T„Made in Stade“ statt billiger Asien-Import: Diese Segel setzen Maßstäbe

Geschäftsführer Morten Nickel (links) und Segelmachermeister Lennard Peilicke in der Stader Segelwerkstatt. Foto: Stehr
12.000 Segel haben Familie Nickel und ihr Team in den vergangenen 40 Jahren in Stade gebaut und dabei schon viele Innovationen entwickelt. Ein Besuch vor Ort.
Stade. Das Rattern der Nähmaschine dröhnt durch die rund 600 Quadratmeter große Halle am Harschenflether Weg in Stade. Hier entstehen - von der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt - maßgeschneiderte Unikate für Segelboote. Seit genau 40 Jahren ist die Segelwerkstatt Stade hier beheimatet und hat seither rund 12.000 Segel in die ganze Welt geliefert.

Babette Holthusen arbeitet als Näherin in der Segelwerkstatt. Früher saß sie im Modehaus Brokelmann an der Nähmaschine. Foto: Stehr
Britta und Jens Nickel gründeten die Segelwerkstatt 1985. Britta Nickel war zu jener Zeit die erste und einzige Segelmachermeisterin in ganz Deutschland. Damals gab es noch mehrere andere Segelmachereien an der Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven. Heute gibt es deutschlandweit nur noch eine weitere Werkstatt, die ihre Segel komplett in Deutschland herstellt und auch bei den Lieferanten darauf achtet, dass diese in Deutschland produzieren, versichert Morten Nickel.
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Junges Duo führt die Segelmacher-Werkstatt
Der 32-jährige gelernte Schifffahrtskaufmann mit einem Masterabschluss in BWL hat die Werkstatt 2022 von seinen Eltern übernommen. Gemeinsam mit dem 36-jährigen Segelmacher Klaas Simon führt er ein elfköpfiges Team aus Segelmacherinnen und Segelmachern, Näherinnen und Auszubildenden. Als Segelmachermeister ist kürzlich auch der 27-jährige Lennard Peilicke ins Führungsteam eingestiegen. „Wir wollen die Werkstatt als junges Team weiterentwickeln“, sagt Morten Nickel.

Klaas Simon (links) und Morten Nickel sind selbst leidenschaftliche Segler. Foto: Segelwerkstatt
Die Crew ist auf einem guten Weg. In den vergangenen Jahren hat die Segelwerkstatt Stade schon große Forschungs- und Entwicklungsprogramme abgearbeitet und dafür auch Fördergelder von der EU und Unterstützung von großen Wirtschaftsunternehmen erhalten. Die aerodynamischen Eigenschaften am Segel werden optimiert, ihr Gewicht minimiert, die Festigkeit verbessert und die Lebensdauer verlängert.
Innovation made in Stade
Zu den in Stade entwickelten Innovationen gehört neben optimierten Segeln ein spezielles Verfahren für einen gedruckten UV-Schutz. Vorreiter waren die Stader nach eigener Aussage 1994 auch mit einer rechnergesteuerten Nähstraße, die spannungsfreie, glatte Nähte garantiert. Es sei die erste ihrer Art weltweit gewesen.

Das Team um Morten Nickel (Mitte) und Klaas Simon (hinten rechts) liefert Segel aus Stade in die ganze Welt. Foto: Segelwerkstatt
Stetig weiterentwickelt wird auch die Software, mit der die Segeldesigns am Rechner entstehen. „Am wichtigsten bei der Segelherstellung ist, dass wir die genauen Maße kennen“, sagt Morten Nickel. Auf Wunsch nehmen die Stader Segelexperten die Maße vor Ort ab und fahren dafür auch mal nach Ägypten, Portugal oder Griechenland. Ist dann die Arbeit am Rechner beendet, zeichnet ein Plotter das Design millimetergenau auf das Tuch und schneidet es aus, sodass möglichst wenig Verschnitt entsteht.
Früher wurden die Segeltuch-Bahnen noch per Hand auf dem Boden zugeschnitten, erzählt Morten Nickel, der schon als Kind viel Zeit in der Werkstatt verbracht hat. Genäht wird immer noch auf dem Boden. Die Arbeitsplätze wurden dafür in den Hallenboden eingelassen. An einer der Maschinen sitzt Babette Holthusen. Die Näherin hat früher im Modehaus Brokelmann gearbeitet und in der Segelwerkstatt einen neuen Job gefunden.
Segelwerkstatt baut 400 Segel im Jahr
Vom Aufmaß bis zur Endkontrolle dauert es etwa 40 bis 50 Stunden, bis ein 50 Quadratmeter großes Segel fertig ist, abhängig von der Ausstattung. Die meisten der jährlich rund 400 Segel, die in Stade gefertigt werden, haben eine Fläche zwischen 20 und 40 Quadratmetern. Hauptabnehmer sind klassische Freizeitsegler aus der Region bis nach Hamburg und zur Ostsee. Seit der Corona-Zeit sei aber auch die Gruppe der Dauersegler deutlich gestiegen. Menschen, die ihr Hab und Gut verkauft haben, um die Welt zu umsegeln, sagt Morten Nickel.

In der Stader Segelwerkstatt sind die Nähmaschinen in die riesige Arbeitsfläche eingelassen, so dass bequem auf dem Boden genäht werden kann. Foto: Stehr
Ein Segel für ein gewöhnliches 10- bis 12-Meter-Boot kostet durchschnittlich 4000 bis 5000 Euro. „Wer in Asien produzierte Segel kauft, kann bis zu 40 Prozent sparen. Unsere Kunden zahlen für mehr Qualität aber gerne auch mehr“, sagt Morten Nickel, dessen Herz am Segelsport hängt. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Gordon hat er bereits an mehreren Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen, deutsche Meistertitel geholt und bei der Kieler Woche gewonnen.

Segelmacherin Ronja Stresska aus der Stader Segelwerkstatt war Bundessiegerin der Segelmacher und Segelmacherinnen im Jahr 2024. Foto: Dennis Williamson
Im Gegensatz zu Klaas Simon, der immer noch regelmäßig an internationalen Segelwettkämpfen teilnimmt und dieses Jahr unter anderem schon über den Atlantik gesegelt ist, genießt Morten Nickel in letzter Zeit mehr das Freizeitsegeln: „Sobald ich auf dem Wasser bin und den Hafen verlasse, fällt der ganze Alltagsstress einfach ab.“
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