TUmstellung beim Kabel-TV: Verkäufer drohen Kunden an Haustür

Wenn Mieter in Kürze nicht vor einem schwarzen TV-Bildschirm sitzen wollen, sollten sie jetzt Einzelverträge abschließen. Foto: Till Simon Nagel/dpa
„Sie wissen ja: Bald wird das Kabelfernsehen abgestellt. Dann bleibt Ihr TV-Bild schwarz“: Das hören zahlreiche Betroffene derzeit an ihrer Wohnungstür. Das ist dran und das müssen Sie wissen.
Landkreis/Düsseldorf/Berlin. Ab Juli müssen Mieter Gebühren für etwaiges Kabel-TV im Haus nicht länger pauschal über die Nebenkosten bezahlen. Vermieter werden zu Ende Juni bestehende Sammelverträge mit dem örtlichen Kabelnetzbetreiber kündigen.
Schließlich dürfen sie die Kosten fortan nicht mehr ohne Einverständnis umlegen. Betroffene Mieterinnen und Mieter sollten sich also schon einmal überlegen, wie und von wem sie Fernsehen künftig empfangen wollen.
Ende des Kabel-TV-Zwangs: 6,6 Millionen Haushalte sind betroffen
Betroffen von der Änderung sind Zahlen der AGF Videoforschung zufolge etwa 6,6 Millionen Haushalte in Deutschland, die weder Satelliten- noch Antennenempfang haben und deren Kabelgebühren vom Vermieter über die Nebenkosten abgerechnet werden - unabhängig davon, ob sie den Kabelanschluss tatsächlich nutzen. Der Kabel-TV-Zwang betrifft insgesamt bundesweit sogar rund zwölf Millionen Mieter.
Allerdings haben sich erst 14 Prozent der betroffenen TV-Haushalte sich bisher mit der Thematik beschäftigt, wie eine Kantar-Umfrage im Auftrag von AGF ergeben hat.
Nicht an der Haustür unter Druck setzen lassen
Niemand sollte sich aber an der Haustür oder am Telefon von selbst ernannten Medienberatern oder Medienberaterinnen unter Druck setzen lassen, einen neuen Einzelvertrag fürs Kabel-TV zu unterschreiben, sagt Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.
Denn Live-TV kommt nicht nur übers Kabel, sondern auch per Antenne, Satellit oder Internet ins Haus. Hier gilt es, den individuell besten Weg zu finden und dabei auch die jeweiligen Kosten abzuwägen.
Die sogenannten Berater beraten aber nicht, sondern agieren nur als Vertreter für einen Kabel-TV-Vertrag, schüren dabei Ängste und bauen Drohkulissen auf. „Wenn das Fernsehen nicht mehr funktioniert, dann ist wirklich Schluss mit lustig bei vielen Leuten“, sagt Gundall. Das nutze der ein oder andere Vertreter „dann eben provisionsfördernd aus“.
Für 40 Prozent kommt spontaner Wechsel infrage
Von den betroffenen TV-Haushalten können sich laut Kantar-Studie derzeit etwa 40 Prozent vorstellen, die Empfangsart zu wechseln, rund 36 Prozent könnten sich vorstellen, beim Kabelanschluss zu bleiben und etwa 24 Prozent konnten dazu noch nichts sagen.
Von den wechselwilligen Haushalten ist mehr als die Hälfte (52,5 Prozent) noch unentschieden, welche Empfangsart sie wählen würde. Deutlich mehr als jeder dritte Haushalt (35,9 Prozent) will TV übers Internet streamen und knapp jeder neunte Haushalt (11,6 Prozent) Fernsehen über Antenne oder Satellit empfangen.
Neue Chance für Kabel-TV-Kunden
Nun endet das in den 80ern eingeführte Nebenkostenprivileg, das den Kabelnetzbetreibern Vodafone und Tele Columbus einen Vorteil beschert hat. Eine Alternative zum Kabelfernsehen ist die TV-Übertragung über das Internet, Anbieter wie Magenta TV von der Deutschen Telekom sowie Waipu und Zattoo sehen sich nun im Aufwind.
Die Platzhirsche müssen sich auf Kundenverluste einstellen, denn ein Teil der Mieter will heraus aus der bisherigen Pflichtzahlung. In einer Investorenpräsentation geht Vodafone auf die Folgen der Gesetzesänderung ein und nennt hierbei eine Jahresumsatzzahl von circa 800 Millionen Euro. Darüber hatte zuvor die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Diese Zahl bezieht sich auf 8,5 Millionen TV-Kunden, die über Wohnungsbaugesellschaften kommen. Insgesamt hat Vodafone nach eigenen Angaben 13 Millionen Kabelkunden - dessen größter Teil muss nun also vertraglich neu geregelt werden.
„Es wird sicherlich herausfordernd“, sagt Vodafone-Manager Marc Albers mit Blick auf die drohenden Einbußen. „Wir sind dennoch optimistisch, dass wir mit unseren Angeboten die Mieter auch künftig überzeugen.“ Von Tele Columbus heißt es, es gebe „gewisse geschäftliche Risiken“.
Für Kabelkunden wird es etwas teurer
Die Firmen bieten nun neue Verträge und Vereinbarungen an, mit denen Mieter außerhalb der Nebenkosten weiterhin von relativ günstigen Konditionen profitieren können. Hierfür sind die Kabelanbieter Kooperationen mit Wohnungsbaugesellschaften eingegangen. Denn das war ein Vorteil der bisherigen Umlagefähigkeit: Weil die Vermieter mit den Kabelanbietern große Verträge mit vielen Nutzern abschlossen, war der Durchschnittspreis pro Wohnung niedrig - bei Vodafone waren es Firmenangaben zufolge bislang sieben bis neun Euro.
