TNeue Köhlbrandbrücke in acht Jahren bauen? „Das muss doch möglich sein!“

Andreas Pfannenberg ist seit Juni 2024 Chef des Hamburger Industrieverbands. Foto: Dennis Williamson/IVHH
Die Hamburger Wirtschaft sieht sich nicht erst seit der Vorstellung der Konjunkturprognose für 2025 vor unsicheren Zeiten. Dennoch fällt die Prognose des Industrieverband-Chefs nicht nur düster aus.
Hamburg. TAGEBLATT: Herr Pfannenberg, die Konjunkturprognose für 2025 zeichnet ein eher düsteres Bild von der deutschen Wirtschaft. Seit der Vorstellung Mitte November reißen die schlechten Nachrichten tatsächlich nicht ab, oder täuscht der Eindruck?
Andreas Pfannenberg: Der Eindruck ist sicher da, wobei ich ganz ehrlich sagen muss, dass diese Nachrichten nicht überraschend kommen. Aber mit der Politik ist es eben so, dass es erst gewisse Triggerpunkte geben muss, bis reagiert wird. Das sind Steuereinnahmen und das sind Arbeitslosenzahlen. Die Steuereinnahmen werden im kommenden Jahr zumindest in Hamburg wieder nicht knapp ausfallen …
... dafür geht die große Job-Angst um ...
... und auch dem letzten Politiker wird klar, dass in Deutschland etwas schiefläuft.
Und das wäre?
Vor allem wurde unsere Energiewende falsch angepackt. Es wurde versucht, das Thema mit der Brechstange politisch zu lösen und nicht, indem man sagt, was technisch geht und wie man diesen Pfad aufzeichnen kann. Stattdessen wurde die Energiewende ideologisch durchgedrückt. Solar, Wind, Wärmepumpen - etwas anderes schien es nicht zu geben.
Und nun zahlen wir dafür die Quittung?
Nehmen Sie nur das Beispiel Elektroautos. Am Freitag wurde über die Förderung diskutiert, am Sonntag war das Geld aus. Und alle, die diese Förderung fest in ihr Budget eingerechnet hatten, standen im Regen. Das ist natürlich keine Politik, die Vertrauen schafft. Ähnlich ist es mit dem Heizungsgesetz auch gelaufen. Eine Heizung tausche ich nicht aus, weil irgendjemand mit einem Förderscheck wedelt, sondern wenn das Produkt abgeschrieben und der Bedarf da ist. Aber den Leuten wurde suggeriert, dass ihr Haus nichts mehr wert ist, wenn sie nicht sofort sanieren. So etwas schlägt auch auf die Wirtschaft durch.
Inwiefern?
Wenn Sie heute einen Politiker fragen, wo der Strompreis liegen wird, wenn wir 2030 aus der Kohle aussteigen - dann ist da Schweigen. Wenn Sie aber ein Industrieunternehmen haben, das so viel Strom verbraucht wie eine Kleinstadt, was 80 Prozent Ihrer Kosten ausmacht, dann werden Sie sich dreimal überlegen, ob Sie noch in Deutschland investieren oder ins Ausland gehen, wo man Ihnen für zehn Jahre einen bestimmten Strompreis garantiert.
Wie ist die Lage der Industrie in Hamburg und Schleswig-Holstein, verglichen mit der allgemeinen Situation in Deutschland?
Hamburg und Schleswig-Holstein haben eine sehr diverse Industrie- und Wirtschaftslandschaft. Das macht sie natürlich etwas resilienter gegenüber der Wirtschaft in Bundesländern, wo Sie zum Beispiel sehr viel Maschinen- oder Automobilbau haben.
Macht Ihnen das Mut für die Zukunft?
Ich glaube, jeder Unternehmer ist von seiner Grundeinstellung her optimistisch. Es ist jetzt wichtig, dass wir nach der Wahl sehr schnell Weichen stellen, um die Wirtschaft wieder in geordnete Bahnen zu bringen.
Wie soll das vonstattengehen?
