TKriminalität und Leerstand: Wo es in der Stader Innenstadt hakt

Geschäftsaufgabe in der City: an der Ecke Große Schmiedestraße, Goos steht bald der nächste Laden leer. Foto: Alexandra Bisping
Stade, eine Stadt mit Gegensätzen. Einerseits sehr gut besucht, siehe Altstadtfest oder Hanse Song Festival. Andererseits steigende Kriminalität, Leerstand beim Einzelhandel, ausbleibende Gäste. Was tun? Stimmen von Gastronomen und eine Idee aus der Politik.
Stade. Zwei Neueröffnungen hat es in der Innenstadt kürzlich gegeben, erzählt Christine Plath. Die Citymanagerin der Stade Marketing hat den Überblick. „Das eine ist Smashburger in der Großen Schmiedestraße, das zweite das Café-Bistro Hafenliebe beim Fischmarkt.“ Soweit die guten Nachrichten.
Im Einzelhandel allerdings sei der Umsatz allgemein ein bisschen schwierig, sagt Christine Plath. Unter anderem liege das auch am bislang überwiegend schlechten Wetter. Es soll besser werden: „Ich hoffe auf Frühling und Sommer, wir sind da optimistisch.“
Leerstand in der City springt ins Auge
Deutlich sichtbar dagegen die verlassenen Einzelhandelsflächen. 18 Leerstände in der City verzeichnet Plath. Bald kommen drei weitere dazu: Dress Code und Shampoo Shop in der Hökerstraße machen zu sowie Stage by WE in der Großen Schmiedestraße. 21 leerstehende Ladenflächen sind es dann im Innenstadtkern. In der gesamten historischen Altstadt gibt es - vom Dienstleister über Gastronomie bis hin zum Einzelhandel - 350 Betriebe.
Nach Messerattacke
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Doch auch hier gibt’s Hoffnung. Christine Plath sagt, dass es bereits Gespräche gebe mit drei möglichen neuen Mietern. „Das Interesse ist da.“ Allerdings sind Geschäfte nicht alles. Wie steht es um die Gastronomie?
Sabrina Klapper zeigt sich angesichts der steigenden Kriminalität besorgt. Zwei brutale Taten mit Todesfolge - im September 2022 und im März dieses Jahres - ereigneten sich quasi vor der Fensterfront ihres Betriebs am Stadthafen. Der Bahnhof sei auch nicht weit weg, sagt die Gastronomin. Dort war Ende Januar ein Mann überfallen worden und später seinen schweren Verletzungen erlegen.
„Besorgniserregend still“ in der Innenstadt
Nach dem Mord im März habe sie das Nachtleben drei Wochen lang „wie im kompletten Lockdown“ empfunden. „Die Gäste überlegten, ob sie sich zu Fuß in die Innenstadt wagen oder ganz zu Hause bleiben.“ Besorgniserregend still sei es gewesen.
Sicherheitsgefühl
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Sabrina Klapper betreibt vier Gastro-Betriebe in der Stadt. Was passiert sei, habe alle geschockt. Unruhe auch unter ihren Mitarbeitern. Die bilden jetzt Gruppen, um nach Hause zu kommen und gemeinsam zu fahren, sagt sie. Manchmal ließen sich Öffis nicht vermeiden.
„Richtig gruselig ist es jetzt ab 22 Uhr“, ergänzt Sabrina Klapper. Nachdem das Fiddler’s Ende Februar für immer geschlossen hatte, bleibt für Nachtschwärmer in der City das Klapperino und die Tropicana Tanzbar. Ihre Gäste hätten moniert, dass es zu wenige Angebote gebe.
Jugendliche randalieren vor Gaststätte
Randalierende Jugendgruppen spricht die Gastronomin ebenfalls an - mit ihnen hat auch Andre Christoleit unschöne Erfahrung gesammelt. Der Gastronom betreibt am Platz Am Sande die Stadtschenke. Wochenlang hatte er sich über junge Rabauken geärgert.
Sobald es dunkel wurde, sei es losgegangen. Sie hätten erst Blumen rausgerissen, dann mit Steinen geworfen, irgendwann auch Steine gegen die Scheibe seines Lokals geschmissen. Gerade sei es ruhiger geworden, sagt er. Vielleicht liege das an der erhöhten Polizeipräsenz.
Mehr Polizeipräsenz ist auch für Sabrina Klapper ein Thema. Sie hat einen Brief an die Stader Politik und Verwaltung geschrieben. Er liegt dem TAGEBLATT vor. „Touristen suchen einen sicheren Ort zum Verweilen“, schreibt Klapper. Sie wollten weder mit krimineller Lebenswirklichkeit noch mit wegbrechenden Betrieben konfrontiert werden.
Mehr Straftaten bei bis 14-Jährigen
„Die Menschen in unserer Region erwarten zurecht, dass Politik und alle Verantwortlichen handeln und das schützen, was uns wichtig ist: unsere Lebensraumstrukturen.“ In Sachen randalierende Jugendliche fordert sie, dass sich Streetworker neu ausrichten. Auch wenn sie Jugendzentren begrüße, sollten Kinder dort abgeholt werden, wo sie unterwegs sind: im öffentlichen Raum.
Dass dort etwas getan werden muss, bestätigen die Zahlen aus der jüngsten Stader Kriminalitätsstatistik. Ein besonders starker Zuwachs ist im Altersbereich der Kinder erkennbar: Bei bis 14-Jährigen stiegen Straftaten von 218 in 2022 auf 249 in 2023, also um gut 14 Prozent. Waren es in 2022 insgesamt 10.381 bekannt gewordene Fälle, gab es im vergangenen Jahr 879 Straftaten mehr (11.260). Ein Plus von 8,47 Prozent. Die Entwicklung liege somit oberhalb des direktions- (+4,79 Prozent) und landesweiten (+5,57 Prozent) Trends, heißt es in der Statistik.

