TLohnbetrug: Privatdetektiv überführt krankgeschriebenen Koch

Ein Kameraobjektiv schaut aus einem Autofenster heraus. Allerdings hat der Gesetzgeber der Überwachung von Personen enge Grenzen gesetzt. Foto: Sebastian Kahnert
Sherlock Holmes lässt grüßen: Scharfe Schlüsse ziehen und Betrüger hochnehmen, ist eine attraktive Aufgabe. Eine Detektei berichtet aus ihrem Alltag.
„Wir sind mehrfach jährlich in Nordenham und im Landkreis Wesermarsch tätig. Meistens geht es dabei um Lohnfortzahlungs- und Arbeitszeitbetrug. Erst letzte Woche hatten wir eine Firma mit Sitz in Tossens als Kunde“, sagt Marcus Lentz. Der 55-Jährige ist Seniorpartner und Gründer der Detektei Lentz mit Sitz in Frankfurt am Main.
Das Unternehmen übernimmt bundesweit rund 4500 Auftragsmandate jedes Jahr. Bei etwa 3800 davon handelt es sich um Firmenaufträge. Der Lohnfortzahlungsbetrug im Krankheitsfall tritt vielfach in Tateinheit mit dem Gebrauch falscher Gesundheitszeugnisse auf. Das bedeutet, jemand hat sich krankschreiben lassen, erscheint nicht zur Arbeit, fährt stattdessen in den Urlaub oder verdient an anderer Stelle Geld.
Oder aber der Mitarbeiter hält sich zum Beispiel im Homeoffice nicht an die Arbeitszeit. Er kommt und geht, wann er will. Dann besteht der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug. Solche Fälle bringen die Detektive zehn bis zwölf Mal im Jahr nach Nordenham.
Kranker Koch arbeitet in Geestemünde
„Im Januar haben wir einen Koch observiert, der in einem Hotel an der Weser angestellt war. Er meldete sich immer wieder krank und es gab Gerüchte, dass er eine Selbstständigkeit in Erwägung zieht. Die Mandanten entschlossen sich, dieses Verhalten überprüfen zu lassen. Die eingesetzten Detektive stellten fest, dass er während seiner Krankschreibung auf der anderen Weserseite in Geestemünde in einem Restaurant arbeitete. Der Inhaber hatte ihm das Lokal zum Kauf angeboten. Auf diesem Wege wollte sich der Koch wohl einen Überblick über das Geschäft verschaffen“, erzählt Marcus Lentz.
Das Vergehen des Lohnfortzahlungsbetrugs rechtfertigt eine fristlose Kündigung und die Rückforderung der Kosten für die notwendige Überwachung. Die Detektei fungiert dabei als reine Ermittlungsinstanz. Das heißt, sie trägt die Ergebnisse wertfrei zusammen. Welche Konsequenzen der Mandant aus ihnen zieht, ist ihm selbst überlassen.

Marcus Lentz gründete 1995 die Detektei Lentz mit Sitz in Frankfurt. Sie entsendet ihre IHK geprüften Mitarbeiter bundesweit. Foto: Privat
Mitarbeiter im Außendienst zieht höhere Provision ein
Was dürfen Detektive denn eigentlich? Damit der Einsatz eines Detektivs gerechtfertigt ist, „muss das Interesse des Auftraggebers die Persönlichkeitsrechte der Zielperson überwiegen“. Das bedeutet im Bereich der Wirtschaft, dass ein Mitarbeiter, der schwarzarbeitet, dem Unternehmen Schaden zufügt und damit die Interessen des Unternehmens verletzt.
Im privaten Bereich kann das berechtigte persönliche Interesse des Ehepartners sein, zu erfahren, ob er betrogen wird. Um Antworten auf die Fragen zu bekommen, dürfen die Detektive im öffentlichen Bereich Daten sammeln, aufnehmen und dokumentieren. Dagegen sind Fotos vom Inneren einer Wohnung, das Installieren von GPS-Trackern oder die Aufzeichnung von Telefonaten tabu.
Für ein Unternehmen mit Sitz in Bremerhaven überprüften die Detektive einen Außendienstmitarbeiter, dessen Einsatzbereich zwischen Butjadingen und Ovelgönne lag. Der Mitarbeiter war täglich unterwegs, aber er brachte auffällig wenig Aufträge mit. „Wir konnten feststellen, dass der Mann Arbeiten annahm, aber anschließend einen Teil der Aufträge an eine Firma in Wilhelmshaven weitergab. Die zahlte ihm eine höhere Provision“, sagt Marcus Lentz.
So eine Observation ist nicht gerade billig. Im Regelfall werden drei bis vier Detektive eingesetzt. Sie müssen sich im Sichtfeld der Zielperson regelmäßig abwechseln, um sicherzustellen, dass sie über einen längeren Zeitraum unerkannt bleiben. Die Kosten belaufen sich bei der Lentz Gruppe auf 10.000 bis 15.000 Euro pro Woche. Am Ende jeden Tages bekommt der Kunde einen Bericht mit Fotos und Videos.
Wer als Detektiv in Nordenham arbeitet, kommt nicht von hier
Für einen Einsatz in Nordenham werden Mitarbeiter beauftragt, die nicht aus der Region kommen. Sie leben beispielsweise in Frankfurt, Berlin oder München. Für die Dauer ihres Einsatzes wird ihnen eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Sie beziehen Position und beobachten. Dabei ist nicht vorhersehbar, ob die Zielperson den ganzen Tag zu Hause sitzt oder unerwartet in den Urlaub fliegt. Das macht einen Teil des Reizes des Berufs aus.
Wie wird man Detektiv? Wer es ernst meint mit dem Beruf, erwirbt bei der Industrie- und Handelskammer das Zertifikat zum geprüften Privatermittler. Das polizeiliche Führungszeugnis muss einwandfrei sein. Detektive müssen unauffällig bleiben und sich wechselnden Gegebenheiten schnell anpassen können. Ihre Einsätze können sie ins Rotlichtmilieu oder ein schickes Hotel führen.
Hat Marcus Lentz manchmal bei seiner Tätigkeit moralische Bedenken? „Die sollte nur die Zielperson haben, wenn sie ihren Arbeitgeber oder Partner schädigt. Wir tun das, was die Polizei im Strafrecht tut. Wir sind Augen und Ohren desjenigen, der das berechtigte Interesse hat“, sagt er.