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Energiewende

T100-Millionen-Euro-Segen: Warum der Hafenausbau in Cuxhaven so wichtig ist

Montierte Gondeln für Windkraftanlagen auf See stehen auf dem Gelände von Siemens Gamesa.

Montierte Gondeln für Windkraftanlagen auf See stehen auf dem Gelände von Siemens Gamesa. Foto: Fischer

Es war die Nachricht des Wochenendes: Cuxhavens Hafen kann ausgebaut werden, der Bund gibt die fehlenden 100 Millionen. Ein wichtiges Signal – für den gesamten Nordwesten. Denn ohne den Hafenausbau an der Elbmündung wird es nichts mit der Energiewende.

Von Inga Hansen und Tim Fischer Montag, 25.03.2024, 15:30 Uhr

Cuxhaven. Vom Flieger aus sieht man, wo das Problem liegt: Cuxhaven, Deutschlands einziger Offshore-Hafen, ist fast belegt. Zumindest die Flächen, die für die schwergewichtige Windkraft-Fracht erschlossen sind. Im Osten stehen riesige 14-Megawatt-Turbinen von Siemens-Gamesa Spalier und warten auf den Abtransport in Richtung Schottland. Daneben stapeln sich, fein säuberlich aufgereiht, etliche weiß-rote Rotorblätter. Auch Türme, die langen Recken, die später die schweren Turbinen mitsamt Rotoren draußen auf dem Meer tragen werden, lagern hier.

Größter Umschlagplatz für Windräder in Deutschland

Dabei produziert in Cuxhaven bisher nur eine einzige Firma: Der Weltkonzern Siemens, der eine der modernsten Offshore-Fabriken überhaupt hochgezogen hat. Gebaut werden hier die Herzstücke der Wind-Riesen auf See, die Turbinen. Es gibt dafür eigens eine Schwerlastplattform, auf der die monströsen Maschinenhäuser, jedes so schwer wie ein Airbus A 380, verschifft werden. Aber Cuxhaven ist mehr als ein Offshore-Standort. Die Küstenstadt hat sich zum größten Umschlagplatz für Windräder der Republik entwickelt. Hier landen Türme und Rotorblätter aus der ganzen Welt an, 8 von 10 Windrädern, die in Deutschland gebaut werden, kommen über Cuxhaven ins Land.

Mehr Platz für den Windkraft-Umschlag: Der Cuxhavener Hafen soll um 38 Hektar (rote Fläche) wachsen.

Mehr Platz für den Windkraft-Umschlag: Der Cuxhavener Hafen soll um 38 Hektar (rote Fläche) wachsen. Foto: Scheer

Und es werden noch viel mehr. Die Ampel-Koalition in Berlin hat die Energiewende eingeläutet. Bis 2045 soll die Leistung der Windräder auf See von 8 auf 70 Gigawatt steigen, die Zahl der Windparks an Land soll sich mehr als verdoppeln. „Mehr Windräder heißt mehr Bauteile. Und die brauchen eben viel Hafenfläche“, sagt Michael de Reese, Geschäftsführer von Cuxport und Vorsitzender der Hafenwirtschaftsgemeinschaft in Cuxhaven. Die niedersächsische Hafengesellschaft NPorts hat im vergangenen Jahr in einer Studie ausrechnen lassen, wie viel Hafenfläche es braucht, um den Offshore-Ausbau zu stemmen.

Studie: Ohne Cuxhaven ist die Energiewende nicht zu schaffen

Das Ergebnis: Ohne Cuxhaven ist die Energiewende nicht zu schaffen. Nicht einmal knapp die Hälfte der Offshore-Windparks, die gebaut werden sollen, könnte realisiert werden, weil notwendige Bauteile nicht angelandet werden könnten. Bis 2029 fehlen laut der Studie 200 Hektar Hafenfläche.

Schon ab 2026 wird es eng, weil man nicht mehr auf andere Häfen in Europa ausweichen kann. Derzeit verschifft Siemens seine Bauteile für die Wind-Riesen auf See vom dänischen Esbjerg aus. Zudem können im niederländischen Eemshaven sämtliche Teile – Turbinen, Rotorblätter, Transition Pieces, also die Türme – eines Riesen-Windrads auf Errichterschiffe verfrachtet werden. Das sind die beiden einzigen Installationshäfen in Europa. Und sie melden bereits, dass sie bald ausgelastet sind, erzählt Siemens-Werksleiter Kristoffer Mordhorst. Weil alle Nordseeanrainer die Windparks auf See massiv ausbauen. „Wir brauchen einen Installationshafen in Deutschland, und Cuxhaven bietet sich dafür an“, sagt der Siemens-Mann.

