TMammutaufgabe: Stader Finanzamt ist mit Grundsteuer noch nicht fertig

Dieses Formular ist vielen Immobilienbesitzern bekannt. Die meisten haben bereits ihren Bescheid zur Grundsteuer erhalten. Foto: Marcus Brandt/dpa
Die Grundsteuer hat viele Menschen beschäftigt - auch beim Finanzamt Stade. Seit gut drei Monaten gilt sie. Eine Bilanz über große Arbeitspakete und krasse Einzelfälle.
Stade. Das war harte Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzamtes Stade. Jetzt ziehen die Verantwortlichen zufrieden Bilanz. Seit zwei Jahren spielte die Grundsteuerreform eine tragende Rolle, verdrängte sogar andere Themen innerhalb der Finanzbehörde. Auch das muss jetzt nachgeholt werden.
Finanzamt Stade musste 94.000 Fälle neu berechnen
Das Bundesverfassungsgericht hatte gesprochen, der Gesetzgeber musste reagieren und eine neue Grundsteuer ins Leben rufen. Fachmann Matthias Mehlis, Oberregierungsrat beim Finanzamt, nennt es rückblickend eine „enorme Herausforderung“. Er und seine Kollegen mussten 94.000 „wirtschaftliche Einheiten“ neu berechnen. Als Grundlage dienten ihnen die Angaben der Immobilienbesitzer im Landkreis Stade, die gezwungen waren, die aktuellen Angaben zu ihrem Grundstück und ihren Gebäuden abzugeben.
Grundsteuerreform
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Auf Basis des vom Finanzamt errechneten Messbetrags errechneten die einzelnen Kommunen die zu zahlende Grundsteuer. Je nach Hebesatz - im Landkreis Stade häufig zwischen 400 und 500 Prozent - fiel die Höhe des Bescheids aus. Die ersten Bescheide wurden verschickt. Für viele mit Überraschungseffekt.
Die neuen Berechnungsgrundlagen führten zu neuen Bewertungen und neuen Zahlungsaufforderungen. Da liegt es in der Natur der Sache, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Beim Gros der Steuerzahler hat sich offenbar nichts Schwerwiegendes verschoben. Aber es gibt Ausnahmen und es gab einen Sack voller Nachfragen.
Seit Januar liefen 5300 Nachfragen ein
5300 Grundstückseigentümer meldeten sich im Zeitraum von Mitte Januar bis Anfang März beim Finanzamt. Das spricht von „Arbeitsanstößen“ und musste reagieren, stellte sieben Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur für die Klärung dieser Fälle ab. Ziel sei es gewesen, keine frustrierten Bürgerinnen und Bürger zu hinterlassen.

Kennen sich bestens mit der Grundsteuer aus (von links): Matthias Mehlis, Finanzamt-Chef Andreas Romeiser und Rebecca Jensma. Foto: Strüning
Fünf von ihnen besetzten die Telefon-Hotline ständig, klärten viele Nachfragen auf diese Weise. 23.500 Telefonate führten sie. Zwei Mitarbeiter waren während der Öffnungszeiten des Finanzamtes in der Harburger Straße persönlich ansprechbar zum Thema Grundsteuer. Das Team habe super funktioniert, loben Mehlis und Finanzamt-Chef Andreas Romeiser. Was sie besonders freut: Nahezu alle Gespräche verliefen sachlich und freundlich. Mehlis: „Es blieb überraschend friedlich.“
Die häufigsten Fehler beim Ausfüllen der Formulare
Häufig sind den Steuerzahlern Fehler beim Ausfüllen der Formulare unterlaufen. Für Ungeübte, das sieht auch das Finanzamt ein, ist die Behörden-Fachsprache auch nicht immer leicht zu verstehen. So brachten viele Begriffe wie Nutz- und Wohnfläche durcheinander. Oder es wurden Zubehörräume und Garagen nicht korrekt angesetzt, so Mehlis. Diese Missverständnisse konnten schnell ausgeräumt werden.
Bis Ende Januar seien 76 Prozent der Einsprüche abgearbeitet worden, so die Statistik des Stader Finanzamtes. Ende März waren es 90 Prozent. Der Rest, immerhin noch gut 500 Fälle, gestaltete sich komplizierter. Sie sind zum Teil noch in Arbeit. Nicht gemeldet haben sich naturgemäß die Profiteure der neuen Gesetzeslage, dazu gehörten zum Beispiel Unternehmen mit größeren Betriebsgeländen.
Inzwischen haben die Finanzbehörden ihre Erfahrungen in der praktischen Umsetzung des neuen Gesetzes gesammelt und neue Ungerechtigkeiten festgestellt, obwohl die Reform eigentlich für bundesweit mehr Vergleichbarkeit sorgen sollte. Schwierig in der Beurteilung seien zum Beispiel Resthöfe mit ungenutzten Nebengebäuden oder auch unbebaute Grundstücke in Außenbereichen, die jetzt voll versteuert werden sollen.
Krasser Fall aus Kehdingen: Steuer schnellt in die Höhe
Speziell aus dem Landkreis Stade meldete das Finanzamt Härtefälle ins Ministerium nach Hannover, die sich auf Grundstücke im Deichvorland, unter Naturschutz oder mit Biotopen beziehen. Sollte das Gesetz überarbeitet werden, winkt hier womöglich eine Entlastung. Matthias Mehlis kennt einen konkreten Fall zu diesem Themenkomplex.
Der spielt in Kehdingen. Die Grundsteuer für einen Resthof, der nicht mehr landwirtschaftlich genutzt wird, schnellte in die Höhe. Die Besitzer sollten auf einmal das Zehnfache des bisherigen Wertes zahlen, nämlich 7000 Euro im Jahr. Mehlis: „Das ist eine Ungerechtigkeit.“ Das Ministerium habe das erkannt. Nach Lösungen werde gesucht.
Dass sich das Finanzamt schwerpunktmäßig um die neue Grundsteuer kümmern musste, verzögerte die Arbeit an anderen Aufgaben, so Mehlis. Er spricht von „Arbeitsrückständen im normalen Geschäft“ der Grundbesitzstelle, seien es Eigentümerwechsel, neue Baugebiete oder Neubewertung von Gebäuden durch Anbauten. Das solle jetzt nachgeholt werden.