TLeben mit dem Lärm: Diese B-73-Anwohner fühlen sich vergessen

Die Anwohner der Straße Vor dem Berg leiden unter Verkehrslärm und fühlen sich vergessen. Foto: Stehr
Sie wohnen direkt an der Bundesstraße und doch im Niemandsland, sagen die Bewohner einer kleinen Sackgasse. Warum sie sich nicht nur in Bezug auf Lärmschutz abgeschnitten fühlen.
Stade. Günter Heins weiß noch, wie er als Kind Anfang der 1950er Jahre mit dem Schlitten vom Schwarzen Berg bis in die Wiesen gerodelt ist. Damals gab es die B73 noch nicht. 1957 wurde dann ein Teil der Straße Am Schwarzen Berg durch den Trassenverlauf der neuen Umgehungsstraße (B73) abgeschnitten.

1957 wird die Trasse der heutigen B 73 angelegt. Ein Teil der im Bogen geführten Straße Am Schwarzen Berg wird durch den neuen Trassenverlauf abgeschnitten. Der abgetrennte Teil wird umbenannt in Vor dem Berg. Foto: Stade im Rückblick, Hans-Otto Schlichtmann

Zeitreise ins Jahr 1958. Ein Ochsengespann fährt auf der neuen Umgehungsstraße, der B 73. Rechts sind die Häuser vom Streuheiden- und Heidbecker Weg zu sehen. Foto: Stade im Rückblick, Hans-Otto Schlichtmann
Der abgetrennte Teil wurde umbenannt in Vor dem Berg. In dieser Straße, die von der B74 abgeht, wohnt Günter Heins noch heute mit seiner Frau Anke. Insgesamt stehen hier vier Häuser unweit der großen Kreuzung B73/Bremervörder Straße.
Leben im Niemandsland an der Bundesstraße
„Im Niemandsland“, sagt Karin Heins. Sie lebt mit ihrem Mann Johann ebenfalls schon viele Jahre hier. Sie und ihre Nachbarn fühlen sich manchmal buchstäblich abgeschnitten. Hier gebe es kein schnelles Internet, einige Häuser seien nicht an das öffentliche Wasser- und Abwassernetz angeschlossen. „Und vor allem beim Thema Lärmschutz werden wir vergessen“, sagt Karin Heins. Ihr Haus steht 20 Meter von der Bundesstraße entfernt. Nur die schmale Straße Vor dem Berg, eine Leitplanke und ein paar lichte Bäume liegen dazwischen.

Johann Heins misst regelmäßig den Schallpegel vor seiner Haustür. Foto: Stehr
Johann Heins misst regelmäßig den Schallpegel vor dem Haus. An einem ganz normalen Wochentag liegt dieser meistens deutlich über 70 dB (A). Unter dB (A) versteht man den bewerteten Schalldruckpegel. Er bezieht sich auf die menschliche Wahrnehmung und zeigt, wie laut etwas empfunden wird, während sich dB auf die Stärke eines Schalls bezieht. Ein schreiendes Baby und ein Motorrad erreichen beide 80 bis 100 dB, aber der relative Schalldruck des Motorrads ist viel höher. Beim Rasenmähen wird ein Schallpegel zwischen 70 und 80 dB erreicht.
Aggressives Fahren
T Posen, protzen, provozieren: Autoposer rasen durch Stade und sorgen für Ärger
Genau wie die Anwohner des Wohngebiets Bronzeschmiede (das TAGEBLATT berichtete) empfinden Heins und seine Nachbarn besonders den Lärm in der Nacht als schlimm. Vor allem, wenn Rettungswagen ihr Martinshorn eingeschaltet haben oder Motorräder und Autoposer aufdrehen. Da brächten auch die Schallschutzfenster nicht viel, die sich Johann und Karin Heins vor einigen Jahren haben einbauen lassen. Immerhin sei die Maßnahme bezuschusst worden. „Dass das möglich ist, haben wir nur zufällig erfahren“, sagt Karin Heins.
Die am meisten befahrene Straße im Landkreis
Als ihre Häuser gebaut wurden, konnte sich wohl noch niemand ausmalen, wie stark der Verkehr auf der B73 über die Jahrzehnte zunehmen würde. Die Bundesstraße ist die am meisten befahrene Straße im Kreis. Im Schnitt sind hier täglich mehr als 10.000 Fahrzeuge unterwegs, in einigen Abschnitten sogar deutlich mehr als 20.000 (Verkehrsmengenkarte, Stand: 2021).
Karin Heins und ihre Nachbarn verstehen nicht, warum nicht längst mehr Lärmschutzwände gebaut wurden und warum Bürger offenbar immer erst klagen oder selbst aktiv müssen, bevor - vielleicht - etwas passiert.
Lärmschutzwände sind nicht vorgesehen
Die Dinge selbst in die Hand genommen hat Johann Tiemann, der am Ende der kleinen Straße wohnt. Er hat vor Jahren ein kleines Wäldchen angelegt und einen Wall aufgeschüttet. Der Straßenlärm ist trotzdem noch zu hören. Und das wird wohl auch weiterhin so bleiben.

Johann Tiemann hat vor Jahren selbst einen Wall aufgeschüttet, um sich gegen den Verkehrslärm zu schützen. Laut ist es trotzdem noch. Foto: Stehr
Der Bau von Lärmschutzwänden - wie im Bereich zwischen Thuner Straße und Autobahn geplant - ist Vor dem Berg derzeit laut Lärmaktionsplan der Stadt Stade nicht vorgesehen. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten sollte aber geprüft werden, inwieweit besonders lärmmindernde Fahrbahnbeläge eingebracht werden können.