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Spendenaktion

TAchtjähriger durch illegale Sprengfalle verletzt – Familie verzweifelt

Illegal installierte Wühlmaus-Fallen auf dem Findorfer Bolzplatz wurden im Sommer 2023 einem damals achtjährigen Jungen zum Verhängnis.

Illegal installierte Wühlmaus-Fallen auf dem Findorfer Bolzplatz wurden im Sommer 2023 einem damals achtjährigen Jungen zum Verhängnis. Foto: Schmidt

Ein schwer verletztes Kind, eine illegale Wühlmaus-Sprengfalle auf einem Bolzplatz und eine nahezu ausweglose Rechtslage - eine verzweifelte Mutter startet eine Spendenaktion.

Von Thomas Schmidt Freitag, 31.10.2025, 13:50 Uhr

Gnarrenburg. Doch der Reihe nach, Rückblende Juni 2023: Der damals achtjährige Sohn von Miriam Kowalk entdeckt auf dem Findorfer Bolzplatz unweit des Dorfgemeinschaftshauses an der Dahldorfer Straße eine kleine, ungesicherte Metallvorrichtung, die ihn interessiert. Eigenmächtig hatte ein Ortschaftsarbeiter insgesamt fünf dieser illegalen Fallen installiert.

Und ohne ahnen zu können, wie gefährlich seine Entdeckung ist, transportiert der Junge die brisante Fracht per Fahrrad nach Hause. Da passiert die Katastrophe: Der Sprengkörper explodiert in seiner Hand, zerfetzt sie und durchtrennt vollständig den Daumen des Jungen, der per Rettungshubschrauber zum UKE nach Hamburg geflogen werden muss. Dort muss sich der Achtjährige einer langen Notoperation unterziehen.

Fünfwöchiger Krankenhausaufenthalt

Nach einem fünfwöchigen Krankenhausaufenthalt beginnt für den kleinen Jungen mit großen Schmerzen ein langer Leidensweg, der bis heute anhält, während die Familie zunehmend in finanzielle Nöte gerät. Miriam Kowalk verliert in der Probezeit ihren Job, da sie zwischen Hamburg und Findorf pendeln muss, um ihren Sohn zu versorgen und unzählige Arzt- und Physio-Termine wahrzunehmen.

Mittlerweile musste der Junge elf Operationen - inklusive einer Hauttransplantation - über sich ergehen lassen. Weitere Operationen sind in Planung. „Alles deutet zurzeit darauf hin, dass meinem Jungen ein künstliches Gelenk in die Hand eingesetzt werden muss“, sagt Miriam Kowalk.

Spendenportal „als letzten Strohhalm“

„Wir wurden extrem im Stich gelassen. Wir mussten unser Auto verkaufen und haben dann auch noch einen Fehlkauf für ein günstigeres Auto getätigt. Jetzt haben wir 8000 Euro Schulden, ein kaputtes Auto, ein Kind mit Pflegegrad“, beschreibt Mutter Miriam Kowalk die Situation und setzt ihre ganze Hoffnung auf das Spendenportal GoFundMe.

Mit dem Spendenportal habe sie einen „letzten Strohhalm“ genutzt, um finanziell zumindest ein bisschen „aus der Patsche zu kommen“.

„Der Junge hat inzwischen sogar Pflegegrad 3. Die Familie sammelt 7000 Euro, um die hohen Fahrt-, Therapie- und Behandlungskosten zu bewältigen und die fortlaufende medizinische Versorgung sicherzustellen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Spendenportals.

„Wir benötigen aktuell vier Tage die Woche Ergo- und Physiotherapie, was mir die Jobsuche sehr erschwert. Ganz zu schweigen von der Psyche“, betont Miriam Kowalk, die auch deshalb auf hohen Kosten sitzengeblieben ist, weil sie juristisch zwischen allen Stühlen sitzt: Die Gemeinde Gnarrenburg sieht sich nicht in der Haftung, weil der inzwischen strafrechtlich verurteilte Ortschaftsarbeiter die ohnehin illegalen Maulwurfsfallen eigenmächtig ohne Auftrag ausgelegt hatte.

Rechtliche Unklarheiten bei der Haftung

„Zivilrechtliche Schritte waren bisher ohne Erfolg. Wir sprechen hier von schwerer Körperverletzung durch Fremdverschulden und wir wünschen uns endlich Gerechtigkeit für all die Schmerzen und das Leid, was unser Sohn, seine drei Geschwister und auch wir als Eltern ertragen mussten“, betont die verzweifelte Findorferin.

„Wir sind jedem Einzelnen von Herzen dankbar fürs Teilen, Spenden und auch Beten... Bitte helft uns“, schrieb die verzweifelte Mutter auf dem Spendenportal, wo bislang fast 4000 Euro eingegangen sind.

Das Problem: Laut Gnarrenburgs Gemeindebürgermeister Marc Breitenfeld, der sich bereits unmittelbar nach dem tragischen Vorfall von dem Fehlverhalten des Ortschaftsarbeiters distanziert hatte, fällt die Angelegenheit in die Zuständigkeit des Kommunalen Schadensausgleichs (KSA) - eine Versicherungseinrichtung aller Gemeinden und kommunalen Körperschaften.

Der KSA zahlt in der Regel aber nur für Schäden, die im Rahmen einer rechtmäßigen oder zumindest dienstlich veranlassten Tätigkeit eines Mitarbeiters entstehen. Wenn ein kommunaler Mitarbeiter eigenmächtig und vorsätzlich oder grob fahrlässig eine illegale Handlung begeht, die wie im vorliegenden Fall sogar strafrechtlich verfolgt wird, handelt er außerhalb seines Dienstauftrags.

In einem solchen Fall entfällt grundsätzlich die Haftung der Gemeinde, da kein dienstlicher Zusammenhang besteht und der Mitarbeiter persönlich für den Schaden verantwortlich ist. „Und beim Verursacher ist nichts zu holen“, beklagt die Mutter mit Blick auf den offenkundig völlig unzureichenden Versicherungsschutz des Verursachers.

„Privathaftpflicht - die wichtigste freiwillige Police“

Ein Problem mit weitreichenden Folgen: Auch wenn es nur grobe Schätzungen gibt, ist davon ausgehen, dass in Niedersachsen über zehn Prozent der Bürger über keine Haftpflichtversicherung verfügen. Bundesweit soll der Prozentsatz noch höher sein, wie behördliche Statistiken und auch Erhebungen der Versicherungsbranche ausweisen.

„Die private Haftpflichtversicherung ist die wichtigste freiwillige Police. Dennoch verzichten gut 17 Prozent der Haushalte in Deutschland auf diesen Schutz. Bei den Singles sind es sogar 27 Prozent“, beklagt der Gesamtverband der Versicherer (GDV) mit Blick auf den Leichtsinn vieler Bürgerinnen und Bürger.

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