38 Hektar neue Hafenflächen sollen geschaffen werden

Der geplante Ausbau in Cuxhaven nimmt sich vergleichsweise klein aus: Knapp 1,3 Kilometer unbebaute Fläche sind es, die zwischen den vier Liegeplätzen von Cuxport und den Liegeplätzen 8 und 9, die für die Wind-Riesen gebaut wurden, liegen. 38 Hektar insgesamt. Seit 2016 planen die Politiker und die Hafenbauer der landeseigenen Gesellschaft Niedersachsen Ports (NPorts) diesen „Lückenschluss“. 2020 wurde das Baurecht erteilt.

Richtig Fahrt auf nahm das Thema, nachdem die Ampel-Koalition die Energiewende ausgerufen hat. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) verkündete im Januar 2023, dass Hannover 100 Millionen Euro in den Hafenausbau in Cuxhaven stecken wird. Daraufhin versprach auch die Hafenwirtschaft, 100 Millionen bereitzustellen. Die übrigen 100 Millionen Euro, die für den Bau nötig sind, erhoffte man sich vom Bund. Schließlich sei der Hafenausbau für die Energiewende unverzichtbar. Doch Berlin zierte sich lange. Schließlich ist Hafenausbau Ländersache.

Erster Rammschlag nach dem Jahreswechsel

Positiv bis erleichtert klingen die Reaktionen, die am Montag übrigens in ähnlicher Form auch aus dem Hause NPorts zu vernehmen waren. Die landeseigene Hafengesellschaft wird bei der Realisierung der drei neuen Liegeplätze 5 bis 7 den Hut aufhaben, Geschäftsführer Holger Banik äußerte sich am Montag zum Zeitplan.

„Ich habe mich total gefreut, das war ein toller Freitag“, meinte der Geschäftsführer der Niedersachsen Ports GmbH im Rückblick auf die Entwicklung, die kurz vor dem vergangenen Wochenende bekannt geworden war. Holger Banik unterstrich in diesem Zusammenhang einmal mehr, wie viel Herzblut sein Haus in den Hafenausbau in Cuxhaven steckt. „Wir wollen das ja, deshalb ist die Zusage des Bundes auch für uns eine sehr positive Nachricht. Jetzt wird es gelingen, die Energiewende richtig zu gestalten!“

Banik machte gleichwohl keinen Hehl daraus, dass das Vorhaben NPorts eine Menge Arbeit beschert. Ein realistischer Zeitpunkt für einen tatsächlichen Baustart des rund 1,2 Kilometer langen Lückenschlusses sind nach seinem Dafürhalten die ersten Wochen des kommenden Jahres. „Bis dahin müssen wir noch ganz viel lösen“, fasste der NPorts-Geschäftsführer zusammen und sprach rechtliche Fragen, aber auch die Konzessionsvergabe an: Das aus drei Liegeplätzen bestehende neue Terminal braucht schließlich einen Betreiber. Letzterer wird seinerseits eine Summe von 100 Millionen Euro - jenen Finanzierungsanteil, den die Wirtschaft im Rahmen einer Kostenteilung mit Land und Bund zu schultern zugesagt hat - beisteuern müssen.

Robert Habeck hat seine Ankündigung wahr gemacht

Doch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist es nun gelungen, das Geld dafür locker zu machen. Nicht aus dem Topf für die Häfen, sondern aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, wie Stefan Wenzel, Bundestagsabgeordneter der Grünen aus Cuxhaven und Habecks Staatssekretär, bestätigte. Genau das hatte Habeck bei seinem Besuch vor einem Jahr im Cuxhavener Hafen angedeutet.

In der Stadt ist man überglücklich. Oberbürgermeister Uwe Santjer (SPD) spricht „von einer historischen Entscheidung“ für Cuxhaven“. Auch weil ein Installationshafen weitere Windrad-Produzenten an die Elbmündung locken könnte. Eine Erweiterung des Gewerbegebiets am Offshore-Hafen zwischen der Bahntrasse und der B73 um 130 Hektar hat der Stadtrat schon auf den Weg gebracht.

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