TNach sieben Jahren Leidenszeit: Tausende Fans feiern mit dem HSV

Thomas Rolff und seine Tochter Emily erleben „eine richtige Druckwelle“, verursacht von tausenden Fans. Foto: privat
Sie stürmen den Volkspark, reißen heiligen Rasen raus und feiern mit ihren Helden. So haben die Menschen aus der Region den Aufstieg des HSV in die 1. Liga erlebt.
Hamburg. Der Stader Unternehmer Thomas Rolff schlenderte über den gerupften Rasen, als der erste Ansturm vorbei war. Er sinnierte. Als ehemaliger Fußballer dachte er darüber nach, wie es gewesen wäre, wenn er selbst solche Erfolge gefeiert hätte. Sein prominenter Onkel, Wolfgang Rolff, war einst Profi.

Thomas Rolff und seine Freunde. Foto: privat
„Die Stimmung war Wahnsinn“, erzählt Rolff. Er spricht von einer „richtigen Druckwelle“, die tausende Fans, die den Platz stürmen, verursachen. 2017, als der HSV den Abstieg aus der 1. Liga verhinderte, erlebte er ähnliches. Er und seine Tochter Emily retteten sich seinerzeit in die Arme des damaligen HSV-Torwartes Christian Mathenia, den Rolff nur wenige Tage zuvor in sein Sportgeschäft zu einer Autogrammstunde eingeladen hatte.
Absacker bei Heidis Rautenfreunden
„Manchmal“, sagt Rolff, „war mir die Euphorie vor dem Spiel schon zu groß“. Die Ulmer Führung diente als „Cool Downer“. Aber dass an diesem Abend etwas schief gehen könnte, dieses Gefühl hatte Rolff zu keinem Zeitpunkt. Morgens um 5 Uhr kam Thomas Rolff erst wieder in Stade an - nach einem Absacker beim Fanclub Heidis Rautenfreunde in Hollern-Twielenfleth.

Thore Jessen (2. von links) und seine Freunde. Foto: privat
Thore Jessen aus Stade hat mit seinen Freunden das Spiel genossen. „Wir waren eine Stunde vor dem Anpfiff da. Alles war am Kochen“, sagt er und hofft jetzt, dass der HSV mit Demut in die 1. Bundesliga geht. Er sieht den Kader gut aufgestellt, hält die Offensive und die Außen für Erstligareif. Die Defensive nicht. „Da muss sich der HSV noch verstärken“, sagt Jessen.
HSV-Trainer sorgt für einen Kloß im Hals
Noch Tage nach dem Spiel hat Jessen „einen Kloß im Hals“, wenn er daran denkt, wie HSV-Trainer Merlin Polzin das Lied „Mein Hamburg lieb ich sehr“ von Abschlach! anstimmte.

Lars Behrmann (links) und seine Freunde feiern den Aufstieg. Foto: privat
Lars Behrmann aus Drochtersen ist HSV-Fan „seit ewig und immer“. Das frühe Gegentor habe im Stadion „niemanden aus der Ruhe gebracht“. Behrmann stand auf der Nordtribüne. „Die Zuschauer haben dann eher noch mehr geklatscht“, sagt er. Lange vor dem Abpfiff wurden die Abgänge der Nordtribüne immer voller. Die Menschen wollten aufs Spielfeld. Behrmann nahm einen Umweg. „Der ganze Rasen sah aus wie der Fünf-Meter-Raum im Kehdinger Stadion“, sagt Behrmann.
Feiern und schnacken mit den Aufstiegshelden
Kay Gosebeck aus Buxtehude genoss in einer Sponsoren-Loge Roastbeef und Lachs. Für das Spiel habe er seinen Mallorca-Urlaub verschoben. Er traf seinen alten Freund, den Ex-Profi und Torwart Richard Golz.

