TLandgericht Stade: Angeklagter zwischen lebenslanger Haft und Freispruch
Der Prozess um den Tod einer gebürtigen Schweizerin in Otterndorf geht langsam auf die Zielgerade. Am Landgericht Stade wurden am Dienstag die Plädoyers gesprochen. Foto: dpa
Der Prozess um den Tod einer gebürtigen Schweizerin in Otterndorf geht langsam auf die Zielgerade. Was für eine Verurteilung spricht - und was dagegen.
Otterndorf. Als der Staatsanwalt sein Plädoyer im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Stade vorträgt, verfolgt der Angeklagte die Ausführungen äußerlich ungerührt. Nur manchmal schüttelt er ungläubig den Kopf. Es geht um den gewaltsamen Tod einer 67-jährigen Otterndorferin im Oktober 2022.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft soll der 63-jährige Mann aus Nordleda die Frau, mit der er ein Verhältnis hatte, aus Habgier ermordet haben. Neben Mord wird ihm auch Raub mit Todesfolge vorgeworfen. Er soll es auf Goldbarren, Münzen, Bargeld und Schmuck der gebürtigen Schweizerin abgesehen haben. Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe.
Der Staatsanwalt sprach sich in seinem 40-minütigen Plädoyer für eine lebenslange Haftstrafe für den Angeklagten aus. Zu erdrückend sei die Beweislast. Das Mordmerkmal der Habgier sei erfüllt. Eine besondere Schwere der Schuld sehe er aber nicht, erklärte der Anklagevertreter.
Massiver Angriff auf den Hals der Otterndorferin
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich der Mord am 23. Oktober 2022 in der Zeit zwischen 18.30 und 20.41 Uhr ereignet hat. In dieser Zeit war der Angeklagte im WLAN-Netzwerk der Otterndorferin eingeloggt. Später, gegen 23 Uhr, soll sich der Mann erneut im oder am Haus am Medembogen aufgehalten haben. Es habe mit hoher Wahrscheinlichkeit einen „massiven Angriff auf den Hals“ der Otterndorferin gegeben - so heftig, dass der Schildknorpel brach. Es gebe keine Hinweise auf eine dritte tatbeteiligte Person.
Der Staatsanwalt ging auch auf die Situation ein, in der die Tote aufgefunden wurde: Sie lag vollständig zugedeckt in ihrem Bett. Am Ende der Bettdecke lag ein geordneter Wäschehaufen. Der Anklagevertreter glaubt, dass die Frau bereits tot war, als dieser auf dem Bett „drapiert“ wurde.
Ketten im Auto sollen als Beweis dienen
Als „massives Überführungsstück“ bewertet die Staatsanwaltschaft die beiden Ketten, die im Auto des Angeklagten gefunden wurden. Sie waren von Zeugen eindeutig als Schmuckstücke der Verstorbenen identifiziert worden. „Von diesem Schmuck hätte sie sich niemals getrennt“, so der Staatsanwalt. Die Behauptung des Angeklagten, dass es sich um Erbschmuck aus seiner Familie handele, hält der Staatsanwalt für „im höchsten Maße abwegig“.
Der Nebenkläger, der die Familie des Opfers vertritt, schloss sich der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer lebenslangen Freiheitsstrafe an. Neben der Habgier sieht er als weiteres Mordmerkmal die Verdeckungsabsicht.
Die Verteidigung des 63-Jährigen plädierte hingegen auf Freispruch. Es gebe eine Vielzahl von offenen Fragen und keine eindeutigen Spuren, argumentierte der Anwalt. Er wirft der Polizei Versäumnisse bei der Ermittlung vor. So habe die Polizei beispielsweise in der schmutzigen Wäsche der verstorbenen Frau einen Kothaufen übersehen, der möglicherweise bei einer rechtzeitigen DNA-Analyse Hinweise zum Tathergang hätte geben können.
Verteidiger argumentiert mit fehlender Zeit für die Tat
Der Angeklagte bestreitet nicht, am Tatabend in der Wohnung der Otterndorferin gewesen zu sein. Aber aus zeitlichen Gründen habe der Mann die Tat kaum begehen können, erklärte sein Anwalt. Denn um 20.29 Uhr habe die Otterndorferin noch eine Online-Überweisung getätigt. Und um 20.41 Uhr sei sein Mandant laut WLAN-Daten nicht mehr im Haus gewesen. Eine Tötung in elf Minuten - das hält der Verteidiger für sehr unwahrscheinlich.
Die letzten Worte vor der Urteilsverkündung gehörten dem Angeklagten. „Ich habe dieser herzensguten, liebevollen Frau nichts getan“, sagte der Mann aus Nordleda. Das Urteil wird voraussichtlich am 2. Dezember verkündet.