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VfL Fredenbeck

THandball-Profi war gestern: Kevin Herbst schuftet im Hamburger Hafen

Kevin Herbst (Nr. 77) sagt, dass er als Handballer schnell unterschätzt werde.

Kevin Herbst (Nr. 77) sagt, dass er als Handballer schnell unterschätzt werde. Foto: Struwe

Er spielte Champions League und hatte keine Zeit für eine Lehre. Jetzt spielt Kevin Herbst beim VfL Fredenbeck und arbeitet im Hafen. Wie lässt sich das vereinbaren?

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Von Wilhelm Thiele
Donnerstag, 06.03.2025, 05:50 Uhr

Fredenbeck. 6.30 Uhr. Für Kevin Herbst beginnt die Frühschicht. Herbst ist Lascher im Hamburger Hafen. Ein Knochenjob. Früher verdiente Herbst sein Geld als Handball-Profi. In 36 Länderspielen trat er für deutsche Jugend-Nationalmannschaften an, gewann 2013 die Bronzemedaille bei der U19-WM in Ungarn, spielte Champions League und EHF-Pokal, erste und zweite Bundesliga beim HSV Hamburg und dem HC Erlangen.

Allein vom Handball kann Kevin Herbst nicht mehr leben. Zuletzt verstärkte er die SG Hamburg-Nord in der dritten Liga. Dann legte er ein Jahr Pause ein, wollte schon seine Karriere beenden. Doch dann kam der VfL Fredenbeck.

So landete Kevin Herbst beim VfL Fredenbeck

Den Kontakt zum VfL hatte Stefan Stop, Mannschaftsverantwortlicher beim Drittligisten SG Hamburg-Nord und ehemaliger Fredenbecker Aktiver in der 2. Bundesliga, vermittelt.

„Dann war ich ein paar Mal beim Training und habe Blut geleckt. Ich konnte mir plötzlich ganz gut vorstellen, wieder auf der Platte zu stehen“, sagt Herbst. Das Ergebnis war ein Jahresvertrag mit Option auf ein weiteres Jahr.

Klein, pummelig und ordentlich Kraft

Herbst sieht sich als Straßenhandballer. „Ich glaube, das passt ganz gut.“ Er werde schnell mal unterschätzt: Er sei so ein kleiner Pummeliger. Aber er bringe „ordentlich Kraft raus“ und sei gerade auch im Eins-gegen-Eins „sehr beweglich“. Ein Stratege wie Mannschaftskamerad Marten Franke sei er nicht. „Ich agiere spontan aus der Situation heraus, eben wie ein Straßenhandballer.“

Mit seinen 30 Jahren ist Herbst der erfahrenste Spieler im Team. Er sehe sich als Führungsspieler, er habe ein offenes Ohr für jeden und versuche zu helfen. „Ich glaube, dass sich junge Spieler ganz gut Rat bei mir holen können.“ Die Mannschaft sieht er auf einem guten Weg. Die Mischung der Spieler aus Jung und Alt, Erfahrung und Lust sich zu beweisen, stimme.

Herbst erwartet mehr von sich selbst

Die Mannschaft sei auf allen Positionen gut besetzt. Dabei sei der Zusammenhalt im Team groß. Es macht Kevin Herbst Spaß, in Fredenbeck Handball zu spielen. Der VfL belegt aktuell den ersten Tabellenplatz in der Regionalliga Nord. Der Aufstieg in die 3. Liga ist keine Utopie.

Mit seiner eigenen Leistung ist Herbst noch nicht zufrieden. Durch die Spätschicht in seinen Job verpasse er eine, manchmal auch zwei Wochen das Training. „Ich merke schon, dass mir das durchgehende Training fehlt.“ Er erwarte mehr von sich, versuche aber, mit seiner Erfahrung zu punkten.

Für eine Lehre war keine Zeit

Herbst wuchs in einer handballbegeisterten Familie auf. Eine seiner Schwestern war in der Frauen-Bundesliga aktiv, mit seinem jüngeren Bruder lief er zuletzt bei der SG Hamburg-Nord auf. Seine Mutter brachte ihn erst zu diesem Sport. Seine Jugend stand ganz im Zeichen des Handballs.

Er war auf den Sport fixiert. Für eine Lehre blieb keine Zeit. Auch deshalb ist er Lascher im Hafen. Er befestigt oder löst Container auf den Containerriesen bei Eurogate im Hamburger Hafen. Im Sommer wie im Winter, im Hellen wie im Dunkeln, bei Sonnenschein und Regen. Das alles macht Herbst im Schichtdienst. Ein bis zwei Mal im Monat muss er auch am Wochenende ran.

Die Schicht schlaucht: „Bin oft kaputt“

Er hätte nie geglaubt, so Herbst, dass ihm diese Arbeit einmal Spaß machen würde. Sein Job sei abwechslungsreich und körperlich fordernd. Der Umgang unter den Kollegen offen, direkt und ohne Schnörkel. Herbst mag das.

Aber solch ein Schicht schlaucht. „Ich bin oft kaputt“, sagt Herbst, der mit seiner Frau und zwei Töchtern in Horneburg lebt. Er steht morgens kurz vor 4 Uhr auf. Nach der Arbeit fordern auch die Kinder ihr Recht. Am Abend steht das Training an. Das sind lange Tage. „Zum Glück ist das nur drei Mal die Woche so, wenn’s mehr wäre, wäre das schwierig“, sagt Herbst.

Entspannung beim Angeln an der Ostsee

Seine Frau trage seine Leidenschaft mit, auch wenn die Familie etwas zu kurz komme. „Sie wusste, worauf sie sich mit mir einlässt.“ Entspannung sucht Herbst, wenn er in der Ostsee Meerforellen angelt. Einmal im Jahr geht es dafür mit Freunden für eine Woche nach Norwegen.

Die Zukunft von Kevin Herbst beim VfL Fredenbeck ist noch nicht ganz geklärt. Er will in sich hineinhören. Hören, was sein Körper sagt. Dann spricht er mit dem VfL über seine Zukunft.

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