TWeg vom Bullenbruch nach Ladekop - Naturschutz macht es möglich

Blick auf ein Gelege mit Kiebitzküken. Foto: Henning Kunze
Die Naturschützer treiben den Schutz der Wiesenbrüter voran. Auch der Flecken Horneburg sitzt mit im Boot. Denn mehr Vogelschutz bedeutet auch mehr Naturerlebnis. Das steckt dahinter.
Horneburg. Vor fünf Jahren hatten Sabine Washof vom BUND und die Kreistagsabgeordnete Verena Wein-Wilke (Grüne) im TAGEBLATT deutliche Kritik am Zustand der Öko-Ausgleichsflächen für den A26-Bau geübt. Die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hatte die Vorgaben aus dem Planfeststellungsbeschluss von 2004 nicht umgesetzt.
Die Folge: Der Wiesenvögel-Bestand im Bullenbruch war rückläufig. Prädatoren wie Fuchs und Marderhund schlugen sich beim Plündern der Gelege den Bauch voll. Laut Kreisbaurätin Madeleine Pönitz kamen Bund und Land nicht ihren gesetzlichen Aufgaben nach, ein Flächenmanagement fehlte.
Zeitgleich suchte die Karl-Kaus-Stiftung im Jahr 2020 nach Flächen. Der Bullenbruch bot sich an. Das Kreis-Naturschutzamt holte die Stiftung für Tier und Natur mit Sitz in Bremen/Buxtehude ins Boot. Das Ziel: Die Kompensationsflächen für den Straßenbau in der 640 Hektar großen Wiesen-, Weide- und Niedermoorlandschaft in ein Wiesenvogel-Paradies verwandeln.
„Für einen erfolgreichen Wiesenvogelschutz ist eine dauerhafte, engmaschige naturschutzfachliche Gebietsbetreuung direkt vor Ort ein entscheidender Faktor - als Schnittstelle zwischen Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Naturschutz“, sagt Naturschutzamtsleiter Dr. Uwe Andreas.
Wiesenbrutvogelgebiet von nationaler Bedeutung im Bullenbruch
Der Bullenbruch habe „nationale Bedeutung“ als Wiesenbrutvogelgebiet, sagt der Geschäftsführer der Karl-Kaus-Stiftung, Henning Kunze. Zwischen Bahn und Autobahn nisten Kiebitz, Bekassine, Kiebitz, Löffelente oder Knäkente, gelegentlich auch der Wachtelkönig. Doch die Stiftung habe nicht die Vogelwelt im Blick, sondern auch Insekten, Amphibien, Fische und Pflanzen. Die Grüne Mosaikjungfer - eine vom Aussterben bedrohte Libellenart - ist gesichtet worden. Im Jahr 2023 habe die Stiftung erstmals den Fischotter nachweisen können.

Wiesenbrüterparadies: Blick von der Kreisstraße auf den von Gehölzen befreiten Bullenbruch. Foto: Vasel
Die Vogelarten benötigen zwingend weiträumig offenes, möglichst extensiv genutztes Feuchtgrünland mit vielen Gräben. Deshalb haben Stiftung und Naturschutzamt im Herbst/Winter unzählige Gehölze entfernt. Vorher war das Meideverhalten der Vögel mit einer Kartierung untermauert worden. Hintergrund: Die Wiesenvögel nisten am Boden. Nest- und Kükenräuber wie Fuchs und Rabenkrähe fallen aus Gehölzen und Bäumen über die Vögel her. Deshalb meiden Wiesenbrüter diese Bereiche von Natur aus. Sie benötigen nämlich weites Offenland, um ihre Feinde rechtzeitig zu entdecken. Mittlerweile ist das Wiesenvogelkerngebiet nahezu gehölz- und buschfrei.
Abholzung schützt Wiesenbrüter vor hungrigen Räubern
Knaus verweist auf alte Karten. Demnach habe der Bullenbruch seit Jahrhunderten einer baum- und buschfreien, moorreichen Niederung geglichen. Aktuell sind noch Bagger unterwegs. Weil nach der Abholzung der Wetterschutz fehlt, werden Unterstände für Galloway & Co. errichtet. Die Ersatzpflanzungen werden im Randbereich als Pufferzonen dienen. Außerdem sollen diese Lärm- und Lichtemissionen von Kreisstraße und Autobahn mindern.
Doch das allein reicht nicht. Eine Vernässung in dem 50 Hektar großen Kerngebiet ist notwendig. Dazu hat das Büro für ökologisch begründeten Wasserbau eine Machbarkeitsstudie im Kreisauftrag erstellt. Gräbenverläufe und -strukturen müssen verändert, Rohre verlegt und Stauanlagen eingebaut werden. 335.000 Euro wird der Umbau der Gewässer kosten. Dafür muss die Untere Wasserbehörde noch ihr Okay erteilen.

Die Löffelente ist dank des Engagements der Karl-Kaus-Stiftung und Kreis-Naturschutzamt zurück im Bullenbruch. Foto: Henning Kunze
Kunze rechnet im Winter 2026/2027 mit der Umsetzung. Steile Gräben werden bereits in der zweiten Jahreshälfte 2025 abgeflacht. Kunze. „Das sind Kükenfallen.“ Die Entnahme der Gehölze werde - verbunden mit dem Wasser- und Bewirtschaftungsmanagement - die positive Entwicklung weiter fördern. Mehr Vögel brüten mit Erfolg. Beim Kiebitz sehe es nach ersten Maßnahmen „wieder positiv aus. Auch Löffel- und Krickente sind zurückgekehrt“, freut sich der Biologe. Krickenten sind echte Weltenbummler, sie ziehen im Überwinterungszug in Gebiete südlich der Sahara. Sie stehen auf der Roten Liste.

Biologe Henning Kunze mit einer Wiesenvogelkarte vom Bullenbruch. Foto: Kreis Stade/Schmidt
Nach der Brutzeit werde der Wasserstand wieder abgesenkt. Schließlich müssen die Wiesen mit ihrer artenreichen Grünlandvegetation durch Landwirte bewirtschaftet werden. „Es ist eine Kulturlandschaft mit einem Wiesenvogelgebiet von nationaler Bedeutung“, sagt der Biologe. Das Naturerlebnis soll nicht zu kurz kommen. Es soll verbessert werden. Info-Tafeln und eine gelenkte Wegeführung sind geplant. Außerdem soll eine „Wegeverbindung durch den Bullenbruch nach Westerladekop“ realisiert werden. Die Naturschützer bitten Ausflügler, Wege nicht zu verlassen. Hunde sollten nicht nur während der Brutzeit angeleint sein.
Flecken Horneburg unterstützt das Konzept
Der Fleckenrat Horneburg stimmte als Eigentümer der Wegenutzung des Wiesenbrüter-Konzepts zu. Bürgermeister Jörk Philippsen (FWG): „Als Angler bedauere ich, dass wir Gewässer verlieren. Mit Blick auf Spaziergänger und Fahrradfahrer begrüße ich die Pläne - vor allem wegen der Wegeverbindung nach Ladekop.“ Philippsen wünscht sich zusätzlich einen Parkplatz für die Ausflügler an der K36.