T„König der Löwen“: Er stand schon Tausende Mal als Zazu auf der Bühne

Joachim Benoit spielt nicht nur Zazu, sondern ist auch die Zweitbesetzung für Erdmännchen Timon. Foto: Stage Entertainment/Morris Mac Matzen
Joachim Benoit verkörpert seit über 20 Jahren Zazu im „König der Löwen“. Kein anderer Musicaldarsteller hat in Deutschland dieselbe Rolle so oft gespielt wie er. Dabei ist es ziemlich aufwendig, sich in Zazu zu verwandeln.
Hamburg. TAGEBLATT: Nach mehr als 8.500 Vorstellungen kennen Sie Zazu in- und auswendig. Gibt es zwischen Ihnen irgendwelche Parallelen?
Joachim Benoit: Die Zazu-Puppe ist für mich ein Requisit wie die Melone oder das Kostüm. Erst wenn ich ihn animiere, wird er eben die Disney-Figur. Als Hofmeister hat er mit mir persönlich wenig zu tun. Vielleicht bin ich ihm in Sachen Ordnungsliebe ähnlich. Auch haben wir den gleichen Humor - gerade in puncto Zynismus.
Als Nashornvogel ist Zazu in Afrika zu Hause, dort spielt „König der Löwen“. Haben Sie diesen Kontinent jemals bereist?
Ich war in Südafrika in der Gegend von Kapstadt. Die Savanne kenne ich allerdings nur von der Bühne.
Hat Sie eine Safari nie gereizt?
Das hat sich bei meinen Trips zeitlich einfach nicht ergeben. Mittlerweile halte ich diese ganzen Camps sowieso für Zoos für Touristen in freier Natur, die von Tierhütern betreut werden. Ich glaube nicht, dass man die Wildnis noch so erleben kann, wie man sie früher in den Fernsehsendungen von Professor Grzimek gesehen hat.
Sind Sie jemand, der das Reisen liebt?
Ja. Allerdings sind reine Badeurlaube nicht meins, weil ich kein Wassersportler bin. Lieber entdecke ich eine Stadt. Gerade in England oder den USA gehe ich gern ins Theater. Ansonsten ist Wandern meine Leidenschaft. Nicht nur im Gebirge, genauso im Hamburger Umland - sei es in der Heide oder an der Ostsee.
„Eimsbüttel war mein Kiez“
Erkunden Sie auch manchmal Hamburg, oder bleiben Sie eher in Ihrem Stadtteil?
Ich habe immer in Eimsbüttel gelebt, das war mein Kiez. Bis mich Covid in den Osten gespült hat. Ich wohne jetzt in Eilbek. Leider habe ich wegen der vielen Shows wenig Freiraum für irgendwelche Erkundungstouren - höchstens beim Joggen oder Radfahren sehe ich mal etwas. Am besten kenne ich in Hamburg meine Sportstudios, ein paar Supermärkte und eine Tankstelle - das war es. Für uns Theaterleute ist es schwierig, abends auszugehen.
Heißt das, Sie sind kein Nachtmensch?
Von Natur aus nicht. Aber wir spielen „König der Löwen“ zu unterschiedlichen Zeiten - in der Woche etwas früher, am Wochenende gibt es Doppelvorstellungen, die Abendshow beginnt dann später. Diese Schichtarbeit ist eine Herausforderung für mich. Am liebsten würde ich früh schlafen gehen.
Können Sie sich nach einem Auftritt nicht einfach zu Hause ins Bett legen?
Nein. Ich bin so gepusht, dass ich ein, zwei Stunden zum Herunterfahren brauche. Nach einer frühen Show mache ich bis Mitternacht Sport - das bringt mich extrem runter. Alternativ schaue ich ein bisschen Netflix oder Fernsehen und versuche, nicht im Internet zu daddeln. Das macht bloß wieder munter.
König-der-Löwen-Star fährt mit der HVV-Fähre zur Arbeit
Und wie gestalten Sie Ihre freien Tage?
Ich ruhe mich aus, ich kümmere mich um den Haushalt, ich treffe Freunde. Ebenso steht Sport auf dem Programm. Ich jogge jeden Tag oder mache Krafttraining. Das ist für mich ein wichtiger Ausgleich, weil ich Zazu immer links vom Körper halte. Deswegen muss ich im Fitnessstudio auch die andere Körperseite trainieren.
Auf der Bühne sind Sie stark geschminkt. Werden Sie deshalb kaum auf der Straße angesprochen?
Wenn ich mit den Gästen auf dem Shuttle-Boot zum Theater fahre, erkennt mich fast niemand. Das ist wirklich entspannt.
Hamburger gelten eh als zurückhaltend. War das für Sie als gebürtiger Rheinland-Pfälzer zunächst gewöhnungsbedürftig?
Als Pfälzer ist man herzlich und offen - das ist ein ganz anderer Beat. Mich stört die Reserviertheit der Hanseaten aber nicht, im Gegenteil. Es kommt mir sehr entgegen, wenn die Leute distanziert und höflich sind. Zudem bewege ich mich ja seit meiner Ausbildung an der Hamburger Stage School of Music, Dance and Drama in einer kosmopolitischen Welt. Am Theater bin ich selten mit Hamburgern zusammen, sondern eher mit Brasilianern, Afrikanern und Amerikanern.
