TNeu in Buxtehude und wenig Kontakte? Dieser Trend soll Abhilfe schaffen

Wala (links) und Cheyanne bereiten in der Küche der Volkshochschule Buxtehude Salat für alle zu. Foto: Sulzyc
Beim gemeinsamen Kochen und Essen in ihrer Küche bringt die Volkshochschule Neubürger in Buxtehude zusammen. Ziel ist das gegenseitige Kennenlernen. Klappt das?
Buxtehude. Anschluss in einem neuen Wohnort zu finden, fällt vielen Menschen schwer. Vor allem Erwachsenen, die viel Zeit im Beruf verbringen. Wala (27) ist aus Schwerin zu ihrem Freund nach Buxtehude gezogen. Um neue Leute kennenzulernen, hat sie sich für das Neubürger-Dinner an der Volkshochschule (VHS) Buxtehude angemeldet. „Weil ich mich nicht nur mit meinem Freund unterhalten möchte“, sagt sie.
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Das Angebot ist brandneu. „Meet and Eat“ nennt es sich in englischer Sprache. Der deutsche Zusatztitel erklärt die Idee: „Zusammen is(s)t man weniger allein.“ Die Volkshochschule verschafft an einem Abend in ihrer Küche beim gemeinsamen Kochen und Essen Begegnungen - im besten Fall entstehen daraus Bekanntschaften. Am Mittwochabend hatte „Meat & Eat“ Premiere.
Frauen sind hier in der Mehrzahl
Acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer finden sich an diesem Abend in der Cafeteria im Buxtehuder Volkshochschulgebäude ein: sechs Frauen, zwei Männer. Fast alle im berufsfähigen Alter. Manche sind unter 30 Jahre alt. Bei jungen Leuten unter 30 Jahren sei fast jeder Zweite zumindest teilweise von Einsamkeit betroffen. Das jedenfalls ergab eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Bertelsmann-Studie.
Keinen Altersgenossen in der Runde findet Hans. Im Alter von 89 Jahren kennt er das. „Nach dem Tod meiner Frau bin ich vor Jahren aus Jork nach Buxtehude gezogen“, sagt er.

Hans (89) kostet das Dessert mit dem Namen „Verschleiertes Bauernmädchen“. Er ist aus Jork nach Buxtehude gezogen. Foto: Sulzyc
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen sich zu Beginn in wenigen Sätzen vor. Bei „Meet & Eat“ duzt sich jeder. Sichtbar trägt jeder einen Streifen Kreppband auf der Kleidung. Darauf steht jeweils der Vorname.
Marcus steht mit einem Stift auf das Kreppband geschrieben, das der Kursleiter trägt. Normalerweise lehrt er an der VHS Norwegisch. An diesem Abend aber bezeichnet er sich als Socializer. Er ist Gastgeber, Küchenhilfe und Conférencier zugleich. Social Dining heißt der Trend, bei dem sich Wildfremde zu einer gemeinsamem Mahlzeit treffen. Das Ziel ist, andere Menschen kennenzulernen.
Mit dem Leben in Buxtehude verbinden die Neubürger Erwartungen: „Ich bin nach 20 Jahren in Hamburg vor drei Monaten nach Buxtehude geflüchtet“, erklärt Jule. Aus Berlin ist Julie hinzugezogen - also auch raus aus der Großstadt. Beim Landkreis Stade arbeitet sie jetzt als Planerin.
Auf das Angebot „Meat & Eat“ aufmerksam gemacht hat mehrere Teilnehmerinnen ein Hinweis in der sogenannten „Neubürger-Tüte“. Damit empfängt die Hansestadt Buxtehude Hinzugezogene. Nettes enthält sie, zum Beispiel Gutscheine für einen Theaterbesuch oder eine Stadtführung. Anderes mutet skurill an: So steckt ein Merkblatt zur Katzenhaltung in Buxtehude darin.

Antje (links) und Julie stellen aus Zucchini und Kartoffeln Klöße her. VHS-Leiter Dirk Pohl (2. von links) und Socializer Marcus unterhalten sich mit ihnen. Foto: Sulzyc
Begegnung geht durch den Magen, das ist das Konzept beim Neubürger-Dinner. Marcus hat die Zutaten mitgebracht. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben jeweils einen Obolus von 10 Euro bezahlt.
Welche Mahlzeit könnte allen schmecken? Gar nicht so einfach zu entscheiden, wenn Fremde füreinander kochen. Marcus setzt auf diesen Speiseplan: herzhafte Waffeln, Zucchini-Kartoffelklößchen mit Salat - und zum Dessert „Verschleiertes Bauernmädchen“. Die geschichtete Süßspeise, im Glas angerichtet, ist eine Spezialität aus Schleswig-Holstein und auch in Dänemark beliebt.

Auf der Speisekarte bei der Premiere des Neubürger-Dinners an der VHS Buxtehude: Klöße aus Zucchini und Kartoffeln. Foto: Sulzyc
Fähigkeiten im Kochen haben offenbar alle. Von allein bilden sich unterschiedliche Gruppen. Manche schneiden Zwiebeln, andere Kartoffeln. Gespräche untereinander entwickeln sich: „Woher kommst Du? Was machst Du beruflich?“ Was Leute eben reden, wenn sie sich kennenlernen.
Wie überall im Leben, gelten auch bei „Meat & Eat“ allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Volkshochschule hafte nicht, wenn jemand sich mit dem Messer in den Finger schneidet, erklärt VHS-Leiter Dirk Pohl. Das müssen mit der Anmeldung alle unterschreiben.

Das Ergebnis schmeckt und ist eine Freude für die Augen: Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen sich von den Speisen, die sie gemeinsam zubereitet haben. Foto: Sulzyc
Manchen Menschen gelingt es leicht, auf andere zuzugehen. Anderen fällt das ungeheuer schwer. In der Gruppe sich fremder Neubürger jedenfalls wirkt die Atmosphäre unverkrampft. Niemand bleibt allein. Warum das klappt, erklärt Jule: „Beim gemeinsamen Schnippeln hat jeder etwas zu tun und man kommt ins Gespräch.“
Aber entstehen auch Bekanntschaften, die über den Abend hinausgehen? Das hängt von den Einzelnen ab. Es ist der 89 Jahre alte Hans, der vorschlägt, über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe in Kontakt zu bleiben.
„Meat & Eat“ - so geht es weiter
Ein zweites Neubürger-Dinner folgt am Mittwoch, 12. November. Beim Essen kommt diese Idee auf: „Hinterher könnte die September-Gruppe mit der November-Gruppe zusammen kochen.“
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