TMedikamentenmangel: In Apotheken im Kreis Stade fehlen aktuell fast 150 Arzneien

Diese Packungen lösen Glücksgefühle aus: Michaele Mauthe, Pharmazeutisch-technische Assistentin in der City Apotheke in Buxtehude, zeigt drei Medikamente, die zurzeit schwer erhältlich sind. Foto: Thomas Sulzyc
Es fehlt eine ganze Reihe von Arzneimitteln. Patienten im Kreis Stade leiden unter dem Mangel, ziehen von Apotheke zu Apotheke - meist ohne Erfolg. Welche Medikamente in der Region zurzeit besonders rar oder gar nicht zu erhalten sind.
Landkreis. Im vergangenen Jahr waren es vor allem Fiebersäfte und Schmerzmittel, mittlerweile fehlen in den Apotheken einige Präparate in der gesamten Bandbreite des Sortiments. Der Mangel in der Medikamentenversorgung wird in Deutschland zum Dauerzustand - auch im Landkreis Stade.
143 Arzneien sind nicht lieferbar
143 sogenannte Dauerdefekte hat die City Apotheke in Buxtehude in ihrem Bestellsystem registriert. Dauerdefekte bezeichnen im Fachjargon Medikamente, die nicht lieferbar sind.
„Momentan ist der Wirkstoff Salbutamol knapp, der in Asthma- und Bronchienmitteln enthalten ist“, sagt die Pharmazeutisch-technische Assistentin Michaele Mauthe.
Knapp sind auch Arzneien zur Behandlung von Diabetes. Mangel herrscht auch beim Antibiotikum Penicillin. Es dient zur Behandlung bakterieller Infektionen, kann bei Notwendigkeit auch bei Schwangeren und Stillenden und schon bei Kleinkindern eingesetzt werden.
Lieferengpässe gab es in der Vergangenheit immer wieder mal. Nach Ausbruch der Corona-Pandemie waren im Jahr 2020 zum Beispiel Antidepressiva und Antibiotika knapp. Aber ein solches Ausmaß an Medikamentenmangel habe sie noch nie erlebt, sagt Michaele Mauthe (62). In der Branche tätig ist sie seit 1987.
Digitalisierung
T So läuft´s mit dem E-Rezept: Was gut funktioniert und wo es noch hakt
Patienten drohen mit einer Anzeige
Die Mangelverwaltung stellt das Apothekenpersonal und Patienten gleichermaßen vor nie gekannte Belastungsproben. Manche Kunden verließen die Apotheke bitter enttäuscht, andere drohten mit einer Anzeige bei der Polizei, weil sie beobachtet hatten, dass eine große Packung eines kaum lieferbaren Medikaments über den Verkaufstresen ging, berichtet Michaele Mauthe.
Eine gute Nachricht hat Michaele Mauthe: Arzneien gegen Heuschnupfen sind ausreichend vorhanden. Das gilt auch für Husten- und Fiebersäfte. „Aber es gibt keine Substanzengruppe, bei der ich mir sicher wäre, dass sie jederzeit lieferbar ist.“
Betroffen vom Medikamentenmangel sind auch die Elbe Kliniken. Die Apotheke der Kliniken versorgt die zwei Krankenhäuser in Buxtehude und Stade mit Medikamenten. Zusätzlich beziehen die Kliniken in Bremervörde und Otterndorf Medikamente von ihr, ebenso Hilfsorganisationen, die Rettungswagen betreiben.
Momentan knapp: Mittel gegen Schizophrenie
Die Apotheke der Elbe Kliniken ist eine von 360 Klinikapotheken in Deutschland. Privatpersonen steht sie nicht offen. „Wir nehmen inzwischen auch höhere Preise in Kauf, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagt Dr. Peter Dobberkau, der die Klinikapotheke leitet.
Trotzdem kommt es zu Engpässen: Infusionsmittel, wichtig im Klinikbetrieb, werden wegen unterschiedlicher Probleme bei der Produktion immer wieder in unzureichenden Mengen ausgeliefert. Momentan knapp sind auch Medikamente gegen Schizophrenie.
Hersteller ziehen sich aus Deutschland zurück
Die Ursache für den Medikamentenmangel sehen Apotheker vor allem in Rabattverträgen, die die Krankenkassen mit den günstigsten Generika-Anbietern abschließen, um Kosten zu sparen. Für viele pharmazeutische Hersteller lohne es sich deshalb nicht mehr, für den deutschen Markt zu produzieren. Sie haben sich aus Deutschland zurückgezogen. Die wichtigsten Wirkstoff-Hersteller sitzen in Indien, produziert wird überwiegend in China.
Demnach ist der Medikamentenmangel in Deutschland auch hausgemacht. Ein Ausweg: „Man müsste sich mit den Herstellern zusammensetzen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Insbesondere für lebenswichtige Medikamente sollte gegebenenfalls über garantierte Abnahmemengen und Preise die Produktion wieder nach Deutschland und Europa geholt werden“, sagt Dr. Dobberkau. Die Pharmaindustrie wäre dafür umgekehrt in der Pflicht, diese Medikamente in den notwendigen Mengen vorzuhalten.
Wird also die Mangelversorgung zum Dauerzustand? „In den nächsten drei bis fünf Jahren wird es nicht viel besser werden“, sagt Dr. Dobberkau. Apothekerin Irmgard Akliros wagt erst gar keine Prognose: „Da müsste man in die Glaskugel schauen.“