Ich sehe die Energieversorgung als das elementare Problem. Wenn wir Kraftwerke abschalten, müssen wir Alternativen aufbauen. Aber wir warten jetzt seit zwei Jahren auf eine Kraftwerkstrategie vom Wirtschaftsministerium, aus der hervorgeht, wie wir nach dem Kohleausstieg diese Kapazität ersetzen wollen. Wir haben noch fünf Jahre. Wenn wir uns vor Augen führen, dass es in etwa so lange dauert, ein einziges Gaskraftwerk, das nachher mit Wasserstoff betrieben wird, aufzubauen, muss ich kein Hellseher sein, um auszurechnen, dass es vermutlich nicht funktionieren wird, 20 Kraftwerke in fünf Jahren zu bauen.
Was wären denn Alternativen?
Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Kernkraft, aber wir haben drei Kernkraftwerke, die kurz vor dem Rückbau sind. Und wenn das eben die einzige Variante ist, die mir Energie liefert, außer ich kaufe Atomstrom aus Frankreich oder Kohle aus Polen, dann muss ich darüber zumindest nachdenken. Ebenso darüber, ob wir es wirklich schaffen, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen. Wir haben vier Jahre lang einen Green Deal verfolgt, bei dem es nur um Klimaneutralität ging. Das hat uns in eine Sackgasse geführt. Was wir jetzt brauchen, ist ein Industrial Deal.
Kann Kernkraft wirklich noch ein Zukunftsmodell sein?
Es bedarf in jedem Fall einer ideologiefreien Diskussion darüber, technologieoffen und ohne Zwänge. Ich bin von Haus aus Ingenieur und die besten Ideen kommen, wenn man wirklich frei ist von Zwängen. Wir müssen alle technischen Optionen diskutieren, ob sie uns gefallen oder nicht, denn wir sind in einer extrem kritischen Situation.
Apropos „von Haus aus“: Wie war Ihr Werdegang?
Ich bin die zweite Generation, das heißt, meine Eltern haben das Unternehmen aufgebaut und ich bin buchstäblich hineingewachsen. Ich werde ab und an gefragt, wie lange ich schon im Unternehmen bin. Da sage ich immer: seit meiner Geburt. Es gab bei uns quasi kein Tischgespräch, bei dem nicht mindestens einmal das Thema Firma auftauchte. Ich hatte auch nie sechs Wochen Sommerferien, weil meine Eltern immer gesagt haben, okay, wenn wir was machen wollen im Sommer, dann musst du erstmal drei oder vier Wochen im Unternehmen arbeiten. Ich habe auch nie Zweifel daran gehabt, dass ich Elektrotechnik studieren würde.
Wirklich nie?
Nein, auch nicht in der Rückschau. Ich habe das nie bereut. Und ich habe auf diese Weise früh die Erfahrung gemacht, dass man dafür arbeiten muss, wenn man sich etwas leisten will.
Vermissen Sie diese Einstellung heute?
Ich glaube schon, dass man uns zu sehr in Watte packt in Deutschland. Es gibt eigentlich nichts, was den Menschen passieren kann, ohne dass der Staat versucht, es abzufedern.
Zum Beispiel?
Die Corona-Hilfen waren sicher an vielen Stellen berechtigt, an manchen Stellen meiner Ansicht nach aber auch übertrieben. Das hat den Eindruck erweckt: Egal, was passiert, der Staat wird es schon richten, dabei hätten eigentlich alle den Gürtel enger schnallen müssen.
Corona hat auch in den Köpfen Spuren hinterlassen ...
Natürlich haben wir alle ein Corona-Syndrom. Weil wir gemerkt haben, wie verletzlich die Welt und der Mensch ist. Wir haben lange nur den Weg nach oben gekannt, haben unsere Wirtschaft auf russischem Gas aufgebaut und uns darauf verlassen, dass die Amerikaner schon auf uns aufpassen. Das ist vorbei. Ich denke aber, dass die junge Generation auch daran wachsen kann.
Da ist er wieder, der Optimist ...
Was wir brauchen, sind stabile Verhältnisse, dafür haben wir alle am Wahltag im Februar den Stift in der Hand.
