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Justiz

TIm Kampf mit dem Landkreis: Drochterser ziehen für Pflegesohn Till vor Gericht

Anne und Stefan Knütel kämpften jahrelang für eine Schulbegleitung des Pflegesohnes. Das Gericht gab ihnen recht.

Anne und Stefan Knütel kämpften jahrelang für eine Schulbegleitung des Pflegesohnes. Das Gericht gab ihnen recht. Foto: Stefan Knütel

Anne und Stefan Knütel haben einen langen Atem. Fünf Jahre kämpfen sie mit dem Landkreis, damit ihr Pflegesohn eine Chance in der Schule hat. Stoff für ein ganzes Buch.

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Von Susanne Helfferich
Montag, 01.12.2025, 21:24 Uhr

Drochtersen. Es geht um die Schulbegleitung für Pflegesohn Till* (Name geändert). Schon kurz nach der Einschulung im September 2020 zeigte sich, dass der Junge im Schulunterricht Hilfe benötigt, um sich konzentrieren zu können. Anne und Stefan Knütel aus Drochtersen kämpften, zogen gegen den Landkreis sogar vor Gericht. Vier Jahre dauerte es, bis eine „einfache Schulassistenz“ genehmigt wurde. Doch damit endet die Auseinandersetzung nicht. Ein Protokoll:


Dezember 2020:
Stefan Knütel - selbst Lehrer an der BBS Bremervörde und Fachbereichsleiter für Sozialpädagogik - beantragt beim Landkreis Stade eine Schulbegleitung für seinen Pflegesohn. Doch solche pädagogischen Fachkräfte sind schwer zu finden. Das Kreis-Jugendamt erkennt zu diesem Zeitpunkt nur sozialpädagogische Fachkräfte, Erzieher oder Erzieherinnen, Erziehungswissenschaftler sowie Heilpädagogen und Ergotherapeuten als Schulbegleiter an - oder Sozialassistenten und Kinderpfleger mit entsprechender Zusatzqualifikation.

April bis Oktober 2022: Anne Knütel gibt ihren Job auf und begleitet Till selbst in der Schule. Schließlich finden die Pflegeeltern auf eigene Kosten und Initiative eine Schulbegleitung für Till - eine „einfache“ Assistenz, nicht eine „qualifizierte“, wie es der Landkreis erwartet. Da die Wahl nicht den Anforderungen des Jugendamtes entspricht, müssen die Pflegeeltern selbst für die Kosten aufkommen.


November 2022:
Das Ehepaar Knütel informiert das TAGEBLATT, das über den Fall berichtet.

Dezember 2022: Einen Monat später erhält die Familie kurz vor Weihnachten die Zusage, dass der Landkreis die Schulbegleiterin nun doch anerkenne und auch finanziere. Doch das vermeintliche Weihnachtsgeschenk wird eine Riesenenttäuschung. Anfang Februar teilt das Jugendamt der Familie mit, dass es nun eine qualifizierte Schulbegleitung gefunden habe. Zum 15. Februar soll daher die Begleitung gewechselt werden. Die Pflegeeltern sind fassungslos und fürchten, dass bisherige Entwicklungserfolge bei Till wieder zunichtegemacht werden.

April 2023: Der Landkreis lehnt weiter ab, die Schulbegleitung zu bezahlen. Inzwischen hat das Ehepaar Knütel die Vormundschaft für Till beantragt, um dessen Interessen vertreten zu können. Im Juli wird der Antrag bewilligt.

Juni 2023: Ein von der Familie beauftragtes Gutachten stellt fest, dass die Landkreisregelung zu Schulbegleitungen eindeutig rechtswidrig ist. Der Landkreis bleibt bei seiner Sichtweise.

September 2023: Anne und Stefan Knütel reichen Klage gegen den Landkreis Stade ein und erreichen im Februar 2024 einen Etappensieg: Das Ehepaar gewinnt im Eilverfahren. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt die Rechtsauffassung der Pflegeeltern. Das Verfahren geht zurück an das Verwaltungsgericht Stade. Der Landkreis bezahlt für das Schuljahr 2023/2024 die von der Familie aufgebrachten Kosten für die Schulbegleitung.


Juni 2024:
Tills* Schulbegleitung ist in Gefahr, da kein Bescheid vorliegt. Die Eltern setzen eine Frist und drohen Klage an. Kurz darauf stellt der Landkreis einen Bescheid über eine „einfache“ Schulassistenz - im Gegensatz zur „qualifizierten“ - aus. Damit hat die Behörde ihr eigenes Argument herausgekickt, da sie selbst einen Bescheid zur „einfachen“ Assistenz ausgestellt hat.

Oktober 2024: Der Landkreis übernimmt alle Kosten, das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stade wird eingestellt, da nichts „Streitbares“ mehr vorliegt.

August 2025: Till besucht einen außerschulischen Lernort, möchte aber zurück in die Regelschule. Daher beantragt Familie Knütel im August 2025 erneut eine Schulbegleitung. Bis darüber entschieden wird, bleibt der Pflegesohn in der Einrichtung.

November 2025: Heute ist Till 12 Jahre alt. Bis jetzt liegt kein Bescheid vor, aber die Schulbegleitung hat sich bereits gemeldet. Anne und Stefan Knütel schreiben ein Buch über ihre Geschichte. Stoff genug haben sie.

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