Selten bespielt: der große Platz Am Sande. Ein Welcome-Center könnte für mehr Leben sorgen. Foto: Alexandra Bisping
Doch wie vorgehen und frischen Wind in die City bringen? Eine Idee hat jetzt die FDP aufs Tapet gebracht und einen Antrag für ein Welcome-Center auf dem Platz Am Sande bei der Stadt eingereicht. Die Freien Demokraten schlagen vor, Bus-Touristen nahe des Platzes aussteigen zu lassen.
Touristen in die Innenstadt locken
„Die Idee, die Haltestelle für Touristenbusse woanders hin zu verlegen, hatten wir schon vor Corona“, sagt Enrico Bergmann. Grund: Dadurch würden sich Vorteile für Wirtschaft und Tourismus ergeben. Und es käme mehr Leben in die Innenstadt.
Bergmann schlägt das Welcome-Center als Startpunkt vor. Touristen begrüßen, sie informieren und von dort aus über eine Route durch die Stadt leiten, beispielsweise mit Markierungen. Das habe Vorteile, auch für den Einzelhandel - und gegen den Leerstand. Sein Vorschlag: die Touristen an der Bushaltestelle hinter der Hansebrücke aussteigen lassen und die Fahrzeuge am Stadeum parken.
Touristenbusse brauchen neuen Parkplatz
Die Touristenbusse müssen sowieso weg vom Hafen, so der FDP-Fraktionsvorsitzende. Das bestätigt Stephan Voigt, Pressesprecher der Hansestadt. Die Traglast sei für die Spundwände im Hafenbecken zu hoch, sagt er. Perspektivisch bestehe Handlungsbedarf.

Bald sollen Touristenbusse nicht mehr am Hafen parken. Wo sie zukünftig halten, steht noch nicht fest. Foto: Alexandra Bisping
Wohin der Stopp der Touristenbusse verlegt wird und wie viel Zustimmung der Antrag bekommt, wird sich am Dienstag, 4. Juni, zeigen. Das Thema steht auf der Tagesordnung des Ausschusses für Kultur, Tourismus und Freizeit. Um 18 Uhr kommen die Mitglieder im Ratssaal des historischen Rathauses zusammen.
Richtig gruselig ist es jetzt ab 22 Uhr.
Sabrina Klapper, Gastronomin