TIllegale Pokerrunden: Zeuge redet sich vor Gericht um Kopf und Kragen

Vor dem Stader Landgericht ist ein Paar wegen Geldwäsche und illegalen Glückspiels angeklagt. Foto: Christian Hager/dpa
Bislang haben sich die Zeugen im Verfahren wegen illegalen Glückspiels und Geldwäsche mit ihren Aussagen eher zurückgehalten. Doch nun musste die 2. Große Strafkammer einen Befragten bremsen - andernfalls hätte ihm selbst eine Anklage gedroht.
Stade. Angeklagt sind ein 34-jähriger Mann und dessen 32-jährige Partnerin. Der Hauptangeklagte soll gegen Bezahlung illegale Pokerrunden veranstaltet und dadurch Einnahmen von mehr als 600.000 Euro erzielt haben. Außerdem soll er nicht zugelassene Glücksspielautomaten aufgestellt haben. Im Raum steht, mit diesem Geld einen Immobilienkauf finanziert zu haben.
Bisher haben sich in der Verhandlung vor der 2. Großen Strafkammer mutmaßlich an den Glücksspielen beteiligte Zeugen in Schweigen gehüllt. Was ihr gutes Recht ist, denn: Fragen, deren Beantwortung den Zeugen belasten, kann dieser verweigern (§ 55 Abs. 1, StPO). Über dieses Auskunftsverweigerungsrecht informiert der Vorsitzende Berend Appelkamp jeden Zeugen. Mancher beruft sich auf den „55er“ schon vor der Belehrung.
Zeuge erzählt freimütig vom Pokerspiel
Nicht so ein 34-jähriger Freund des Hauptangeklagten, der während des dritten Verhandlungstages gehört wurde. Unbekümmert erzählte er von den Pokerspielen, bei denen er die Karten verteilt und selbst mitgespielt habe. Da sie bei früheren Pokerrunden viel Geld verloren hätten, seien sie auf die Idee gekommen, eigene Runden zu organisieren. „Um unsere Sucht zu befriedigen, wir sind pathologisch spielsüchtig“, so der Zeuge. Doch in Deutschland ist das Pokerspiel um Geld nur in staatlichen Casinos erlaubt.Prozessauftakt
T Mit illegalen Pokerrunden in Stade Riesengewinn gemacht
Geldwäscheprozess
T Illegales Glücksspiel: Stader sollen 600.000 Euro eingenommen haben
Von den sechs Spielautomaten gehörten ihm vier, erzählte der Zeuge weiter. Auf den Hinweis des Vorsitzenden: „Sie wissen, dass Sie sich selbst belasten?“, erwiderte der 34-Jährige: „Es haben doch nur wir beide daran gespielt.“ Er und der Angeklagte hätten die Automaten selbst mit Geld bestückt. „Für mich war das wie eine Spardose“, erklärte der Zeuge.
Über die Pokerrunden berichtete er, dass meist nur unter Freunden gespielt wurde. „Keiner wollte dem anderen schaden“, versicherte er. Es sei um Geld gespielt worden, durchschnittlich sei es um 1000 bis 1500 Euro gegangen. Er habe fürs Kartenverteilen fünf Prozent erhalten. Zwischen fünf und neun Mitspieler habe es gegeben. Namen wollte er nicht nennen.
Richter und Verteidiger für Zeugenbeistand
Berend Appelkamp hakte nach, ob sich der Zeuge mit der Mitangeklagten über das Verfahren unterhalten habe. „Das ist nicht strafbar“, so der Hinweis des Vorsitzenden. Das verneinte der Zeuge. „Stimmt denn das, was Sie uns hier erzählen? Vieles von dem ist für uns relativ neu und erstaunlich“, fragte der Richter nach, „möglicherweise formuliert die Staatsanwältin schon eine Anklage gegen Sie.“ Die Antwort des Zeugen: „Na klar, was ich hier gesagt habe, ist die Wahrheit.“ Der erneute Hinweis des Vorsitzenden: „Sie können noch alles zurücknehmen.“
Schließlich meldete sich Dr. Dirk Meinicke, einer der Verteidiger des Hauptangeklagten, zu Wort: „Ich rege an, dem Zeugen einen Zeugenbeistand an die Seite zu stellen. Vielleicht kann er die Auswirkungen seiner Aussagen nicht erkennen.“ Dem schloss sich auch der Co-Verteidiger, Siegfried Schäfer, an: „Auch um zu vermeiden, dass ein Schatten auf unseren Mandanten fällt.“ Nach kurzer Beratung kam denn auch die Kammer zu dem Schluss, die Befragung mit einem Zeugenbeistand fortzusetzen.