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Nachbarkreise

TMit Empathie und Kamera: Sylvia Blume gibt Sternenkindern ein Gesicht

Oft sind es Frühgeborene, die als Sternchen fotografiert werden.

Oft sind es Frühgeborene, die als Sternchen fotografiert werden. Foto: Dein Sternenkind

Nicht immer endet eine Geburt glücklich. Sylvia Blume begleitet Eltern im Rotenburger Diakonieklinikum in schweren Momenten mit einem besonderen Geschenk.

Von Monika Hahn Montag, 23.12.2024, 09:48 Uhr

Rotenburg. An ihren ersten Einsatz erinnert sich Sylvia Blume noch sehr genau: „Ich sollte in eine Hamburger Klinik fahren. Ich war so aufgeregt, dass ich zwischen Soltau und Hamburg jede öffentliche Toilette kenne“, lacht sie. Der Grund für Ihre Aufregung: „Ich hatte die Befürchtung, handwerklich nicht gut genug zu sein und es zu versemmeln“, führt sie aus. Aber woher kommt der Performance-Druck, der ihr auf den Schultern lastet?

Als ehrenamtliche Sternenkindfotografin bekannt

Seit drei Jahren engagiert sich die Frührentnerin ehrenamtlich für die Stiftung „Dein Sternenkind“. Als „Sternenkind“, oder „Sternchen“ werden tot geborene und während oder kurz nach der Geburt verstorbene Kinder bezeichnet.

„Dein Sternenkind“ vernetzt „von Hamburg bis Südtirol“ Fotografen, die einzigartige Fotos von Sternenkindern als Erinnerung für die Angehörigen fertigen. Professionell und für die Familien kostenfrei.

Sylvia Blume arbeitet leidenschaftlich für die Stiftung „Dein Sternenkind“ und pflegt zudem Wild- und Nutztiere.

Sylvia Blume arbeitet leidenschaftlich für die Stiftung „Dein Sternenkind“ und pflegt zudem Wild- und Nutztiere. Foto: privat

Für das Shooting gibt es nur einen Versuch, genutzt wird das vorhandene Licht, die Bedingungen sind für gute Porträtfotos also nicht optimal. Sylvia Blume hat, wie auch die anderen Ehrenamtlichen, eine App auf ihrem Handy. Schlägt diese Alarm, prüft Blume den Einsatzort und wenn es für sie passt, packt sie ihre Fotoausrüstung und die bereitstehende Tasche mit Requisiten und fährt in die Klinik. „Häufig bin ich in Rotenburg und auch in Walsrode. Daher habe ich schon einige Familien aus Zeven oder Tarmstedt begleitet.“

Liebevolle Erinnerung schaffen die ehrenamtlichen Fotografen der Stiftung.

Liebevolle Erinnerung schaffen die ehrenamtlichen Fotografen der Stiftung. Foto: Dein Sternenkind

Bedeutung dieser einmaligen Gelegenheit wird nicht immer erkannt

Die Alarmmeldung in der App zeigt neben dem Ort auch die Schwangerschaftswoche oder das Geschlecht des Sternchens an. Wirklich vorbereiten kann sich Sylvia Blume jedoch nicht. „Ich weiß nie, was auf mich zukommt. Wie reagiert das Klinikpersonal auf mich? Wie empfängt mich die trauernde Familie?“

Inzwischen kennen viele Kliniken und Eltern die Sternenkindfotografen. Trotzdem, so sagt Blume, erkennt längst nicht jeder den Wert dieser einzigartigen Erinnerung an die Elternschaft. „Mir wurden schon Sternchen im ausgewaschenen Ketchup-Eimer gebracht.“ Zum Personal im Rotenburger Klinikum pflegt sie inzwischen ein fast freundschaftliches Verhältnis.

„Das Rotenburger Krankenhaus würde ich geradezu als Vorzeigeklinik betrachten, was meinen Job angeht. Dort wurde eigens für uns ein kleines Aquarium angeschafft.“ Die Lagerung in Wasser konserviert die Sternenkinder für eine gewisse Zeit. Zwar muss es üblicherweise schnell gehen, dennoch bleiben rund eineinhalb Tage für das Fotografieren Zeit.

Empathie, Fantasie und Neutralität sind wichtige Eigenschaften

Es gibt viele Gründe, warum Kinder nicht ins Leben finden. Eine gewisse Häufung sieht Sylvia Blume rund um die Schwangerschaftswoche 20 und gegen Ende der Schwangerschaft. „Nicht alle Sternchen sind hübsch und rosig, manche sind bereits im Mutterleib verstorben oder sind verletzt. Da braucht es dann etwas Fantasie: ein Körbchen, ein Tuch, winzige Kleidung und Accessoires.“

Häufig sind die Fotos deshalb schwarz-weiß. Viel Nachbearbeitung findet allerdings nicht statt: „Die Mutter hat ihr Kind doch gesehen. Die Erinnerung soll realistisch sein.“ Niemals bewertet sie die Umstände oder die Familien für die Geschehnisse. „Diese Zeit gehört ganz den Eltern.“

Angehörige trauern individuell und manchen fällt es schwer, sich einzulassen

Betritt Sylvia Blume das Zimmer, spricht sie immer auch zu dem kleinen Sternchen. Die Stimmung beschreibt sie als einen Mix aus Trauer und Dankbarkeit. „Wir lachen viel. So sage ich zum Beispiel: ‚Oh, die großen Füße hat er eindeutig vom Papa‘ und schon schmunzeln alle.“ Im Moment großer Verzweiflung fällt es dabei nicht allen leicht, sich auf das Shooting einzulassen.

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Die Soltauerin benötigt dann gutes Einfühlungsvermögen: „Einmal habe ich mit einem Vater eine Stunde vor dem Zimmer gesessen und ihn eingeladen, mit mir zusammen sein Kind kennenzulernen. Ich konnte ihm vermitteln, auch wenn er jetzt Angst habe und die Begegnung scheue, könne es sein, dass er eines Tages dankbar für diese Erinnerung sein werde. Auch ein Foto müsse er nie wieder anschauen, wenn er das nicht wolle. Damit habe ich ihn letztlich überzeugt und konnte wunderschöne Fotos von den Eltern und ihrem Sternchen machen.“

Auch die Geschwisterkinder werden einbezogen

Auch die Geschwisterkinder kommen mit auf das Foto. Haben diese nicht besonders große Schwierigkeiten damit, die Winzlinge und das, was ihnen geschehen ist, zu begreifen? „Die Kinder verstehen meist recht schnell, dass so etwas leider passieren kann. Meist sind sie sehr offen und neugierig darauf, ihr Geschwistersternchen kennenzulernen.“

Erst ältere Geschwister im jugendlichen Alter haben manchmal Schwierigkeiten: „Die Jugendlichen haben auch nicht so sehr ein Problem mit dem verstorbenen Geschwisterchen. Sie sind aber manchmal mit der Trauer der Eltern überfordert und mit der Tatsache, dass dieses Ereignis diese völlig aus der Bahn wirft“, schildert Sylvia Blume eine Beobachtung.

Sylvia Blumes Weg zur Fotografie und zur Stiftung „Dein Sternenkind“

Schon bevor sie zu „Dein Sternenkind“ kam, hat sich Sylvia Blume für Fotografie interessiert und ist eher zufällig auf die berührenden Fotos gestoßen. Einige Eltern geben Fotos zur Veröffentlichung frei und verhelfen diesem Thema auf diese Weise zur Aufmerksamkeit.

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