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Patientenversorgung

TNächste Landarzt-Praxis dicht – Stader Nachbarkreis „größtes Sorgenkind“

Ein Schild mit der „Aufschrift Arztpraxis zu vermieten“ findet man immer häufiger im Landkreis Cuxhaven. Nun macht eine weitere Landarztpraxis in der Gemeinde Loxstedt dicht.

Ein Schild mit der „Aufschrift Arztpraxis zu vermieten“ findet man immer häufiger im Landkreis Cuxhaven. Nun macht eine weitere Landarztpraxis in der Gemeinde Loxstedt dicht. Foto: Frankenberg/dpa

Wieder macht eine Landarzt-Praxis in einer Ortschaft dicht. Einen Nachfolger gibt es nicht - trotz dreijähriger Suche. In dieser Gemeinde werden nun die Ärzte knapp.

Von Inga Hansen Sonntag, 19.11.2023, 12:00 Uhr

Stotel. Martina Austein fällt der Abschied nicht leicht. Auf den letzten Metern bekomme sie noch sehr viel Komplimente von den Patienten zu hören, erzählt die Landärztin aus Stotel. Trotzdem, am 14. Dezember sei Schluss, versichert Austein, die ihr genaues Alter nicht sagen mag. „60plus“, sagt sie und lächelt. Einen Nachfolger hat sie nicht gefunden. Dabei könne man ihre Praxis sehr gut führen, auch wenn man Kind und Karriere vereinbaren will, wirbt sie noch mal. „Ich habe selbst drei Kinder und hier angefangen, als der Jüngste acht Jahre alt war. Das funktioniert in dieser Praxis“, versichert sie.

Drei Jahre lang nach einem Nachfolger gesucht

Austein ist nicht die einzige Ärztin in der Gemeinde, die sich in den Ruhestand verabschiedet. Ihr Ehemann Jörg, der in Loxstedt zusammen mit Philipp Kliem eine Gemeinschaftspraxis betreibt, geht zum Jahresende in den Ruhestand.

Wieder eine Landärztin weniger: Martina Austein schließt ihre Praxis in Stotel am 14. Dezember.

Wieder eine Landärztin weniger: Martina Austein schließt ihre Praxis in Stotel am 14. Dezember. Foto: Hansen

Und Angela Kuttig, Kinderärztin in Loxstedt, schließt ihre Praxis bereits Ende November. Drei Jahre lang habe sie intensiv nach einem Nachfolger gesucht, erzählt die 62-Jährige. Ohne Erfolg. „Die jungen Frauen – und die Mehrheit sind nun mal Frauen – wollen Familie und Beruf vereinbaren und keinen Zwölf-Stunden-Tag“, sagt sie.

„Der Kreis Cuxhaven ist unser größtes Sorgenkind“, gibt Detlef Haffke, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) zu. Im Norden des Kreises Cuxhaven hat sich die Situation in den vergangenen Jahren ein wenig entschärft. Ein Grund dürfte sein, dass der Kreis und die Gemeinde mit Unterstützung des Landes in Nordholz ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gestartet hat. Als Pilotprojekt. Dort betreiben die beiden Kommunen eine Gemeinschaftspraxis, in der mittlerweile vier Hausärzte angestellt sind. Im Südkreis dagegen werden Allgemeinärzte händeringend gesucht. Jede dritte Stelle ist hier nicht besetzt.

Und das Problem wird sich verschärfen. Bald jeder zweite der 127 Hausärzte im Kreis, genau 42 Prozent, ist älter als 60. Damit rollt in den nächsten Jahren eine Welle von Praxisschließungen auf die Region zu. Und dass, obwohl die Praxen wegen der vielen Patienten meist genügend Umsatz abwerfen, so KVN-Sprecher Haffke.

„Viele wollen lieber Teilzeit arbeiten“

Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Haffke. Der Mediziner-Nachwuchs sei heute nun mal weiblich und schrecke vor der Selbstständigkeit und den langen Arbeitszeiten, die oft damit einhergingen, zurück. „Viele wollen lieber Teilzeit arbeiten oder in einer Gemeinschaftspraxis, um auch Zeit für die Familie zu haben.“ Zudem hätten Regionen wie der Kreis Cuxhaven das Problem, dass sie am Rande liegen beziehungsweise zu wenig Infrastruktur bieten. „Die jungen Ärztinnen fragen sofort, ob ihr Partner, der meist ebenfalls akademisch gebildet ist, in der Nähe auch einen passenden Job findet.“

Angela Kuttig, Kinderärztin in Loxstedt, hört bereits Ende November auf.

Angela Kuttig, Kinderärztin in Loxstedt, hört bereits Ende November auf. Foto: Ralf Masorat

Die Kassenärztliche Vereinigung, die für die Besetzung freier Arzt-Sitze zuständig ist, versucht, das Problem mit Geld zu lösen. In Regionen wie dem Südkreis, in denen es deutlich zu wenig Mediziner gibt, sprich die Ärzteversorgung unter 75 Prozent rutscht, bekommen Landärzte, die sich dort niederlassen, eine Prämie von 60.000 Euro. Unter bestimmten Bedingungen gibt es noch eine Umsatzgarantie für zwei Jahre obendrauf. Hinzu kommt, dass der Kreis die Ansiedlung von Ärzten noch mal mit ebenfalls 10.000 Euro pro Praxis unterstützt.

200 zusätzliche Patienten durch Praxisaufgaben

Doch geholfen hat das bislang wenig. Geld allein löst das Problem offenbar nicht. Diese Erfahrung macht auch Philipp Kliem, der nach dem Ausstieg seines Kompagnons Austein in seiner Praxis in Loxstedt erst mal allein zurückbleibt. Kliem beschäftigt zwar eine Anästhesistin, die derzeit ihre Weiterbildung zur Fachärztin bei ihm absolviert und auch gerne in seiner Praxis bleiben möchte. Aber auch sie wolle wegen der Kinder und der Familie nicht voll arbeiten, erzählt er. Der 46-Jährige hat noch ein weiteres Eisen im Feuer. Noch ist er optimistisch, dass er eine Lösung findet.

Falls nicht, wird es schwierig. Schon die letzten Praxisschließungen von Kollegen in der Region – in Schiffdorf gibt es seit zwei Jahren keinen Landarzt mehr, die Gemeinde Beverstedt hat im vergangenen Jahr einen Hausarzt verloren – haben mindestens 200 zusätzliche Patienten in seine Praxis gespült, erzählt er. Jetzt durch die aktuellen Schließungen kommen womöglich noch weitere Patienten hinzu. „Wenn ich keinen Partner finde, wird es einen Annahmestopp geben“, sagt Kliem.

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