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Naturphänomene

TMassensterben bei Amsel und Grünfink

Auch die Rotdrossel ist von dem Usutu-Virus gefährdet.

Auch die Rotdrossel ist von dem Usutu-Virus gefährdet. Foto: hajo-naturfoto

Das Jahr 2024 war für etliche Vogelarten ein Desaster. Die Schar der Gartenvögel hat sich deutlich dezimiert. Es gibt starke Verluste bei Amsel und Grünfink.

Von Wolfgang Kurtze Montag, 25.11.2024, 05:55 Uhr

Landkreis. Der Herbst ist da. Die prachtvoll gelben Blätter strahlen in der Sonne. Die weißen Früchte der Schneebeeren leuchten im Sonnenlicht. Viele rote Früchte tragen das Ihrige zur Farbenpracht bei. Früchte von Stechpalme, Weißdorn, Vogelbeere, Heckenrose oder Mehlbeere ergänzen die Farbpalette: Rote Früchte sind für viele Vögel besonders anziehend. Es lohnt sich für sie, die Früchte zu öffnen. Denn unter dem Fruchtfleisch finden sich nährstoffreiche Samen. Die weißen Schneebeeren sind für Vögel ebenfalls attraktiv, weil sie sehr saftig sind. Doch die Amseln sind kaum zu entdecken. Es fehlen auch die kleinen Trupps von Grünfinken, die so gern die Hagebutten der Heckenrose öffnen.

In diesem Jahr hat es die Amselbestände besonders schlimm erwischt. Bereits im Spätsommer und Herbst ließ sich beobachten, wie krank die Vögel waren: Zunächst wirkte das Federkleid der Amseln ungeordnet. Dann liefen sie orientierungslos umher, zeigten keine Fluchtreaktion und starben nach wenigen Tagen. Die Amseln wurden fast ausnahmslos vom Usutu-Virus getötet.

Virus aus Afrika vermehrt sich in Niedersachsen

Das Virus hat seinen Ursprung in Afrika und gelangte von dort allmählich nach Südeuropa und nach Deutschland. Jetzt hat es seinen Schwerpunkt in Niedersachsen. Überträger des Virus sind Stechmücken. Sie stechen den Vogel und dabei gelangt das Virus in den Vogelkörper, vermehrt sich in ihm schnell und tötet ihn. Aufgrund der warmen und sehr feuchten Witterung in diesem Jahr erlebten die Mücken einen wahrlichen Boom – und damit das Virus auch.

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Offenkundig können Vögel, die die Erkrankung überstanden haben und gegen das Virus immun sind, ihre Widerstandskraft nicht vererben. Wie schade. Wir können nur hoffen, dass sich die Amselbestände erholen und dass diese schwere Epidemie nicht so schnell wieder auftritt. Aber das Virus wird bleiben. Auch andere Vogelarten sind von dieser Krankheit betroffen: Die ohnehin selten gewordenen Singdrosseln, Turmfalken, Meisen, Spatzen und Grünfinken.

Grünfinken sind von einem Parasit befallen

Ganz anders verläuft das Massensterben bei Grünfinken. Hier ist es ein einzelliges Lebewesen, das sie befallen kann. Der Parasit wartet an Futter- und Wasserstellen auf den Vogel. Wird er vom Grünfink mit dem Schnabel aufgenommen, dann vermehrt es sich dort, entzündet zunächst Rachen und Hals, dann Magen und Darm. Auf andere Vogelarten, zum Beispiel Buchfinken und Spatzen, ist der Erreger inzwischen auch übergesprungen. Vielleicht werden die wenigen überlebenden Vögel widerstandsfähig und bauen neue Bestände auf. Hier besteht Hoffnung. Doch warmes und nasses Wetter fördert auch diesen Parasiten, so dass 2024 auch für Grünfinken ein trauriges Jahr wurde.

Kurzum: 2024 war für etliche Vogelarten fast ein Desaster. Die Schar der Gartenvögel hat sich deutlich dezimiert. Und das verlockende Angebot an Früchten für die Vögel erfüllt kaum das wichtige Ziel der Verbreitung. Denn viele Samen sind nach dem Durchlaufen des Vogeldarms besonders keimfähig. Die weite Verbreitung der Samen durch Vögel hilft den Pflanzen, ihre Standorte auszudehnen und zu sichern. Doch die Früchte bleiben in diesem Herbst oft unbeachtet.

Die Serie und das Buch

Was kreucht und fleucht in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Der zweite, reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Band von Wolfgang Kurtze ist für 19,90 Euro im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes.

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