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24-Stunden-Reportage

TLieber sanft als hart: Altländer Gemüse liebt die Musik von Mozart

Heike zum Felde aus Jork erntet ihr Gemüse im Tunnel am Abend zur Musik von Wolfgang Amadeus Mozart.

Heike zum Felde aus Jork erntet ihr Gemüse im Tunnel am Abend zur Musik von Wolfgang Amadeus Mozart. Foto: Vasel

Heike zum Felde aus Jork liebt Mozart - genauso wie ihr Gemüse. Klassische Musik tut Pflanzen gut, sagt sie. Eine Stunde lang lauscht das TAGEBLATT beim Wachsen.

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Von Björn Vasel
Montag, 28.07.2025, 19:20 Uhr

Jork. In den beiden Gemüsetunneln der Altländerin Heike zum Felde in Jork erklingt Mozart. Sanft wiegen sich die mehr als 3000 Pflanzen auf dem Öko-Obsthof am Ende der Gartenstraße im leichten Wind. Zur Musik? Aus dem Lautsprecher erklingt jedenfalls das viersätzige Quintett für Klarinette, Violinen, Viola und Violoncello von Wolfgang Amadeus Mozart von 1789. Die abendliche Sonne taucht die Tunnel in ein magisches, leicht rötliches Licht. Der Besucher taucht in eine andere Welt ein - in eine Oase der Ruhe.

Altänderin setzt auf Mozart und Gemüse

Das Klarinettenquintett A-Dur KV 581 gilt als das Meisterwerk der Kammermusik. Es war das erste Klarinettenquintett des Genies. Die Musik strahlt eine melancholische Heiterkeit, aber auch intensive Ruhe und Gelassenheit aus. Für den deutschen Komponisten und Dirigenten Richard Strauss (1864-1949) stand diese Komposition für die „ganze Skala des Ausdrucks menschlichen Empfindens“. Doch das alles wissen die Rote Beete, der Spitzkohl, der Mangold und die Zucchini nicht. Sie genießen schweigend. Nur Vogelgezwitscher ist zu hören.

Heike zum Felde beschallt ihr Gemüse aus der Partybox.

Heike zum Felde beschallt ihr Gemüse aus der Partybox. Foto: Vasel

Heike zum Felde ist überzeugt: „Die positive Energie der Musik spüren nicht nur Menschen.“ Seit 2018 baut sie auf dem Öko-Obsthof auch Gemüse an. Ein Geschäft in der Nische. Der Schwerpunkt des Familienbetriebs liegt auf dem Apfelanbau und -handel. Lange Zeit habe sie auf dem Isemarkt in Hamburg gestanden. Doch der Kontakt mit den Menschen habe ihr gefehlt. Zum Felde wollte sich wieder mit Kunden über Gott und die Welt austauschen. Deshalb kam sie vor sieben Jahren auf die Idee, ihren Garten tageweise für Besucher (und Kunden) zu öffnen.

Ihr Ansatz: In den Tunnel gehen, fühlen, riechen, sich bei klassischer Musik erden, miteinander plauschen - und zu gu­ter Letzt einen Korb voll mit frischem Gemüse, Eiern und Obst aus dem Alten Land mit nach Hause nehmen. Viele Kunden seien „ganz ergriffen und beseelt“, wenn sie bei Kaffee und Kuchen auf der Bank oder auf einem der Stühle in dem großen Gemüsetunnel sitzen und bei Wolfgang Amadeus Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ auf die mehr als 20 Gemüsesorten blicken. Besucher und Besucherinnen laden sich wieder auf. „Mir geht es nicht nur um das Gemüse“, sagt die Jorkerin.

Auch kleine, intime Live-Klassikkonzerte locken mittlerweile Gäste in ihren Gemüsetunnel. Der steht im Schatten alter Kirschbäume, unter denen Hühner picken. Heikes (MO)zartes Bio-Gemüse kommt an, im Jahr 2021 berichtete das TAGEBLATT über die Anfänge. Mittlerweile baut sie Gemüse, Tomaten und Kräuter in zwei großen Tunneln an.

Zehn Jahre lang einen Weinberg beschallt

Auf Außenstehende mag das alles „etwas spooky“ wirken, gesteht zum Felde, während sie auf ihrem Smartphone auf die Playlist schaut. Doch die Altländerin verweist auf Studien und die heilsame Wirkung von Musiktherapien. Erst stand die klassische Musik in ihrem Garten nur für sie auf ihrer Titelliste, erzählt sie bei der Mangoldernte. Doch Schwingungen könnten eine positive Wirkung entfalten - auf Mensch, Tier und Pflanze. Ihre Erfahrung: Musik fördere Geschmack, Wachstum und Pflanzengesundheit. Ihre Tunnel wirkten wie ein Garten Eden.

