TLetzte Generation: Zevener soll für Polizeieinsatz am Flughafen zahlen

Polizisten tragen am Asphalt festgeklebte Aktivisten, hier Fabian Beese, der Gruppierung Letzte Generation am Deisterkreisel in Hannover von der Straße. Foto: Julian Stratenschulte
Erste Gebührenbescheide von der Polizei Köln flatterten in den Briefkasten von Fabian Beese. Der Zevener hatte sich mit der Letzten Generation auf das Rollfeld des Flughafens Köln-Bonn geklebt.
Zeven. Die sogenannte Letzte Generation vor den Kipppunkten kündigte vor Weihnachten an, ihren Namen ändern zu wollen. „Weil sich die Zeiten ändern und wir jetzt schon mittendrin sind im Klimawandel“, erläutert Fabian Beese. Als Beispiel nennt er die Brände in Kalifornien, die ihn „echt traurig machen“. Dem jungen Zevener gehen diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf.
„Menschen verzweifeln, weil ihr Hab und Gut in den Flammen zerstört wird.“ Dass das Feuer dort so wütet, bestärkt den Zevener in seiner Haltung. „Der Protest war auf jeden Fall richtig und ist es auch in Zukunft“, ist er vom Engagement für die Letzte Generation überzeugt.

Fabian Beese bringt einen ganzen Aktenordner mit zum Gespräch. Die Papiere dokumentieren alles rund um die 35 Aktionen mit der Letzten Generation. Foto: Harder-von Fintel
Welche Aktionen geplant sind, möchte er konkret nicht erzählen. Vor März wird es diesbezüglich keine Details für die Öffentlichkeit geben. Aber eins steht fest: Die Gruppe wird wieder lautstark von sich hören lassen. „Fakt ist, dass es für mich eine Lebensaufgabe werden wird und ich mich immer wieder an solchen Protesten beteiligen werde.“ Flughafen-Blockaden soll es aber wohl nicht mehr geben.
Letzte Generation sucht neuen Namen
Wie sich die Gruppe zukünftig nennen wird, steht laut Beese bisher nicht fest, die Mitglieder können Vorschläge machen. Nicht geändert hat sich hingegen die Gemeinschaft, die die Mitglieder weiter ausbauen wollen. Die breite Masse der Gesellschaft soll erreicht werden und die Dramatik der Klimasituation erkennen. „Es ist aber klar, dass ein großer Teil das nicht wahrhaben möchte und die Klimakrise verdrängt.“
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Die provokanten Aktionen der Aktivisten sind in der Bevölkerung nicht gut angekommen, die Letzte Generation ist den Bürgern in schlechter Erinnerung. Warum das so ist, versucht der Zevener zu erklären.
„Weil die Gesellschaft mit der Klimakrise nicht umgehen kann und es beängstigend findet, was auf uns zukommt. Wir kennen alle die Überflutungen, das Ganze kommt immer näher und bereitet der Gesellschaft Sorge.“
Klimaschützer erfahren mehr Gewalt
Negative Reaktionen erreichen Fabian Beese hautnah. „Je öfter und dringlicher wir auf das Klima aufmerksam machen, desto mehr Gewalt erfahren wir dafür.“ Der Zevener blickt mit Sorge auf die Gesellschaft, „die sich immer mehr für den Faschismus entscheidet“. Das bereitet ihm Angst. „Solche Leute haben nicht das Recht, uns für Aktionen für den Klimaschutz zu verurteilen.“

Fabian Beese bei seinen Aktionen mit Mitgliedern der Letzten Generation. Vor das Berliner Nobelhotel Adlon haben sie grüne Farbe gekippt, um auf Greenwashing hinter verschlossener Tür aufmerksam zu machen. Im Adlon fand zu dem Zeitpunkt ein Treffen von Gas-Lobbyisten mit Politikern statt. Foto: Letzte Generation
Er möchte der Gesellschaft keinen Vorwurf machen, denn viele junge Leute engagieren sich seines Wissens nach für eine bessere Zukunft. Aber ein Großteil verdränge die Situation mit der Natur noch immer. „Ich würde mir wünschen, dass wir die Katastrophe ein Stück weit anerkennen und uns bewusst machen, was auf uns zukommt.“ Der Zevener protestiert nicht, weil es ihm Spaß macht, betont er. „Ich bin aber mega besorgt und habe viel Angst. Ohne Ehrlichkeit, Haltung und Hinschauen auf das, was meinem Kind droht, kann ich nicht Vater sein, wenn ich meinem Kind in die Augen schaue.“ Er hat einen dreijährigen Sohn.
Aktenordner erinnert an 35 Aktionen
Der 27-Jährige hat derzeit andere Sorgen als die große Namensänderung der Letzten Generation. Insgesamt war er an 35 Aktionen mit der Gruppe beteiligt. Unter anderem blockierte er Straßen, drang auf den Flughafen Sylt ein, kippte grüne Farbe vors Berliner Nobelhotel Adlon, um auf Greenwashing aufmerksam zu machen, klebte sich auf dem Flughafen Köln-Bonn fest und pflanzte Bäume auf dem Rollfeld in Kassel. Jetzt soll er für die Flughafen-Blockade im Sommer zahlen.

