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TNach der Razzia: Das wurde aus dem Bordell in der Buxtehuder Altstadt

Blick auf die durchsuchte Wohnung während der Razzia am 25. September in der Buxtehuder Altstadt. Mit dem Rücken zum Fenster sichert ein Polizist ein Zimmer.

Blick auf die durchsuchte Wohnung während der Razzia am 25. September in der Buxtehuder Altstadt. Mit dem Rücken zum Fenster sichert ein Polizist ein Zimmer. Foto: Wisser

Polizei und Ordnungsämter durchsuchten im September 2024 eine Wohnung: Verdacht auf Menschenhandel. Aber hatte die Razzia auch rechtliche Konsequenzen?

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Von Thomas Sulzyc
Donnerstag, 09.01.2025, 19:10 Uhr

Buxtehude. Anonyme Beschwerden, Recherchen vom TAGEBLATT und das gemeinsame Vorgehen von Polizei und Ordnungsämtern haben Wirkung gezeigt: Das Wohnungsbordell in der Buxtehuder Fußgängerzone ist nach der Durchsuchung am 25. September 2024 ausgezogen. Hinweise auf eine Wiederaufnahme des Prostitutionsbetriebs in dem Gebäude gibt es bis heute nicht.

Rechtliche Folgen entstanden für die am Prostitutionsbetrieb beteiligten Männer und Frauen nicht. Weder die bei der Razzia angetroffenen Frauen noch die von Anwohnern beobachteten und als „zwielichtig“ empfundenen Männer in deren Umfeld oder der Mieter der Wohnung müssen ein Bußgeld zahlen oder sich gar vor Gericht verantworten. Das ergab eine TAGEBLATT-Anfrage bei der Polizei und dem Landkreis Stade.

Der Landkreis ist die zuständige Behörde für die Genehmigung von und Aufsicht über Prostitutionsstätten. Zu Ordnungswidrigkeitsverfahren sei es nicht gekommen, sagte Kreissprecher Daniel Beneke dem TAGEBLATT. Der Grund: Die bei der Razzia vorgefundenen Frauen hätten keine belastenden Aussagen gemacht. „Am Ende gab es zu wenig Handfestes.“

Video taugt am Ende nicht als Beweis

Eine Videoaufnahme zeigte, wie offenbar Frauen in einem Kleintransporter zu der Wohnung gebracht wurden. Diese Filmsequenz wurde den Ordnungsbehörden zugeschickt. Als Beweis taugte sie am Ende nicht: Die in dem Video aufgenommenen Frauen seien bei der Razzia nicht angetroffen worden, sagt Daniel Beneke.

Im Raum stand vor der Razzia auch der Verdacht des Menschenhandels. Weil die Frauen sich nicht dazu geäußert hätten, habe Zwangsprostitution nicht nachgewiesen werden können, sagt Daniel Beneke dem TAGEBLATT.

Ziel der Wohnungsdurchsuchung sei laut dem Landkreis nicht gewesen, mutmaßliche Sexarbeiterinnen wegen möglicher Verstöße gegen ihre Anmeldepflicht zu belangen. Die Razzia erfolgte auf Grundlage des Prostitutionsschutzgesetzes. Und das verfolge das Ziel, Prostituierte zu schützen. „Wir wollten die Strukturen im Milieu sehen“, sagt Daniel Beneke.

Grundsätzlich müssen Personen ihre Prostitutionsausübung anmelden. Davon gibt es Ausnahmen: Wenn eine einzelne Frau in ihrer Wohnung der Prostitution nachgehe, sei es nicht meldepflichtig, nennt Kreissprecherin Nina Dede ein Beispiel. Die Anmeldung gelte bundesweit. Und die Fluktuation über die Kreisgrenzen oder Ländergrenzen sei hoch.

So viele Prostituierte sind im Landkreis gemeldet

31 Menschen sind im vergangenen Jahr beim Landkreis Stade als Prostituierte angemeldet gewesen. Gemeldet waren 11 Prostitutionsstätten. Wie groß die Zahl der Prostituierten im Landkreis Stade tatsächlich ist, könne niemand sagen. Als sicher gilt: Die Dunkelziffer ist sehr groß.

Hinweise darauf, dass die Wohnung nach der Durchsuchung wieder als Prostitutionsstätte genutzt wurde, haben die Ordnungsbehörden laut TAGEBLATT-Informationen nicht.

Der käufliche Sex in dem Wohnungsbordell wurde über ein Internetportal, auf dem ausschließlich Prostituierte inserieren, angeboten. Zurzeit enthält es keine Angebote von Frauen in Buxtehude.

Die Akteure des Bordellbetriebs sind zwar verscheucht worden. Mehr als eine punktuelle Lösung sei damit aber nicht erreicht worden, sagt Elena Knoop, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Stade. Sie ist davon überzeugt: Das Wohnungsbordell werde an anderer Stelle irgendwo in Deutschland wieder auftauchen.

Elena Knoop engagiert sich im Landkreis Stade in der Arbeitsgemeinschaft „Rotlicht aus!“. Diese macht sich für eine andere Politik zum Schutz von Prostituierten stark und fordert das sogenannte Nordische Modell. Dieses sieht vor, dass alle Profiteure des Systems Prostitution, also Zuhälter, Betreiber von Prostitutionsstätten und auch Freier, bestraft werden - aber nicht die Prostituierten.

In Medien erhielten einige Prostituierte Aufmerksamkeit, die ihrer Tätigkeit freiwillig nachgingen. Elena Knoop aber ist davon überzeugt: Ein Großteil der Frauen gehe der Prostitution nicht freiwillig nach. „Rotlicht aus!“ schätzt ihren Anteil auf 90 bis 95 Prozent. „Sie haben nicht das Privileg, im Fernsehen aufzutreten“, sagt Elena Knoop. „Ihr Sprachrohr wollen wir sein.“

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