Eine Woche später wählt Hamburg.
Was Hamburg vom Bund unterscheidet, ist die gute Haushaltslage. Das schafft Handlungsspielraum. Aber auch wir haben drei Grundstoffindustrien. Stahl spielt dabei eine etwas kleinere Rolle, aber wir haben die größte Kupferhütte und eine der größten Aluminiumhütten Deutschlands. Und alle kämpfen mit dem Thema Strompreis. Den müssen wir auf ein Niveau bringen, das am Weltmarkt standhält. Denn wenn wir den Grundstoff verlieren, sprengt das letztlich die gesamte Wirtschaftskette, die daran hängt.
Vieles im Norden hängt am Hamburger Hafen. Welche Perspektive sehen Sie da?
Der Hafen hat seine „Ups and Downs“, aber es sind genug Spieler im Hamburger Hafen unterwegs, auf die man sich als feste Partner verlassen kann. Ich war kürzlich mit unserem Bürgermeister in Singapur. Dort wird gerade ein neuer Hafen gebaut, der nach der Fertigstellung auf 70 Millionen TEU Container jährlich ausgelegt sein wird. Das ist mehr als das Doppelte der aktuellen Kapazität und etwa zehnmal mehr im Vergleich zu Hamburg. Und warum? Weil man dort davon ausgeht, dass der Welthandel in den kommenden 20 Jahren in einer Weise zunehmen wird, die diese Kapazität nötig macht. Das ist für mich nach vorn gerichteter Optimismus. Wenn bei uns mal ein, zwei Jahre weniger Container umgeschlagen werden, herrscht direkt Untergangsstimmung.
Die Sie nicht teilen ...
Natürlich brauchen wir Investitionen. Aber wenn es heißt, dass wir noch 18 Jahre für eine neue Köhlbrandbrücke brauchen, und wenn man bedenkt, dass wir schon zwölf Jahre Planung und Diskussion hinter uns haben, dann ist das Projekt ein Paradebeispiel dafür, wie wir Bürokratie abbauen können. Was bedarf es denn, um in acht Jahren so eine Brücke zu bauen? Das muss doch möglich sein! Nachdem in Genua die Brücke eingestürzt ist, wurde innerhalb von zwei Jahren eine neue gebaut. Aber die Köhlbrandbrücke muss hoffentlich nicht erst zusammenfallen - lasst uns doch einfach eine neue Brücke neben die alte setzen. Wenn andere Nationen in Europa das schaffen, schaffen wir es auch.
Zur Person
Andreas Pfannenberg (67) wurde in Hamburg geboren. Schon als Schüler half er im von den Eltern 1954 in Hamburg-Allermöhe gegründeten Betrieb aus, neben dem Studium der Elektrotechnik fuhr er Ware aus und betrieb Messebau. Heute ist er Eigentümer und Aufsichtsratschef des mittelständischen Herstellers von Signaltechnologie und Kühlgeräten mit acht Niederlassungen und circa 330 Mitarbeitern in Hamburg und 700 weltweit. So entwickelte die Pfannenberg GmbH unter anderem die Blitzleuchten am Pariser Eiffelturm. Andreas Pfannenberg wurde im Juni 2024 Chef des Industrieverbands Hamburg und ist zudem Landesvorsitzender des Zentralverbands der Elektro- und Digitalindustrie. Der verheiratete Vater einer Tochter lebt in Hamburg-Wandsbek und schwingt sich in seiner Freizeit und im Urlaub, etwa auf Mallorca, gern aufs Rennrad, bezeichnet sich aber als „Schönwetterfahrer“.
Persönlich
Mein Lieblingsort in Hamburg ist ... der Alsterlauf.
Zwischen Franzbrötchen und Fischbrötchen wähle ich ... das Franzbrötchen.
Nicht widerstehen kann ich ... siehe oben: Süßigkeiten
Sauer werde ich bei ... Ignoranz.
Und lachen kann ich über ... sehr viele Dinge - ich sehe nämlich immer das Positive!