TOhne Landwirte geht es nicht

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Anstatt die Bauern in die rechtsradikale Ecke zu stellen und als Zu-Unrecht-Subventionsempfänger zu diffamieren, sollte sich die große Politik endlich mit den Bauern an einen Tisch setzen.
Landkreis. Ein Kommentar von Björn Vasel
Die Landwirte und die Obstbauern haben mit ihren Protesten in Berlin vor Weihnachten einiges erreicht: Die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge ist vom Tisch, die Agrardiesel-Rückvergütung wird erst 2026 komplett gestrichen. Damit hat die Agrarwirtschaft im Vergleich zu Spediteuren und Gastronomen viel erreicht.
Diese bissen bei SPD, Grünen und FDP mit ihren ebenfalls berechtigten Protesten gegen die Maut- und die Mehrwertsteuer-Erhöhung in Berlin auf Granit. Von den Bauern jetzt zu erwarten, dass sie „Danke, Kanzler“ rufen, wäre naiv. Die Rotstift-Aktion der Ampel hat das Fass bei ihnen lediglich zum Überlaufen gebracht.
Landwirte und Obstbauern leiden unter staatlich verordneten Wettbewerbsverzerrungen
Die Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft - immerhin Arbeitgeber Nummer zwei nach Volkswagen in Niedersachsen - leidet seit Jahrzehnten unter staatlich verordneten Wettbewerbsverzerrungen. Steigende Löhne und Preise bei Energie und Pflanzenschutz haben die Produktionskosten schon kräftig in die Höhe getrieben. Lebensmitteleinzelhandel, Industrie und Verbraucher zeigen sich kaum bereit, dafür höhere Preise zu zahlen.
Knapp 500 Millionen Euro hat die Branche bereits durch Streichungen bei der Unfallversicherung und Fördertöpfen von Bund und Land verloren. In Niedersachsen gehen Obstbaubetriebe ab 2024 leer aus, während es in EU-Nachbarstaaten bei der Hagelversicherung einen Zuschuss von bis zu 65 Prozent gibt - aus der EU-Kasse, das heißt mit Geldern auch deutscher Steuerzahler. In den Supermärkten konkurrieren ihre unter hohen Umwelt- und Sozialstandards erzeugten Produkte mit Dumping-Angeboten aus dem Ausland.
Große Politik und Bauern an einen Tisch setzen
Anstatt die Bauern in die rechtsradikale Ecke zu stellen und als Zu-Unrecht-Subventionsempfänger zu diffamieren, sollte sich die große Politik endlich mit den Bauern an einen Tisch setzen. Deutschland braucht einen Gesellschaftsvertrag mit der Landwirtschaft für Generationen. Eine Gesellschaft, die zu recht hochwertige und bezahlbare Lebensmittel, mehr Tierschutz, mehr Biodiversität sowie mehr Klima- und Gewässerschutz verlangt, muss diese Leistung der Bauern auch honorieren. Weil das über die Ladenkasse nicht funktioniert, müssen andere Wege gefunden werden.
Die Gesellschaft sollte sich fragen, ob sie klimaschädliche Äpfel aus Übersee oder Schweinefleisch aus Hochhäusern in China essen will, statt die regionale Landwirtschaft zu stärken und das Höfesterben zu stoppen. Solange das nicht verstanden wird, werden die Proteste weitergehen. Zu Recht.