Zähl Pixel
Empörungswelle

TKonto blockiert: Wie die Volksbank Stade-Cuxhaven reagiert

Die Cuxhavener Filiale der Volksbank Stade-Cuxhaven.

Die Cuxhavener Filiale der Volksbank Stade-Cuxhaven. Foto: Torben Röhricht/Volksbank Stade-Cuxhaven

Zwei geistig beeinträchtigten Schwestern wird das Konto gesperrt. Die Volksbank Elbe-Weser-Dreieck will Missbrauch verhindern. Doch Volksbank ist nicht gleich Volksbank.

Von Julia Dührkop Samstag, 21.09.2024, 08:50 Uhr

Cuxhaven/Stade. Ein Konto steht jedem Menschen erst mal zu. Doch was ist, wenn durch eine geistige Beeinträchtigung eine Unterstützung durch einen Betreuer erforderlich wird? Die Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck will den Zugriff sperren, dabei gibt es positive Beispiele.

Für Volksbank-Kunden, die eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt haben, haben sich die Bedingungen seit dem 15. Juli extrem verschlechtert. Die Kontoinhaber dürfen nicht mehr eigenständig an ihr Konto, um Geld abzuheben. Dies sorgt bei betroffenen Familien, aber auch den hauptamtlichen Betreuern vom Betreuungsverein Bremerhaven für Empörung und Verärgerung. Rund 100 Kunden sind betroffen.

Wie die Sparkasse Weser-Elbe vorgeht

Wenn es um die Konten für Menschen unter Betreuung geht, wird immer wieder die Weser-Elbe Sparkasse (Wespa) als positives Gegenbeispiel zur Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck genannt. Wie geht die Wespa damit um?

„Wir finden für jeden eine passende Lösung“, sagt Tina Blatz-Ruhnau. Die Pressesprecherin des Geldinstituts erklärt, warum die Wespa dem Thema entspannt gegenüberstehe. Sie bietet Betreuern und ihren Klienten das Zwei-Konten-Modell an. Das bedeutet, dass der Betreuer das Hauptkonto verwaltet, wovon Verbindlichkeiten wie Miete und Nebenkosten abgebucht werden. Der Betreuer teilt eine Summe für den zu Betreuenden zu und überweist diese auf ein Unterkonto. So könne die Person eigenständig und flexibel Geld abheben. Es sei ein reines Guthaben-Konto und – wie bei einem Taschengeld-Konto für Kinder – nicht zu überziehen.

Wie geht die Wespa mit dem von der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck befürchteten Rechtsrisiko um?

Egal, ob Bank oder Sparkasse: Im Zweifel könnten Haftungsansprüche vom Betreuer geltend gemacht werden. Denn er trägt die Verantwortung. Kontoinhaber ist aber die Person, die unter Betreuung steht. Das heißt, sie könnte theoretisch auch über das Hauptkonto verfügen. „Wir lassen eine Haftungserklärung vom Betreuer unterschreiben“, erklärt Blatz-Ruhnau. So sei die Wespa frei von „unberechtigten Verfügungen“. Damit meint sie die vom Volksbank-Vorstand Frank Koschuth angeführte „missbräuchliche Nutzung“. An das Wespa-Hauptkonto könne der Klient nicht ran, es sei nur für den Betreuer zugänglich. Damit gebe es so gut wie keine Probleme. „Wir haben uns abgesichert“, so Blatz-Ruhnau. Jedem stehe ein Konto zu. Die Wespa handele zum Wohle ihrer Kunden. „Jeder Mensch soll am Leben teilhaben und über Geld verfügen“, so die Pressesprecherin.

Tina Blatz-Ruhnau, Pressesprecherin der Weser-Elbe-Sparkasse.

Tina Blatz-Ruhnau, Pressesprecherin der Weser-Elbe-Sparkasse. Foto: Martina Buchholz

Gibt es noch andere positive Beispiele in der Region? Wie sieht es bei der Volksbank Stade-Cuxhaven aus?

Volksbank ist nicht gleich Volksbank. Bevor die Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck die Geschäftspolitik im Juli geändert hat, hatte sich der Vorstand nach eigener Aussage bei umliegenden Volksbanken schlau gemacht. Keine erlaube den unter Betreuung stehenden Kunden eigenständigen Kontozugriff. Doch die Volksbank Stade-Cuxhaven kann damit nicht gemeint sein. „Bei uns hat keiner angerufen“, sagt Henning Porth, Vorstand der Volksbank Stade-Cuxhaven. Seine Volksbank ermöglicht unter Betreuung stehenden Menschen den Zugriff aufs Konto. Jede Volksbank agiert eigenständig, erklärt Porth die unterschiedliche Vorgehensweise und weiter: „Das Thema Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt wird bei uns flexibel gehandhabt.“

Wie ermöglicht die Volksbank Stade-Cuxhaven die Kontoführung?

Die Kunden können zwischen zwei Optionen wählen. Die Entscheidungsgewalt liege beim Betreuer. „Dieser gibt uns in einem gesonderten Formular Auskunft darüber, welche Freiheiten der Betreute in puncto Kontoverfügungen besitzt.“ Möglich ist, sowohl über mehrere Konten zu verfügen als auch über eines. Für den Betreuten ist sowohl die Nutzung einer Girocard als auch von Online-Banking möglich. „Haupt- und Unterkonten spielen in der praktischen Umsetzung regelmäßig eine Rolle“, sagt Porth. Bisher habe das gesamte Prozedere keinerlei Probleme bereitet.

Gibt es denn auch den Fall, dass der Betreute keinen Zugang zum Konto hat?

