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Bundestagswahl

TLinke-Kandidat Benjamin Koch-Böhnke will sich mit den Reichen anlegen

Benjamin Koch-Böhnke an einem seiner Lieblingsorte: in Jan Iso Jürgens Plattenladen „Isovinyl" in Buxtehude.

Benjamin Koch-Böhnke an einem seiner Lieblingsorte: in Jan Iso Jürgens Plattenladen „Isovinyl" in Buxtehude. Foto: Richter

Als Treffpunkt hat er sich einen Kult-Plattenladen in Buxtehude ausgesucht. Im Hintergrund singt Udo Lindenberg. Das passt, sagt Benjamin Koch-Böhnke. Ein Porträt.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 19.02.2025, 05:50 Uhr

Buxtehude. Die Scheibe, die sich auf dem Plattenteller dreht, heißt „Bunte Republik Deutschland“ und ist von 1989. Udo Lindenberg hat sich über das Thema Migration, das aktuell den Bundestagswahlkampf bestimmt, schon damals Gedanken gemacht: „Ist doch egal ob du‘n Italdieser bist/ Oder‘n Italjener/ Egal, ob du‘n fescher Deutscher bist/ oder‘n Türke, n schöner...

Benjamin Koch-Böhnke war damals erst elf Jahre alt, aber mit Udo sei er eben auf einer Wellenlänge. Migration ist für den Bundestagskandidaten der Linken allerdings nicht das wichtigste Wahlkampfthema. Das ist soziale Gerechtigkeit: „Wir legen uns mit den Reichen an, und das müssen wir auch.“ Die Vermögenssteuer, die 1997 nicht offiziell abgeschafft, sondern lediglich ausgesetzt wurde, müsse unbedingt wieder eingeführt werden.

Eine Versicherung für alle statt Drei-Klassen-Medizin

Auch die medizinische Versorgung hat Benjamin Koch-Böhnke im Visier: „Wir haben ja nicht nur eine Zwei-Klassen-Medizin, sondern sogar eine Drei-Klassen-Medizin.“ Was er damit meint: die unterschiedliche Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten und Unterschiede bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen.

Dann gibt es noch die Menschen, die gar nicht versichert sind, laut Statistischem Bundesamt rund 61.000. Es sei schwierig, ins System zurück zu kommen, wenn man einmal herausfällt, sagt Koch-Böhnke. Die Linke fordere eine Gesundheits- und Pflegeversicherung für alle.

Früher war Benjamin Koch-Böhnke mal SPD-Mitglied. Doch die Agenda 2010 und „der Rechtsruck unter Gerhard Schröder“ sorgten dafür, dass er, der schon als Schüler Juso wurde, aus der Buxtehuder SPD austrat. „Nicht ich habe die SPD verlassen. Die SPD hat mich verlassen“, sagt Koch-Böhnke. Willy Brandt ist bis heute sein Lieblingspolitiker.

Benjamin Koch-Böhnke hat Fachkraft für Lagerwirtschaft gelernt, ist heute Busfahrer bei der KVG und kommt, wie er mit hörbarem Stolz berichtet, aus einer Arbeiterfamilie. „Damals gab es das Aufstiegsversprechen durch Bildungschancen: Egal, ob du Geld hast oder nicht - ein Aufstieg ist möglich.“ Eltern hatten die Hoffnung, dass es ihren Kindern einmal besser geht als ihnen. Damit sei es jetzt vorbei.

Sein Vater sage ihm heute: „Ich kann froh sein, dass ich schon Rentner bin und nicht in 20, 30 Jahren in Rente gehen muss wie du.“ Die Enttäuschung habe nicht nur die SPD, sondern auch das Arbeitermilieu zersplittern lassen. Einige liefen der AfD zu. „Das sind gekränkte Seelen. Die fühlen sich nicht gehört“, sagt Benjamin Koch-Böhnke.

Trost für die gekränkte Arbeiterseele

Er will das ändern. Vor allem, indem er mit Menschen redet - in seiner Stammkneipe, auf der Straße oder im Kultladen „Isovinyl“ am Buxtehuder Fleth, wo Inhaber Jan-Iso Jürgens die Udo-Lindenberg-Scheibe gleich für ihn beiseitegelegt hat, weil er den Geschmack seiner Stammgäste kennt. „Ich rede mit den Leuten in gemütlicher Umgebung. Nicht als Politiker, sondern als der Benny. Im persönlichen Gespräch erreichst du ganz viel.“

Zurzeit scheint die Linke viele Menschen zu erreichen. Bundesweit verzeichnet sie mit mehr als 81.000 eine Rekordzahl an Parteimitgliedern. Vor Ort auch: „Letztes Jahr habe ich noch stolz erzählt, dass wir im Kreisverband inzwischen 50 Mitglieder haben. Jetzt sind wir 120.“ Koch-Böhnke rechnet damit, dass die Linke die Fünf-Prozent-Hürde nimmt und rund um Buxtehude sogar sechs Prozent der Stimmen erhält.

Die Brandmauer macht ihm Sorgen

Weniger optimistisch stimmt ihn die Brandmauer-Problematik. Koch-Böhnke hat es abgelehnt, bei der großen Demo des Bunten Blocks in Buxtehude mit den anderen demokratischen Parteien auf die Bühne zu gehen, um ein gemeinsames Statement für die Demokratie vorzutragen. Das Statement war längst abgestimmt, aber dann stellte Merz seinen Migrationsantrag, der nur mit den Stimmen der AfD durchkam.

Ist er durch die Absage nicht zum Spalter des demokratischen Lagers geworden? „Ich stelle das Bündnis nicht infrage. Aber in Berlin hat ein Dammbruch stattgefunden und der Vorsitzende der Buxtehuder CDU hat sich davon keinen Deut distanziert.“ Unter diesen Umständen könne er sich nicht mit auf die Bühne stellen. „In der Politik muss man kompromissbereit sein. Aber die Richtung muss stimmen“, sagt Benjamin Koch-Böhnke. Dann verabschiedet er sich. Der Busfahrer muss zum Schichtbeginn pünktlich sein. Die Lindenberg-Platte nimmt er mit.

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Benjamin Koch-Böhnke-Linke (Linkspartei) bei der TAGEBLATT-Podiumsdiskussion in der Kutenholzer Festhalle.

Benjamin Koch-Böhnke-Linke (Linkspartei) bei der TAGEBLATT-Podiumsdiskussion in der Kutenholzer Festhalle. Foto: Martin Elsen

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