Kay Gosebeck aus Buxtehude trifft seinen alten Kumpel und Ex-Profi Richard Golz. Foto: privat
Nach dem Spiel kamen die HSV-Helden Ludovit Reis und Daniel Heuer Fernandes zum Schnacken in die Loge. Gosebeck genoss die Nacht und fuhr erst nach 3 Uhr morgens nach Hause. „Früher wären wir sowieso nicht weggekommen, weil der Parkplatz mit Rettungswagen zugestellt war“, sagt er.
Aufstiegsrasen im Bierbecher
Mirco Poppe stand beim 6:1 von Daniel Elfadli bereits am Spielfeldrand. „Als das Tor gefallen ist, bin ich ihm beim Jubel in die Arme gelaufen und habe geschrien: ‚Wir haben es geschafft! Wir haben es geschafft!‘ Wahnsinn - was für ein heftiges Erlebnis!“

Die Immenbecker Fußballer Mirco Poppe (links) und Ray Böttcher. Foto: privat
Der Immenbecker Fußballer feierte anschließend gemeinsam mit anderen Fans, warf Otto Stange in die Höhe und sicherte sich ein Stück Rasen als Erinnerung. „Leider hatte ich keine Tüte dabei, also habe ich den Rasen in einem leeren Bierbecher mitgenommen“, sagt Poppe, der „von Geburt an“ Fan des HSV ist.
Erinnerungen an die erste Liga
Sein Immenbecker Vereinskollege Timo Weseloh hatte Glück: Ein Arbeitskollege hatte noch eine Karte für das Spiel übrig - und so beobachtete Weseloh am Samstag, wie sich der Unterrang ab der 70. Minute zunehmend füllte. Die Fans machten sich bereit für den Platzsturm. „Wir haben den ersten Ansturm abgewartet und sind zehn Minuten später zum Feiern auf den Rasen gegangen“, sagt Weseloh.

Der Immenbecker Fußballer Timo Weseloh. Foto: privat
An sein letztes Erstligaspiel in Hamburg kann er sich übrigens noch gut erinnern: Gegner war Mainz, Filip Kostic verschoss einen Elfmeter, Endstand 0:0. Das war vor sieben Jahren. Jetzt ist der HSV zurück in der ersten Liga.
Die Stimme hat gelitten
Wie war’s im Stadion? „Unglaublich! Das war eines der beeindruckendsten Ereignisse in meinem Leben“, sagt die Buxtehuderin Lina Wörner mit heiserer Stimme. Als eingefleischte Anhängerin des HSV sei sie durch die verpassten Aufstiege ja einiges gewohnt, daher ging sie auch mit einer gewissen Angst ins Stadion. Doch mit dem Anpfiff und der überwältigenden Kulisse wuchs der Glaube an den Aufstieg. „So eine Stimmung habe ich noch nie erlebt“, sagt Wörner.

Lina Wörner aus Buxtehude. Foto: privat
Doch es gab auch eine Kehrseite: „Das Gedränge auf dem Spielfeld war schon beängstigend. An einigen Stellen wurde es brenzlig“, sagt Wörner. Dennoch überwiegt die Vorfreude auf die kommende Saison - besonders auf das Stadtderby gegen den FC St. Pauli und das Nordderby gegen Werder Bremen.
„Super Nebeneffekt“ für Buxtehuder Unternehmen
Für Julian Meyer war der Samstagabend in gleich doppelter Hinsicht „mega“, wie er selbst sagt. Der gebürtige Buxtehuder ist nicht nur großer HSV-Fan, sondern unterstützt den Verein seit 2020 auch als Sponsor mit seinem Unternehmen Buxtrade.

