TKämpfer für Demokratie in Harsefeld machen weiter

Heiko Kania, Else Zager und Hermann Heinrich (von links) sind die Organisatoren der Mahnwache. Am 7. Dezember werden sie mit anderen Teilnehmern wieder auf dem August-Hillert-Platz in Harsefeld stehen. Foto: Fehlbus
Andere Kundgebungen waren größer, keine so ausdauernd wie diese. Fast ein Jahr lang gibt es jetzt die Mahnwache für Demokratie in Harsefeld. Was die Organisatoren antreibt.
Harsefeld. Es war der 27. Januar dieses Jahres, als die erste Mahnwache gegen Menschenhass und Demokratieverachtung in Harsefeld stattfand. Damals hatte der SPD-Ortsverein unter dem Motto „5 vor 33“ zur Gedenkstele an der evangelischen Kirche Harsefeld gerufen. Bereits drei Tage später fand die erste Kundgebung eines neuen Bündnisses vieler Gruppen auf dem August-Hillert-Platz an der Marktstraße unter demselben Motto statt. Der erste Termin hatte 120 Teilnehmer, der zweite 500.
Parallelplanung: Zwei Veranstaltungen in drei Tagen
Es sei Zufall gewesen, dass sie fast gleichzeitig mit der Organisation begonnen hatten, erzählen der Sozialdemokrat Heiko Kania und Else Zager vom Arbeitskreis Integration rückblickend. Die SPD hatte eine Mahnwache für den Holocaust-Gedenktag mit Blick auf einen „um sich greifenden Rechtsruck in unserer Gesellschaft als klaren Gegenpol der demokratischen Mitte“ auf Initiative von Heiko Kania organisiert.
Else Zager und die Kirchen in der Samtgemeinde mit Harsefelds Pastor Hermann Heinrich als Sprecher hatten parallel eine ähnliche Kundgebung geplant. Im 30. Januar als Ende der parlamentarischen Demokratie 1933 fanden die drei Hauptorganisatoren schließlich den ersten gemeinsamen Termin. An diesem Tag wurde Adolf Hitler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt.
Demonstration
T 400 Menschen erhellen Harsefeld auf Kundgebung gegen Rechts
Sei. Ein. Mensch: Seit März fast jeden ersten Sonnabend im Monat
Beides - Holocaust-Gedenktag und Machtergreifung der Nationalsozialisten - gehörten zusammen, sagt Heiko Kania. „So entwickelten wir gemeinsam die Idee, am 30. Januar 2024 eine möglichst alle gesellschaftlichen Gruppen, Vereine und Verbände Harsefelds ansprechende Veranstaltung auf die Beine zu stellen.“ Auch unter dem Eindruck der Correctiv-Recherche zu Massenabschiebungsideen in einem Hotel in Potsdam im Januar kamen 500 Teilnehmer zur Kundgebung in Harsefeld.
Und es ging weiter. Für den 2. März netzwerkte Else Zager unermüdlich und warb Unterstützer aus dem Ort - jetzt erstmals unter neuer Überschrift: „Sei. Ein. Mensch. Einstehen für unsere Demokratie!“.
"Sej a Mensch" aus der Rede von Marcel Reif im Bundestag
„Das Motto unserer Mahnwache ist dem Jiddischen ,Sej a Mensch‘ entliehen“, sagt Heiko Kania. Sportjournalist Marcel Reif hatte diesen von seinem Vater gehörten Satz beim Holocaust-Gedenken im Bundestag immer wieder genannt – mal als Mahnung, mal als Warnung, als Ratschlag oder Tadel.
„Wir haben so viele Menschen aus anderen Ländern, die in Harsefeld zu Hause sind“, sagt Else Zager. Die Stimmung habe sich seit der Rede von Massenabschiebungen verändert. Die Organisatoren wollen mit ihrem Einsatz der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben. Die Mehrheit der Gesellschaft in Harsefeld wolle nicht das, was wenige mit lauten Stimmen verkündeten, sind sich Heiko Kania, Else Zager und Hermann Heinrich sicher.
Pastor Heinrich: Mit unserer Geschichte ist Kirche aufgerufen, Position zu beziehen
„Es war schon zu sehen, es ist jetzt nötig, sich zu positionieren“, sagt Pastor Hermann Heinrich. „Mit unserer Geschichte ist Kirche aufgerufen, Position zu beziehen und nicht ruhig zu bleiben“, sagt der 55-Jährige. Das Grundlegende, was sie zeigen wollen, wenn sie auf die Straße gehen, ist, „dass wir eine Gesellschaft haben wollen, die offen ist“.
Jeden ersten Sonnabend im Monat treffen sich die Organisatoren und Teilnehmer der Mahnwache seit dem 30. Januar in Harsefeld auf dem Platz vor dem Don Camillo auf dem August-Hillert-Platz. Am Sonnabend, 7. Dezember, um 11.45 Uhr ist es der zehnte Termin. Einmal im Juli musste die Veranstaltung bisher ausfallen. An den Mahnwachen nahmen jeweils zwischen 40 und 90 Menschen teil.
Von Sportverein bis Unternehmer und Landrat: Liste der Redner ist lang
Für die 15 Minuten dauernde Denkpause zwischen dem Wochenendeinkauf nahmen sich schon ganz unterschiedliche Redner Zeit: Benjamin Wutzke vom Sportverein TuS Harsefeld, Landrat Kai Seefried, Harsefelds Flecken-Bürgermeisterin Susanne de Bruijn (FWG) und Dorte Stürmer-Brauer (Omas gegen Rechts aus Buxtehude) sowie Dirk Viebrock vom Harsefelder Unternehmen Viebrockhaus. „Es ist wichtig, dass sich bekannte Persönlichkeiten trauen etwas zu sagen“, sagt Else Zager, die sich als pensionierte Lehrerin aber auch freuen würde, wenn mehr junge Menschen den Weg zur Mahnwache finden. „Es ist ja auch ihre Zukunft, die auf dem Spiel steht“, sagt die 75-Jährige.
Recht und Freiheit verteidigen und Nächstenliebe statt Ausländer-raus-Parolen
„Die Demokratie, die wir bisher hatten, soll so extrem umgestaltet werden, dass wir dagegen vorgehen müssen“, sagt Heiko Kania. Am 17.4.1973 habe er den Eid geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Der 72-Jährige war 39 Jahre Berufssoldat bei der Bundeswehr und als Personaloffizier im Ausland, unter anderem in Afghanistan und im Kosovo. Es müssten mehr Menschen sehen, was in diesen Gebieten los ist, um zu verstehen, wie wichtig Hilfe sei und was ein Satz wie ´Ausländer raus` auslöse, sagt Heiko Kania.
Es geht um Freiheit, Frieden, Nächsten- und Selbstliebe. „Begründet aus einem Menschenbild heraus, dass in jedem etwas von Gott ist“, sagt Pastor Heinrich. Sie wollen in Harsefeld weiter mahnen: Sei ein Mensch.