TLandwirte wollen am Montag den Verkehr lahmlegen - auch im Kreis Stade

Protest vor Weihnachten: Am 20. Dezember sorgten die Landwirte aus dem Landkreis Stade für Chaos im Stader Berufsverkehr. Foto: Vasel
Trotz Einlenkens der Bundesregierung in Sachen Agrar-Diesel und Kfz-Steuer startet am Montag bundesweit die Protestwoche der Landwirte gegen die Sparpläne der Ampel-Koalition. Dazu äußern sich Landkreis, Polizei und Landwirte aus der Region.
Landkreis. Die Ankündigung der Ampel-Koalition, die geplanten Kürzungen der Subventionen für Landwirte teilweise zurückzunehmen, könne nur ein erster Schritt sein, sagt der Geschäftsführer des Stader Landvolks, Christoph Wilkens. Wobei sein Kollege Jan Hauschildt den Begriff Subvention irreführend findet. Die Steuerbegünstigung bei Agrar-Diesel sei eine Ermäßigung von 21 Cent pro Liter, und die Kfz-Steuerbefreiung rühre daher, weil Landwirte ja auf ihren Feldern fahren und nicht auf der Straße.
„Die Sparpläne der Bundesregierung führen dazu, dass die Perspektiven für Junglandwirte immer schlechter werden und die Bereitschaft sinkt, den elterlichen Betrieb fortzuführen“, so Wilkens. Der Druck sei groß, daher solle nun ein Zeichen gesetzt werden. Ab dem frühen Montagmorgen würden sich die Landwirte aus den Landkreisen Stade und Cuxhaven mit ihren Treckern auf den Weg in Richtung Hamburg machen, allerdings ohne festes Ziel. „Der Weg ist das Ziel“, so Wilkens, und der führe über Stade und die B73 oder das Alte Land.
Trecker werden den Verkehr beeinträchtigen
Es würden keine Barrikaden gebaut, sondern der Verkehr verlangsamt, führt der Landvolk-Geschäftsführer weiter aus. Da die Frustration groß sei, werde mit der Beteiligung von einigen Hundert Landwirten aus der Region gerechnet. Es gebe keinen Masterplan für den Protest, jeder/jede starte, wie es in den eigenen Betrieb passe; aber es könnten durchaus manche Kollegen sehr früh unterwegs sein. Und die Aktionen beschränkten sich nicht nur auf Montag.
In der zweiten Wochenhälfte werde das Gespräch mit den Landtagsabgeordneten gesucht, so Wilkens. Für den 15. Januar hat das Landvolk einen Bus nach Berlin gechartert. Möglicherweise beteiligen sich Landwirte aus dem Landkreis an der Sternfahrt dorthin. Am 15. Januar soll es eine Großdemonstration in Berlin geben. Denn in der dritten Januarwoche wird die Entscheidung im Haushaltsausschuss des Bundestages über den Bundeshaushalt 2024 erwartet.
Teilnahme müssen Landwirte gut vorbereiten
Einer der protestierenden Landwirte wird Helge Soltau aus Assel sein. Er will mit zwei Schleppern anrücken. Soltau hat einen Milchvieh- und Ackerbaubetrieb, den er mit drei Angestellten bewirtschaftet. Wenn die Kürzungen in Gänze umgesetzt werden, „kostet uns das mehr als 30.000 Euro; das ist fast schon eine ganze Stelle“, sagt er. Da er Mitarbeiter nicht einsparen könne, würden er und seine Familie diese Mehrkosten zu spüren bekommen. Die Teilnahme am Protest müsse gut vorbereitet werden, schließlich müssen die Tiere im Stall weiter versorgt werden. „Wir werden für zwei Tage die Arbeit auf das Nötigste runterfahren, so dass ich mit jeweils zwei Mitarbeitern an den Protesten teilnehmen kann“, sagt Soltau.
Indirekt beteiligt sich auch die Raisa an dem Protest. „Wir werden dafür Sorge tragen, dass unsere Kundschaft ihre Futtermittel bereits am Sonnabend und Sonntag bekommt, da wir unseren Fuhrpark am Montag voraussichtlich nicht bewegen können“, sagt Benjamin Ney von der Raisa. Er geht davon aus, dass es ab Wochenbeginn ein großes Chaos auf den Straßen geben wird. „Vielen ist nicht bewusst, was da auf uns zukommt.“ Direkt beteiligen an dem Protest könne sich die Raisa als Genossenschaft nicht. Nichtsdestotrotz nimmt sie auf ihrer Homepage klar Stellung: „Wir unterstützen die berechtigten Proteste der Landwirtschaft gegen die einseitigen Sparmaßnahmen der Regierung!“

So war es am 20. Dezember: Trecker-Kolonnen legten den Verkehr in Stade lahm. Foto: Vasel
Stephan Ruppe, der bei Retralog für den Bereich Spedition zuständig ist, erklärte, dass sein Unternehmen erst am 15. Januar bei der Sternfahrt mitmachen wird, „da die Bundesregierung Adressat des Protestes ist.“ Pape Logistics aus Hollern-Twielenfleth dagegen wird sich nicht an den Demonstrationen beteiligen, wie Mit-Geschäftsführer Mirko Pape auf Anfrage erklärte.