„Cats“ war sein erstes Musical
Also haben Sie nie mit Hamburg gefremdelt?
Hamburg ist für mich eine weltoffene Hafen- und Musicalstadt, die mich immer fasziniert hat. Als Schüler habe ich hier mein allererstes Musical „Cats“ gesehen. Ich weiß noch: In dem Moment, wo man das Operettenhaus betreten hat, war man in der Kulisse. So ein Konzept kannte ich vom Staatstheater Saarbrücken nicht. Das war amerikanisch, das war Musical. Ich war dermaßen überwältigt, dass ich dachte: So etwas möchte ich beruflich machen.
Dieses Erlebnis liegt lange zurück, Sie leben nun seit mehr als 20 Jahren in Hamburg. Wie hat sich die Stadt verändert?
Architektonisch hat sich Hamburg am stärksten in der HafenCity weiterentwickelt. Wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahre, durchquere ich sie meistens. Allerdings gab es die HafenCity noch gar nicht, als „König der Löwen“ 2001 Premiere feierte. Im Laufe der Zeit habe ich die ganzen Baustellen passiert. Ich habe miterlebt, wie ein völlig neuer Hotspot entstanden ist. Auch kulturell mit der Elbphilharmonie.
DJ macht Pause
Felix Jaehn sagt Auftritte ab: „zu verletzlich“
Die HafenCity ist umstritten. Wie gefällt Sie Ihnen?
Schon anfangs hatte ich das Gefühl: Das ist ein gutes Konzept. Ich hätte Lust gehabt, dort zu wohnen. Natürlich muss sich so ein neu entstandenes Viertel erst mal beleben. Das passiert nicht innerhalb von zwei Jahren, so etwas dauert Jahrzehnte. Inzwischen merkt man aber, dass viel Bewegung in der HafenCity ist. Es gibt Restaurants, eine Shopping Mall entsteht. Und die Elbphilharmonie, die wegen der Kostenexplosion ein Streitobjekt war, ist nun ein Touristen-Hotspot. Sprich: Diese Investition hat sich doch gelohnt.
„‘König der Löwen‘ erzählt von Autokratien“
Nicht nur die Elbphilharmonie hat Negativschlagzeilen gemacht. Man wird ständig mit Horrormeldungen konfrontiert. Bieten Musicals den Zuschauern Zuflucht aus der Realität?
Ja. Ich glaube, in Krisenzeiten brauchen die Leute mehr denn je Zerstreuung - als Gruppenerlebnis. Nicht jeder allein in seinem Zimmer mit einem Streaming-Dienst. Früher ist Samstagabend die gesamte Familie zusammengekommen, um „Wetten, dass ...?“ mit Thomas Gottschalk im ZDF zu gucken. Heute taucht jeder im Internet in seiner eigenen Welt ab.
Auch „König der Löwen“ bietet Unterhaltung. Kann man trotzdem weit mehr aus dem Stück ziehen?
Auf jeden Fall. Dieses Musical erzählt von Autokratien. Ich finde, Scar lässt sich durchaus mit einem Autokraten vergleichen, der die Parole ausgibt: „Mir nach, Idioten. Ich bringe euch an die Macht. Notfalls mit Gewalt.“ Genau diese Geschichte erzählen wir, wenn die Hyänen Scar auf den Leim gehen. Bei uns wird am Ende aber alles gut. Nach dem Motto: Wenn alle zusammenhalten, kann man das Böse besiegen.
Zur Person
Joachim Benoit wurde 1970 in Zweibrücken geboren. Seine Ausbildung zum Musicaldarsteller machte er von 1992 bis 1995 an der Hamburger Stage School of Music, Dance and Drama. Danach bekam er sein erstes Engagement im Theater des Westens in Berlin, dort spielte er in Produktionen wie „Hello Dolly!“ oder „Gypsy“. Als Gast trat der gebürtige Pfälzer, der sich selbst als beständig bezeichnet, unter anderem im Schauspiel in Wien oder am Berliner Renaissancetheater auf. Seit 2001 steht er in „König der Löwen“ als Zazu auf der Bühne, später wurde er Cover von Timon.
Persönliches
Mein Lieblingstier ist ... der Löwe. Er ist das Symbol für mein Leben und mein Sternzeichen.
Hyänen finde ich ... hässlich.
Mit dem Film „König der Löwen“ verbinde ich ... meine Studienzeit. Ich habe die Disney-Produktion 1994 im Grindel-Kino gesehen.
Ein Löwe symbolisiert ... Stärke und Entschlossenheit.
Das Lied „Circle of Life“ bedeutet für mich ... pure Emotion und Rührung.
Die schönste Szene in „König der Löwen“ ist ... „Circle of Life“. Selbst wenn wir diese Szene ohne Licht, Puppen und Make-up proben, nimmt sie mich sofort gefangen.

Ungeschminkt: Joachim Benoit mit der Zazu-Puppe. Foto: Leischow