Der Zevener Fabian Beese wird auf Sylt von der Polizei begleitet. Mitglieder der Letzten Generation hatten sich hier zu Protestaktionen am Flughafen verabredet. Foto: Letzte Generation
Den Gebührenbescheid der Kölner Polizei hat er abgeheftet, dieser reiht sich nun ein in einen Stapel Papiere: Gerichtsbeschlüsse, Anwaltsschreiben und Betretungsverbote füllen mittlerweile einen ganzen Aktenordner. „Polizeigebühren sind blöde, aber die Opfer der Klimakrise wären froh, wenn sie solche kleinen Probleme hätten. Die Lufthansa hat für die zwei Flughafen-Blockaden in Köln-Bonn Akteneinsicht beantragt. Wohl, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Und ich muss dafür aufkommen. Der Schmerz ist aber erträglich, auch wenn ich das Geld viel lieber den Opfern geben möchte und eben nicht einem Unternehmen, das diese Katastrophe weiter befeuert“, erklärt der Zevener.
Klimaschützer: „Strafen unverhältnismäßig“
Um es kurz zu machen: Fabian Beese wird die bisher geforderten Gelder in Höhe von rund 7000 Euro nicht zahlen können, aber dies bewegt ihn angesichts der zunehmenden Klimakatastrophe auch kaum. Die bereits verhängten Haftstrafen für andere Mitglieder der Letzten Generation bezeichnet er als unverhältnismäßig. Von Sachbeschädigung möchte er nichts wissen, denn die Farbe auf den Flugzeugen oder an Gebäuden sei in der Regel abwaschbar.
Haftstrafe könnte dem Vater bevorstehen
Die Aktionen und das fehlende Geld für die Strafen könnten den Zevener eines Tages ins Gefängnis bringen. Er würde für seine Taten einstehen, „sonst würde ich die Proteste nicht leisten“. Er stellt sich aber die Frage, in welchem Verhältnis eine Haftstrafe steht, wenn er sich die Folgen der Klimakrise anschaut, die gerade auf die Bevölkerung einprasseln und Menschen ihre Existenz nehmen.
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„Ich glaube, dass eine Haftstrafe für mich im Verhältnis zur Klimakrise als Urlaub betrachtet werden kann“, denkt der 27-Jährige. Kann er das wirklich ernst meinen? „Eine Haftstrafe wird im übertragenen Sinne ein Wohlfühlort sein, wenn man es mit der eskalierenden Klimakrise und den Folgen vergleicht“, unterstreicht er auf Nachfrage.
„Natürlich habe ich davor Angst. Ich habe mir zwei Wochen lang den Kopf zerbrochen, nachdem ich Zeitungsartikel über die Gewalttaten in Gefängnissen gelesen hatte. Aber ich denke mir, dass ich eine Haftstrafe aushalten kann“, sagt er. „Ja, das meine ich ernst und dazu stehe ich zu 100 Prozent“, schiebt er nach. Natürlich wünscht sich der junge Vater, dass es nicht so kommt und er auf freiem Fuß bleiben kann.
Forderungen an neue Regierung bleiben
Am 23. Februar wird in Deutschland gewählt. Von einer neuen Regierung verspricht sich der Zevener „Ehrlichkeit und Anerkennung“. An den Forderungen an die Politik hat sich nichts geändert, die Aktivisten möchten den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, dabei bleibt es. Die Themen der Klimakrise gehören für ihn angesprochen, ins Gedächtnis gerufen und dürfen nicht länger von der Politik geleugnet werden. „Es geht um die Zukunft der Kinder und nicht um höhere Löhne oder Rente. Das ist ein so wichtiges Thema für alle“, meint er.
Persönlich hofft Fabian Beese im Jahr 2025 auf mehr Menschlichkeit und gute Gespräche. Der 27-Jährige wünscht sich, dass Menschen ihn akzeptieren, auch wenn sie mit seiner Protestform nicht einverstanden sind. Sie mögen ihn dennoch als Mensch akzeptieren, offener und nicht so hasserfüllt sein.
Hohe Schulden nach Protestaktionen
Kürzlich hat er seine Ausbildung erfolgreich in Zeven abgeschlossen, blickt beruflich aber auf keine guten Aussichten mit seinem Engagement für die Letzte Generation. Er plant auf lange Sicht einen Umzug, damit er nicht direkt erkannt wird bei der Jobsuche.
In diesem Jahr wird Fabian Beese in einem Dokumentarfilm zu sehen sein, der auf Filmfestivals und im Netz gezeigt werden soll. Privat erntet er entweder Zuspruch oder blanken Hass für seine Beteiligung an den bundesweiten Protesten.
35 Aktionen hat er auf dem Kerbholz und erwartet dafür noch viel Post. Die wird dann wie der Bescheid aus Köln abgeheftet und nach Datum und Ort sortiert. Viermal wurde er bisher rechtskräftig verurteilt, leistet derzeit Sozialstunden und ist mit 10.000 Euro verschuldet. Die Forderungen von der Flughafen-Blockade kommen obendrauf. Er rechnet damit, dass in Kürze der Gerichtsvollzieher an seiner Haustür klingelt.

Polizisten tragen am Asphalt festgeklebte Aktivisten, hier Fabian Beese, der Gruppierung Letzte Generation am Deisterkreisel in Hannover von der Straße. Foto: Julian Stratenschulte