Sie untermauert ihre These unter anderem mit einer Studie des anerkannten italienischen Professors Stefano Mancuso von der Universität Florenz. Dort leitet er als Direktor das Internationale Laboratorium für Pflanzenneurobiologie. Aus seiner Feder stammen weltweite Bestseller wie „Die Intelligenz der Pflanzen“. Zehn Jahre lang, von 2003 bis 2013, beschallte der Wissenschaftler in der Toskana im Zuge einer Langzeitstudie einen Weinberg mit der Musik von Mozart, Vivaldi & Co.

Die Trauben der Reben, die in den Genuss klassischer Musik kamen, waren laut Mancuso aromatischer und fruchtbarer als die unbeschallten. Des Weiteren seien die beschallten Reben kräftiger gewesen und hätten mehr Laub getragen. Hinzu komme, dass die Pflanzengesundheit der Klassik-Reben bei dem Feldversuch besser gewesen sei. Heike zum Felde zeigt auf ihr Gemüse und die größeren Blätter. Die harmonischen Töne von Mozart „wirken“ offenbar nicht nur auf dem Hängen der Toskana, sondern auch im Alten Land wie ein Wachstumsbooster.

Die Blätter werden größer, ist ihr Eindruck.

Die Blätter werden größer, ist ihr Eindruck. Foto: Vasel

Mozartes Gemüse sei für sie keine Geschäftsmasche. Sie glaube daran, betont sie. Und auch deutsche Wissenschaftler stützen ihre Erfahrung als Erzeugerin. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt bezeichnete Dr. Julia Kehr, Professorin für molekulare Pflanzengenetik an der Universität Hamburg, die Mancuso-Studie als „wissenschaftlich durchaus glaubhaft“. Laut Mancuso haben Pflanzen 20 Sinne.

Sie haben keine Ohren. Doch sie reagieren offenbar auf Musik, weil sie die ausgelösten Vibrationen wahrnehmen. Zum Felde setzt wie der Florentiner auf die sanften Töne. Im Grunde seien Gemüsepflanzen eigentlich Kulturbanausen, die Pflanzen reagierten lediglich auf Vibrationen. Klassik löse „leichten Stress aus“, so Kehr. Dieser „ist gut“ - ähnlich wie beim Menschen. Die Pflanze fühle sich wohler und werde robuster, beim Wein steige der Zuckergehalt der Früchte.

Heavy Metal spielt die Jorkerin nicht. Und das ist gut - aus Sicht der Wissenschaft. Die Schwingungen von Iron Maiden oder Black Sabbath und die hohe Lautstärke würden bei Pflanzen zu viel Stress auslösen. Diese Aussage wird auch durch die Forschungen des französischen Physikers Joel Steinheimer gestützt. Der kam bei seiner Studie mit Tomaten zu dem Schluss, dass sanfte Töne sich positiv auf das Wachstum auswirken und Metal weder Obst noch Gemüse gut tut.

Mozart war ein Wunderkind, seine Musik ist kein Wundermittel

Allerdings vollbringt Mozart auch keine Wunder: Musik allein sichert den Anbau nicht. Läuse lassen sich nicht vom Klang der Musik verführen, Klassik macht die Pflanzen nicht resistent gegen Schädlinge. So setzt zum Felde bei der Bekämpfung saugender, beißender und blattminimierender Schädlinge auf Neem. Das aus dem Samen des Neembaums gewonnene Öl wird auf dem Bio-Betrieb als natürliches Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Die Jorker stellten bereits im Jahr 1996 auf den ökologischen Anbau um und wirtschaften bei Obst und Gemüse sowohl nach Naturland- als auch nach Demeter-Richtlinien.

Das Gemüse und die Tomaten wachsen - mit Mozart als Hintergrundmusik.

Das Gemüse und die Tomaten wachsen - mit Mozart als Hintergrundmusik. Foto: Vasel

Regelmäßig lädt sie zur Ernte- und Klönschnackzeit in ihren Gemüsegarten ein, immer dienstags und freitags von 13 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 10 bis 12 Uhr. Auf ihre Gäste freue sie sich „wie Bolle“. Ihr Wunsch, einen Ort zu schaffen, der Menschen bei Mozart und einem netten Plausch für einen wunderbaren Moment zusammenbringt, habe sich erfüllt. Einige alte Kunden vom Isemarkt waren jedenfalls zu Tränen gerührt.

Mit der Schubkarre bringt zum Felde die Ernte ein, vorne ist die Sitzgruppe für die Besucher und Kunden zu sehen.

Mit der Schubkarre bringt zum Felde die Ernte ein, vorne ist die Sitzgruppe für die Besucher und Kunden zu sehen. Foto: Vasel

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