Salzen-Waller Hämatome an Kopf und Schulter.
Angreifer überfiel drei weitere Menschen in Stade
Was die Staderin zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte: Ihr Angreifer hatte an besagtem Mittwoch insgesamt vier Menschen in Stade brutal attackiert und verletzt. Der 28-jährige Täter war polizeibekannt und konnte festgenommen werden. Er befindet sich derzeit in der Psychiatrie. Gegen ihn läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung.
In psychologischer Behandlung ist inzwischen auch Ulrike von Salzen-Waller. „Zum Glück habe ich über meinen Hausarzt sofort Hilfe bekommen“, sagt sie. Vielen Menschen werde leider nicht ausreichend geholfen. Die Staderin, die früher als Heilpädagogin im Kindergarten arbeitete, spricht aus Erfahrung. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für Geflüchtete.
In den vergangenen zehn Jahren hat Ulrike von Salzen-Waller acht jesidische Familien aus dem Irak begleitet. Viele von ihnen seien traumatisiert gewesen, als sie in Deutschland ankamen und hätten viel mehr Unterstützung und (psychologische) Hilfe gebraucht, als sie letztendlich von offizieller Seite bekommen haben. „Unsere Ämter und Behörden sind leider völlig überfordert“, sagt von Salzen-Waller.
Sie mutmaßt, dass der Angriff auf sie womöglich hätte verhindert werden können, wenn der polizeibekannte und offenbar psychisch kranke Mann im Vorfeld mehr Hilfe bekommen hätte. Sicher sagen lässt sich das natürlich nicht.
Auch weil zur Vorgeschichte des 28-Jährigen bisher nichts weiter bekannt ist. Ulrike von Salzen-Waller wird gegen ihn auf jeden Fall einen Strafantrag stellen. Und ihn vielleicht eines Tages im Gerichtssaal sehen und mehr über ihn erfahren.
Hilfe für Opfer im Landkreis Stade
Wie genau es abläuft, wenn Opfer von Gewalttaten vor Gericht aussagen müssen, wissen die Mitarbeiterinnen des Opferhilfebüros in Stade. Die ausgebildeten Sozialarbeiterinnen Anne Skaza und Denise de With helfen Opfern bei der Bewältigung von Tatfolgen.
„Wir hören zu, erklären und begleiten unsere Klienten auch ins Gericht, wenn das gewünscht wird“, sagt Anne Skaza. Auch die Auszahlung einer Soforthilfe in Höhe von 250 Euro ist möglich. Dabei ist das Angebot für die Opfer vollkommen kostenlos. Finanziert wird die Stiftung Opferhilfe über Bußgelder, die vor Gericht verhängt werden, und über Spenden.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 333 Menschen im Landkreis Stade von der Opferhilfe betreut, überwiegend Frauen, aber auch Kinder und Jugendliche, Tendenz steigend. Größtenteils waren die Betroffenen Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und von Körperverletzung.
Zu den Klientinnen und Klienten gehören aber auch Opfer von Stalking, Raub und Erpressung, Betrug, Untreue und Einbruch. Die Opferhilfe arbeitet mit dem ehrenamtlich organisierten Weißen Ring zusammen.
„Kein Opfer muss sich alleine fühlen und hat hier eine Anlaufstelle“, so Anne Skaza. Wichtig sei, dass Opfer auf die Opferhilfe hingewiesen würden, insbesondere durch die Polizei. Im Fall von Ulrike von Salzen-Waller ist das nicht passiert. Die Rentnerin hofft, dass sie die schreckliche Tat aufarbeiten und bald wieder angstfrei spazieren gehen kann.
Zu erreichen ist das Stader Büro der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen (Wilhadikirchhof 3) unter 04141/4030430 und per E-Mail.
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