Nur wenn der Betreuer es für richtig hält, dann gibt die Volksbank Stade-Cuxhaven auch die Möglichkeit, dem Betreuten eine freie Kontoverfügung zu untersagen.

Haben andere Geldinstitute Verständnis für das neue Vorgehen der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck?

„Wir können das nicht nachvollziehen“, heißt es von der Wespa-Sprecherin. Bei der Sparkasse sei das oberste Motto, ohne Diskriminierung miteinander umzugehen. Auch die Volksbank Stade-Cuxhaven möchte nicht mit der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck in einen Topf geworfen werden. „Wir können nicht beurteilen, welcher Sachverhalt zu der Entscheidung bei der Volksbank Elbe-Weser geführt hat“, sagt Porth. Es sei problematisch, wenn Volksbanken in der Kritik stehen, weil allgemein nicht bekannt sei, dass die Volksbanken jeweils eigenständig handeln.

Das Credo der Sparkasse, mit Respekt und Verständnis miteinander umzugehen, beruht übrigens auf Gegenseitigkeit. Das verlangt man auch von Kunden, denn auch Mitarbeiter sind durchaus von Beschimpfungen und Übergriffen betroffen. Die Wespa hat deshalb einen eigenen Sicherheitsdienst beschäftigt, der vermittelt, schlichtet oder auch vom Hausrecht Gebrauch macht. In einem Antidiskriminierungsworkshop werden Mitarbeiter geschult. Dazu gehört auch, Haltung zu zeigen, um hilfreich im Konfliktfall einzuschreiten.

Was tut die Volksbank Stade-Cuxhaven für Menschen mit Beeinträchtigung?

Inklusion spielt eine große Rolle, so der Vorstand Porth. Er verweist auf „die frisch renovierten Filialen in Cuxhaven und Steinkirchen“, die nun über ein „modernes, taktiles Leitsystem für blinde und sehbehinderte Menschen“ verfügen. Um Barrierefreiheit zu ermöglichen, sei die Filiale in Cuxhaven mit einem unterfahrbaren Geldautomaten ausgestattet. Diese baulichen Maßnahmen stimmt die Bank mit dem Beirat für Menschen mit Behinderung ab, heißt es.

Für die Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck liegt die Lösung darin, dass die Betroffenen sich den Status „Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt“ beim Betreuungsgericht entfernen lassen sollten.

Warum gibt es überhaupt eine vom Gericht bestimmte Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt?

Der Einwilligungsvorbehalt schützt Menschen, die zum Beispiel unter einer geistigen Behinderung stehen. Aber auch ein Trauma oder eine Demenz kann dazu führen. Teilweise besteht die Betreuung auch nur für eine gewisse Zeit, da sich der Zustand wieder bessert. Den Vorteil für beeinträchtigte Menschen erklärt der Direktor des in Langen ansässigen Amtsgerichts Geestland, Axel Döscher: „Aus Leichtgläubigkeit abgeschlossene betrügerische Abos sind damit schwebend unwirksam.“ Erst, wenn der Betreuer zustimmt, wird ein Vertrag rechtswirksam. Es geht dabei um den Schutz der Menschen – nicht der Bank.

Hat sich die Rechtslage verändert, so dass die Kontosperrung für Menschen unter Betreuung gerechtfertigt ist?

Vom Gesetz habe sich nichts geändert, so Döscher. So eng wie die Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck es ausgelegt, sei es vom Gesetz her nicht erforderlich, so der Amtsgerichtsdirektor, bei dem auch das Betreuungsgericht angesiedelt ist.

Welche Möglichkeiten haben betroffene Kunden der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck, gegen die Kontosperre vorzugehen?

Dagegen vorgehen müssen die Kunden, so Döscher: „Wenn es hart auf hart kommt, dann können die Kunden ihre Rechte zivilrechtlich durchfechten.“ Das Amtsgericht könne der Volksbank jedenfalls nichts befehlen oder ihr etwas anweisen. Er setzt auf eine Lösung.

Wie könnte eine Lösung des Problems aussehen?

Das Betreuungsgericht am Amtsgericht in Langen hat der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck vorgeschlagen, sich auszutauschen und beraten zu lassen. Auf den Gesprächsvorschlag sei die Bank eingegangen, so Döscher.

  • Inklusionsbeauftragter Jürgen Wintjen: Die Volksbank redet sich heraus

Einen Fall von Diskriminierung sieht Jürgen Wintjen, Vorsitzender des Inklusionsbeirats vom Kreis Cuxhaven, in der geänderten Geschäftspolitik der Volksbank im Elbe-Weser-Dreieck.

Volksbank-Vorstand Frank Koschuth hatte den Schritt damit begründet, dass Rechtsrisiken gesehen werden. Befürchtet wird eine „missbräuchliche Nutzung“, ohne dass jedoch das bisherige Vorgehen bislang zu Problemen geführt habe. Zu einer strengeren Auslegung ist der Vorstand gekommen, da nach der Fusion der Volksbank Bremerhaven-Cuxland mit der Zevener Volksbank alle Abläufe auf den Prüfstand gestellt wurden, wie es in der Stellungnahme heißt.

„Interessant ist, dass die Interessen der Mitglieder wohl höher bewertet werden als behinderte Kunden“, urteilt Wintjen. Die Volksbank versuche, sich herauszureden, meint der Inklusionsbeauftragte, der sich für die Teilhabe aller Menschen einsetzt.

Die Volksbank sieht sich rechtlich auf der richtigen Seite und verweist auf das Bürgerliche Gesetzbuch, Paragraf 1825.

Weitere Artikel