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Politik

TNeue AfD-Ortsverbände: Das sagen die erfahrenen Kommunalpolitiker

Einblick in eine Abstimmung im Stader Kreistag.

Abstimmung im Stader Kreistag: Dort ist die AfD mit drei Abgeordneten vertreten. Foto: Landkreis Stade, Beneke

Die AfD baut ihre Strukturen aus und breitet sich mit neuen Ortsverbänden bis in die Landgemeinden aus. Die Kommunalpolitik vor Ort reagiert mit Gelassenheit, aber auch großer Sorge.

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Von Susanne Helfferich,
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Von Grit Klempow
Montag, 01.09.2025, 19:20 Uhr

Kehdingen-Oste. Durch die Gründung zweier neuer Ortsvereine könnte die AfD bei der Kommunalwahl 2026 in den Kehdinger Kommunen und Oldendorf-Himmelpforten antreten. TAGEBLATT hat Politikerinnen und Politiker aus den Kommunen um ihre Einschätzung gebeten.

Horst Wilkens
, CDU-Fraktionsvorsitzender, Vorsitzender des Samtgemeindeverbandes Nordkehdingen und Mitglied des Kreistages, sagt: „Die Kreistagsmitglieder der AfD sind auf kommunaler Ebene Neulinge, kommunalpolitisch kommt da wenig von der AfD.“ Die Partei punkte vielleicht bei bundes- oder landespolitischen Themen, „aber bei lokalen Themen ist konkretes Handeln gefragt, da ist sie schwach“.

Die Ortsvereine und -verbände der AfD seien sehr weit gefasst. Das zeige, dass sie vor Ort keine Leute fänden, die das Gesicht der AfD sein wollten, so Wilkens. Daher plane der örtliche CDU-Samtgemeindeverband, potenzielle AfD-Wähler direkt anzusprechen. „Wir wollen wissen, was diese Menschen von der Kommunalpolitik erwarten.“

Ortsverband Kehdingen war „eine Frage der Zeit“

„Dass die AfD mit Sebastian Sieg aus Drochtersen, der bekanntermaßen dem Kreisvorstand der Partei angehört und bereits als Kandidat für die Bundes- und Landtagswahl angetreten war, einen Ortsverband Kehdingen gründet und dessen Vorsitzender wird, war nur eine Frage der Zeit“, sagt Jonny Röndigs, Vorsitzender des Nordkehdinger SPD-Ortsvereins.

„Überrascht sind wir allerdings darüber, dass die AfD in Drochtersen und Nordkehdingen bereits 32 Mitglieder hat.“ Mit Blick auf die kommende Kommunalwahl stellt Röndigs klar: „Wir werden uns an den Beschluss unserer Partei - keine Zusammenarbeit mit der AfD - auch auf kommunaler Ebene halten.“

Die SPD wolle sich für die künftige Einheitsgemeinde Nordkehdingen so aufstellen, dass alle Ortsteile gut vertreten sind. „Aus unserer Sicht ist es zwingend notwendig, vor Ort themenbezogen mit allen demokratischen Parteien zusammenzuarbeiten, um die anstehenden Aufgaben in einem breiten politischen Konsens anzugehen“, so der SPD-Vorsitzende.

Dietmar Stüven, FWG Nordkehdingen.

Dietmar Stüven, FWG Nordkehdingen. Foto: Stüven

Für die FWG, die in Nordkehdingen nur in Oederquart vertreten ist, erklärt Dietmar Stüven: „Die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD steht nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung, sondern sie bekämpft sie.“

Wer Demokratie, Menschenwürde und die Grundlagen des Sozialstaates angreife, sei kein politischer Mitbewerber, sondern eine Gefahr für die Demokratie als Ganzes. „Wir gehen damit zunächst neutral um, werden Dinge abarbeiten wie bisher in den Fraktionen und erzielen dort auch eine Einigkeit.“

„Beste Kandidaten für die politische Mitte finden“

André Weseloh, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbandes in Drochtersen, erklärt, die aktuelle Gründung von Ortsverbänden der AfD folge nur dem Trend auf Bundesebene. „Der schlechteste Fall wäre, dass die AfD unbedingt eine Alternative darstellen will, deshalb schlicht gegen alles ist und somit Lösungen für die Bürger erschwert oder gar verhindert“, so Weseloh.

Bisher hätten in Drochtersen CDU, SPD und FWG vertrauensvoll und sachlich zusammengearbeitet. Um sicherzugehen, dass sich das nicht ändert, bleibe nur, „weiterhin einen guten Job zu machen, ein Wahlprogramm für die nächsten fünf Jahre aufzustellen und die besten Kandidaten“ für die politische Mitte zu finden. Er habe das Gefühl, dass die Gründung von AfD-Ortsverbänden die Kandidatensuche eher erleichtere. „Viele spielen neuerdings mit dem Gedanken einer Kandidatur, um der AfD etwas entgegenzusetzen“, so Weseloh.

