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TJude trifft Palästinenser in Buxtehude: Wie kann der Nahost-Konflikt beendet werden?

Sie stehen fest zusammen: Yazid Shammout (links), Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde Hannover, und Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen.

Sie stehen fest zusammen: Yazid Shammout (links), Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde Hannover, und Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. Foto: Thomas Sulzyc

Trotz Terrorangriff auf Israel und Krieg in Gaza: Die beiden Vorsitzenden der palästinensischen und jüdischen Gemeinden in Niedersachsen sind sich gewogen - aber nicht immer einig. In Buxtehude sprechen sie über die Chance auf Frieden.

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 08.02.2024, 15:50 Uhr

Buxtehude. Wie sehr der Terror gegen Israel und der Krieg in Gaza Palästinenser und Juden in Niedersachsen belastet, zeigt ein emotionaler Moment während der Podiumsdiskussion: Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde Hannover, berichtet mit Blick auf das Smartphone dem ihm gegenübersitzenden Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, dass die Mutter eines gemeinsamen Freundes gestorben sei. Mittelbar nach einem Raketenbeschuss ihres Hauses in Gaza.

Mutter eines Freundes stirbt an Kriegsfolgen

Die 85 Jahre alte Frau habe den Beschuss zwar überlebt. Die Aufregung, die Strapazen im hohen Alter und ein Medikament, das wegen des Krieges nicht zu erhalten gewesen sei, hätten der Palästinenserin später das Leben gekostet. Michael Fürst blickt ernst, nickt Shammout kurz zu.

Ansonsten lächeln Shammout und Fürst oft, wenn sie zueinander sprechen. Palästinenser und Jude, beide Deutsche, sind befreundet. Einig sind sie sich deshalb längst nicht immer. Das zeigte sich auch am vergangenen Dienstagabend bei einer öffentlichen Diskussion an der Volkshochschule (VHS) Buxtehude.

Organisiert hatte die Podiumsdiskussion die Bürgerinitiative Menschenwürde Landkreis Stade. 60 Besucherinnen und Besucher nahmen teil - die meisten im Seniorenalter, mehr Frauen als Männer. Sie durften Fragen aufschreiben und an die Gäste richten.

Einander zuhören - auch bei Differenzen

Einander mit Respekt zuhören, auch bei Meinungsverschiedenheiten - diese Botschaft vermitteln Fürst und Shammout seit Jahren bei öffentlichen Auftritten. Im vergangenen November waren sie Gäste von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue.

Zuhören, auch wenn es persönlich kaum auszuhalten ist. Nicht immer gelingt das. Nachdem er seinen Ärger lange still unterdrückt hatte, unterbrach Fürst dann doch die Politikwissenschaftlerin Ivesa Lübben bei ihrer Einführung zur Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts.

„Fürchterlich einseitig“ sei ihr Vortrag, warf er der Wissenschaftlerin vor. Zum Nachteil von Israel. Zum Beispiel habe sie nicht erwähnt, dass Israel 1948 gezwungen gewesen sei, sich gegen Angriffe arabischer Nachbarn zu wehren, sagte Michael Fürst entrüstet.

Findet in Gaza Völkermord statt oder nicht?

Die Differenzen zwischen Israelis und Palästinensern in Nahost gelten als unüberbrückbar. Ein ungelöster Konflikt der Menschheitsgeschichte. „Was in Gaza passiert, ist Völkermord“, sagte Yazid Shammout. Michael Fürst widersprach: Israel begehe keinen Genozid.

10.000 Kämpfer der terroristischen Vereinigung Hamas habe das Militär als Reaktion auf den Angriff am 7. Oktober auf Israel getötet. In Gaza seien im Krieg zusätzlich 10.000 Menschen zu Tode gekommen. Angesichts dieser Zahlen sei es bei insgesamt mehr als sechs Millionen Palästinensern in der Region falsch, von Völkermord zu sprechen, so Michael Fürst.

„Wenn wir uns auf Differenzen fokussieren, würden wir kein Wort miteinander sprechen“, sagte Yazid Shammout mit Blick auf seine Freundschaft zu Michael Fürst. Hoffnung auf Frieden böten die Gemeinsamkeiten. Was also muss passieren, um den Nahost-Konflikt zu beenden?

Frieden nur bei zwei unabhängigen Staaten

Von sich aus würden die Völker nie zueinander finden, sagte Yazid Shammout. Palästinenser und Israelis müssten in jeweils eigenen selbstständigen Staaten leben. Die einzige Lösung seiner Meinung nach: Die Internationale Gemeinschaft müsse die Lösung herbeiführen. Näheres dazu führt er nicht aus.

Die Zwei-Staaten-Lösung hält auch Michael Fürst für den einzigen Weg. Eine wie auch immer geartete internationale Initiative als Friedensbringer sieht er nicht: „Keiner will Frieden. Wer Waffen verkaufen will, kann keinen Frieden gebrauchen.“ Die USA, Russland und Iran nähmen Einfluss auf die Region, erklärte Politologin Ivesa Lübben. Keine Konstellation, die Aussicht auf Frieden macht. Nur die Israelis und Palästinenser in Nahost selbst könnten einen Frieden herbeiführen, gab sich Fürst überzeugt. Irgendwann einmal. Erleben werde er das voraussichtlich nicht mehr.

„Würde jemand eine Lösung haben, gäbe es Nobelpreise“, sagte Ingrid Smerdka-Arhelger von der Bürgerinitiative Menschenwürde. Ein gelungenes Fazit.

Nach drei Stunden endete das Nahost-Dialogforum. Im Auto reisten Michael Fürst und Yazid Shammout anschließend gemeinsam nach Hannover zurück. Am Steuer saß der Palästinenser. „Er ist der Jüngere“, erklärte Michael Fürst und lachte.

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