Auch die FRS Elbfähre, die Niedersachsen mit Schleswig-Holstein verbindet, ist beim Protest nicht dabei. „Wir wollen nicht zwei Regionen voneinander trennen“, erklärte Geschäftsführer Tim Kunstmann auf Anfrage, „wichtige Transportwege müssen weiter möglich sein. Außerdem ist die Binnenschifffahrt nach den bisherigen Entwürfen der Bundesregierung von der Steuerthematik nicht betroffen.“
Polizeisprecher empfiehlt Gelassenheit
Die Stader Polizei bereitet sich unterdessen auf die Protestwoche vor. Wie Sprecher Rainer Bohmbach erklärte, werde mehr Personal eingesetzt, zum einen, um einen möglichst reibungslosen Straßenverkehr zu ermöglichen, aber auch, um die Ausübung des Demonstrationsrechts zu gewährleisten.
In einer Pressemitteilung der Polizeidirektion Lüneburg werden Verhaltensregeln für Verkehrsteilnehmer und Demonstranten genannt. „Wir empfehlen allen Beteiligten, die nötige Gelassenheit mitzubringen.“ Wer kann, solle zu Hause bleiben und im Homeoffice arbeiten. „Alles ist möglich: von entspannter Lage bis zu einem streckenweisen Stillstand“, so Bohmbach. Eines sei aber verboten: Das Befahren der Autobahn mit Treckern ist nicht zulässig.
Der Landkreis Stade warnte ebenfalls: „Auch in den Nachbarkreisen startende Protestfahrten mit dem Ziel Hamburg werden voraussichtlich durch den Landkreis Stade führen.“ Den ganzen Tag über sei am Montag mit Verkehrsbehinderungen, insbesondere auf der Bundesstraße 73 und den Zufahrtstraßen, zu rechnen. Beeinträchtigungen werde es wegen weiterer Protestaktionen auch im Laufe der Woche geben.
Kein Schulausfall im Landkreis
„Die Schülerbeförderung findet nach derzeitigem Kenntnisstand wie geplant statt, es kann jedoch zu Verspätungen bei den Abfahrten und zu längeren Fahrtzeiten kommen“, teilte der Landkreis am Freitag mit. „Eine Grundlage für einen flächendeckenden Ausfall des Präsenzunterrichts im Landkreis Stade sehen wir aktuell nicht“, erklärte der Erste Kreisrat Thorsten Heinze. „Eine akute Gefährdungslage – wie sie etwa bei Blitzeis vorliegen würde – ist nicht zu erwarten.“ Sollte sich daran etwas ändern, werde der Landkreis Stade bis Sonntagabend darüber informieren. Ein Schulausfall am Montag oder an einem der darauffolgenden Tage würde wie üblich über die Internetseite des Landkreises, die Social-Media-Kanäle, die Schulausfall-App und Rundfunkdurchsagen bekanntgemacht werden.
Der Busverkehr der KVG wird laut Landkreis aufrechterhalten. Die Linienbusse könnten aber ebenso von Verzögerungen betroffen sein. Die KVG informiert über mögliche Nachholfahrten auf ihrer Internetseite.
Landesregierung fordert Stopp der Bundespläne
Die Landwirte sind nicht allein mit ihrem Protest. Die niedersächsische Landesregierung und fünf landwirtschaftliche Verbände gaben am Donnerstag eine Pressemitteilung heraus: Sie fordern, dass die Pläne zur Erhöhung der Mineralölsteuer für Agrar-Diesel und zur erstmaligen Erhebung von Kfz-Steuern für landwirtschaftliche Fahrzeuge gestoppt werden.
„Dass die Agrar-Diesel-Beihilfe nun in mehreren Schritten reduziert werden und bis 2027 ganz wegfallen soll, kann uns nicht zufriedenstellen“, kommentierte die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne). Aus ihrer Sicht sei der Zeitraum zu kurz, um bis dahin Alternativen zu entwickeln. „Alles muss zurückgenommen werden“, betont Landvolk-Geschäftsführer Wilkens, „davon werden wir nicht abrücken.“