Buxtrade-Geschäftsführer Julian Meyer (Mitte, 4. von links) mit Familie, Freunden und Kollegen. Foto: privat
Als die Fans den Platz stürmten, beobachtete Meyer von der Tribüne aus, wie die kleinen Werbebanden seines Unternehmens durch die Menge wanderten und von Fans als Souvenir mitgenommen wurden. „Das haben auch viele aus meinem Umfeld mitbekommen“, erzählt Meyer. Über 200 Nachrichten seien auf seinem Handy eingegangen, darunter sogar Anfragen, ob man Buxtrade-Werbebanden erwerben könne. „Das war ein super Nebeneffekt für unsere Reichweite“, sagt Meyer. Irgendwann verstaute er das überquellende Handy dennoch in der Handtasche seiner Freundin.
Am Sonntag startete Buxtrade einen humorvollen Aufruf auf Instagram: „Keine Sorge - wir möchten euch keinesfalls in Schwierigkeiten bringen. Zeigt uns einfach, wo unsere Banden geblieben sind!“ Einige Fans haben bereits Fotos von sich und den Werbebanden geschickt - die kreativsten Beiträge werden mit Gutscheinen belohnt.
Eingefleischter Fan leidet sieben Jahre lang
Tobias Refinger aus Haaßel erlebte als Dauerkarteninhaber den Aufstieg seines Herzensvereins von der Nordtribüne aus. Auf den Platz stürmte er mit seiner HSV-Freundesgruppe aber nicht. „Irgendwie war es auch cool, das von oben aus mitzuerleben“, sagt Refinger.
Erst einige Stunden nach Spielende habe er den wahr gewordene Aufstiegstraum realisiert. „Besonders macht den Aufstieg, dass wir sieben Jahre gelitten haben - wären wir nach einem oder zwei Jahren in der 2. Bundesliga aufgestiegen, wäre das ein ganz anderes Gefühl“, sagt Refinger.
Feiern bis 7 Uhr - dann selbst kicken
„Super glücklich“ und „erleichtert“ war Tim Postels aus Hemel über den Aufstieg, den er mit seinen drei HSV-Kollegen in Block 22C auf der Nordtribüne zelebrierte. Als die ersten HSV-Fans den Rasen stürmten, schaute sich Postels „das Spektakel“ erstmal von oben an. Später sicherten er und seine Freunde sich alle ein Stück des heiligen Volksparkrasens.

Jonas, Tim, Jonte und Fabian (von links) stürmten auch den Platz. Foto: privat (nomo)
Postels sagt: „Der gehaltene Elfmeter von Daniel Heuer-Fernandes war der Knackpunkt.“ Ab da spürte er: „Das wird heute was.“ Postels feierte bis 7 Uhr am Sonntagmorgen, um 10 Uhr musste er wieder aufstehen und selbst Fußball spielen.
Opa hätte der Aufstieg gefallen
Die Stimmung im Volksparkstadion sei „gigantisch“ gewesen. „Das habe ich so noch nie erlebt. Vor Abpfiff war das Stadion nochmal 30 Prozent lauter als sonst vor Heimspielen. Und weit vor Abpfiff hat kein HSV-Fan mehr gesessen“, sagt Kim Höper aus Ohrel.

Jubel-Selfie: Andre (links) und Kim posieren mit einem Stück Volkspark-Rasen bei der Aufstiegsparty nach Abpfiff. Foto: privat (nomo)
Der Aufstieg war für Höper ein Moment für die Ewigkeit, ein besonders emotionaler: Sein Opa, ebenfalls mit der Raute im Herzen, ist vor kurzem verstorben. „Es war komisch, dass er nicht dabei war, das miterlebt hat“, sagt Höper. Dennoch ist er sich sicher: Er und sein Opa sind „gemeinsam“ mit dem HSV in die erste Liga zurückgekehrt.
A/O-Trainer pflanzt heiligen Rasen
Der Trainer des Frauen-Oberligisten SV Ahlerstedt/Ottendorf, Benjamin Saul, stolperte auf dem Weg auf den HSV-Rasen über Brotmesser, die dort herumlagen. Ein Fan schnitt mit einem Messer zahlreiche Rasenstücke heraus und verteilte sie an andere. Saul griff zu. Das Stück pflanzte er zu Hause direkt in einen großen Topf und laserte auf ein Schild: „Hier wächst 1. Liga – direkt aus‘m Volkspark.“

Benjamin Saul topfte seinen Rasen direkt ein. Foto: privat
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