Künftig sollen es acht bis zehn Euro sein - vorausgesetzt, es wird eine dieser neuen Vereinbarungen genutzt, die eine gewisse Menge an Abnehmern enthält. Liegt hingegen kein Rahmenvertrag vor und ist der Mieter als Einzelkunde auf sich allein gestellt, muss er bei Vodafone künftig monatlich knapp 13 Euro berappen.
Im Kampf um die Kundengunst setzt Vodafone auch auf die Macht der Gewohnheit. „Die Marktforschung zeigt, dass viele Mieter eher „Fernseh-Puristen“ sind, denen ihre gewohnten Programme wichtiger sind als Streaming-Dienste oder Internetfernsehen“, sagt Albers. „Niemand möchte Kabel umstecken, zusätzliche Geräte installieren, eine zweite Fernbedienung verwenden oder Programme neu sortieren. Beim Fernsehempfang über Kabel bleibt alles so, wie es ist.“
Konkurrenten wittern ihre Chance
Bei der Telekom sieht man das anders, der zuständige Manager Arnim Butzen verweist auf die veränderten Gewohnheiten vieler Menschen. „Anders als beim Kabelfernsehen sind Magenta-TV-Kunden nicht an einen Ort wie das Wohnzimmer gebunden“, sagt er. „Sie sehen fern, wann und wo sie möchten: zuhause auf dem TV-Gerät, in der Bahn auf dem Smartphone oder auf dem Balkon mit dem Tablet.“
Die Wettbewerber hoffen auf einen möglichst großen Anteil am Markt, der bisher fest in der Hand von Vodafone & Co. ist. „Nach unserer Einschätzung könnten die Kabel-Anbieter bis zu zwei Drittel ihrer TV-Haushalte verlieren“, sagt Telekom-Mann Butzen. „Der Wegfall des Nebenkostenprivilegs ist für unser TV-Angebot eine große Chance, wir können nur gewinnen.“ Man rechne mit einem deutlichen Kundenzuwachs. Vodafone hingegen verweist auf eine selbst in Auftrag gegebene Umfrage, der zufolge die meisten Kabel-Kunden eigentlich keine Änderungen wollen.
Frank Lilie vom Satelliten-TV-Anbieter Astra hält viele Marktprognosen zwar für spekulativ. „Klar ist aber: Es wird eine Bewegung weg vom Kabel geben - und davon wird der TV-Empfang über Satellit profitieren.“ Ein Fernsehzugang über eine Satellitenschüssel am Balkon oder auf dem Dach ist eine Alternative zum Kabel-Fernsehen. Außerdem gibt es noch Antennenfernsehen sowie besagte Onlinedienste.
Wer einen Internetanschluss hat, kann zum Beispiel über Waipu.tv Zugriff auf eine Vielzahl an Fernsehsendern und Streamingdiensten bekommen. Firmenangaben zufolge hat Waipu bereits 1,3 Millionen zahlende Abokunden, Tendenz steigend. Auch Konkurrent Zattoo ist nach eigenen Angaben auf dem aufstrebenden Ast. Man sehe in dem Auslaufen der gesetzlichen Frist „enorme Chancen“ und gehe davon aus, von den wechselwilligen bisherigen Kabelkunden „einen signifikanten Anteil von unserem Angebot überzeugen zu können“, heißt es von Zattoo.
Abschaltungen nach Fristende ab 1. Juli
Und was passiert, wenn bis zum 1. Juli nichts passiert - wenn die Frist verstreicht und noch keine vertragliche Neuregelung oder noch kein Wechsel auf einen anderen Übertragungsweg erfolgt ist? Die Abschaltungen erfolgten sicherlich „nicht auf einen Schlag“, sagt Artymiak. „Richtig ist aber, Kabelanschlüsse ohne Vertrag werden schlussendlich stillgelegt.“ (dpa)
Mehr Verbraucherbeschwerden über Haustürgeschäfte
Die Verbraucherzentralen dringen auf einen besseren Schutz vor Haustürgeschäften wie unter anderem mit Glasfaseranschlüssen oder Energieangeboten. Von Januar bis Oktober erfassten sie dazu nach eigenen Angaben insgesamt gut 5400 Beschwerden - ein Anstieg von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Chefin des Bundesverbands, Ramona Pop, sagte der Deutschen Presse-Agentur, Verbraucherinnen und Verbraucher würden in den eigenen vier Wänden überrumpelt. „Teilweise werden ihnen dann Verträge untergeschoben, die sie unter anderen Umständen kaum abgeschlossen hätten.“
Pop betonte: „Wir brauchen einen besseren Schutz vor solchen Belästigungen und Vertragsfallen.“ Wichtig sei, dass Haustürbesuche nur nach vorheriger Einwilligung der Verbraucherinnen und Verbraucher erlaubt würden - wie auch bei Telefonwerbung. Die Widerrufsfrist für Haustürverträge müsse zudem von 14 auf 30 Tage verlängert werden.
Von Januar bis Oktober bezogen sich den Daten zufolge 35 Prozent der Beschwerden bei den Verbraucherzentralen über Haustürgeschäfte auf Festnetz-Angebote für Telefonie und Internet. Es folgten Strom mit 13 Prozent und Mobilfunk-Angebote mit 6 Prozent. Den stärksten Anstieg bei den Beschwerden gab es demnach bei Mobilfunk - gefolgt von erneuerbarer Energie und Festnetzangeboten.