SPD Drochtersen ist in Sorge

„Wir sehen die politischen Entwicklungen in Deutschland und auch hier in Drochtersen mit großer Sorge“, sagt Jan Büther, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins und Ratsmitglied in Drochtersen. Rechte und rechtsextreme Kräfte - allen voran die AfD - spalteten die Gesellschaft, schürten Hass und bedrohten die Grundlagen der Demokratie.

„Für mich persönlich und für uns als SPD Drochtersen ist klar: Wir stellen uns dem entschieden entgegen. Unsere Art, Politik auf kommunaler Ebene zu machen - eine bodenständige, unaufgeregte Sachpolitik für alle Menschen vor Ort - wird sich nicht ändern.“ Die Drochterser SPD lasse sich nicht von Populismus treiben, sondern handele weiterhin lösungsorientiert und sozial. Auch er stelle fest, dass gerade viele jüngere Menschen aktiv für Demokratie und Zusammenhalt einträten; spürbar an einem starken Mitgliederzuwachs. „Das zeigt uns: Die Mehrheit steht für Respekt, Solidarität und ein friedliches Miteinander.“

„Permanente ausländerfeindliche Äußerungen“

Cornelius van Lessen, Frontmann der FWG in Drochtersen, schießt gegen SPD und CDU: Die AfD könne locker in Schranken gehalten werden, wenn „die selbsternannten Volksparteien“ die Sorgen der Menschen ernst nähmen. Er verweist als Beispiel auf den schlechten Straßenzustand im Nordkreis der L 111 bei Kreuel und der B 495 sowie den fehlenden Ausbau des ÖPNV.

Das Bundesverwaltungsgericht habe erst kürzlich wieder entschieden, dass die AfD mit ihren permanenten ausländerfeindlichen Äußerungen gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verstoße. Gegenstand des Verfahrens sei das Programm der AfD zur Bundestagswahl 2025, insbesondere die Pläne der AfD, Kommunen und Bundesländern Steuereinnahmen zu streichen und die Verluste durch Zuweisungen vom Bund auszugleichen.

Personen zählen statt Parteizugehörigkeit

Die FWG in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten will die Gründung der AfD-Ortsverbände vorerst nicht kommentieren. Frank Wassermann vom Vorstand der CDU in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten und Fraktionsvorsitzender im Samtgemeinderat setzt darauf, dass auf kommunaler Ebene Personen mehr zählen als eine Parteizugehörigkeit.

Frank Wassermann, Fraktionsvorsitzender der CDU im Samtgemeinderat Oldendorf-Himmelpforten.

Frank Wassermann, Fraktionsvorsitzender der CDU im Samtgemeinderat Oldendorf-Himmelpforten. Foto: CDU

„Jeder sollte die Person wählen, der er den größten Sachverstand verbunden mit einem hohen persönlichen Einsatz zutraut. Überregionale Parolen, verbunden mit allgemeinen Floskeln und ewiger Meckerei bringen keine Kommune voran“, sagt er.

Spätestens, wenn die AfD ihre Kandidaten für die Kommunalwahl bekanntgebe, werde sich die Frage stellen, wie diese die Samtgemeinde oder die Gemeinden nach vorne bringen wollten. Er gehe davon aus, dass außer Floskeln und Parolen nicht viel Inhaltliches komme, sagt Wassermann. „Nach meiner Einschätzung werden die Wählerinnen und Wähler keine Argumente für AfD-Kandidaten finden.“

Stärkeres Miteinander der demokratischen Kräfte

Die Grünen im Ortsverband Oldendorf-Himmelpforten und Kehdingen sehen die Gründung der AfD-Ortsverbände mit Bauchschmerzen. Ursula Männich-Polenz ist im Vorstand von Bündnis90/Die Grünen. Sie erlebt die Redebeiträge der AfD-Fraktion im Stader Kreistag zum Teil als „menschenverachtend und kaum auszuhalten“.

Grünen-Vorsitzende Ursula Männich-Polenz.

Grünen-Vorsitzende Ursula Männich-Polenz. Foto: Grüne

Die Grünen blicken zuversichtlich auf die Kommunalwahl und wollen ihre Themen in den Vordergrund stellen. Die Partei sieht sich personell gestärkt - die Mitgliederzahl ist mit 40 auf einem neuen Hoch. Ursula Männich-Polenz setzt auf ein stärkeres Miteinander der etablierten demokratischen Kräfte. Vielleicht könnten Themen auch gemeinsam besetzt werden, so Männich-Polenz.

„Für uns wird es keine Zusammenarbeit, in keinster Weise, mit der AfD geben“, kündigt Annekatrin Wolff-Meuter, Vorsitzende der SPD Oldendorf-Himmelpforten, an. Dennoch geben sich die Sozialdemokraten zunächst gelassen. Die SPD will das Gespräch mit den demokratischen Parteien vor Ort suchen und ein gemeinsames Zeichen setzen, noch enger zusammenzuarbeiten, so die Ortsvereinsvorsitzende. Sie betont, dass gerade im Samtgemeinderat die Zusammenarbeit sehr sachlich und gut sei. Für die SPD stehe jetzt im Vordergrund, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und inhaltliche Debatten zu führen.

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