TOb A26 oder Surfpark: So lebendig ist das Verwaltungsgericht

Zwei Justizvollzugsbeamtinnen betreten das Verwaltungsgericht am Stader Sand. Foto: Strüning
Das Verwaltungsgericht Stade feiert 75-jähriges Bestehen. Das ist eng verbunden mit der Unterzeichnung des Grundgesetzes und stellt eine wichtige Stütze der Demokratie dar. Einzelne Menschen oder Gruppen können hier gegen den Staat vorgehen. Ein Einblick.
Stade. Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit zeigen die Wertigkeit und Alltagsnähe des Stader Verwaltungsgerichts: die Urteile zum Buxtehuder Autobahnzubringer über die Rübker Straße und die Planungen für den Surfpark in Stade. In beiden Fällen bekamen die Verwaltungen vor Ort, der Landkreis und die Stadt Stade, einen auf die Nase.
Zwischen Staatsgewalt und Bürgerrechten
So versteht sich das Verwaltungsgericht auch als ausgleichende Instanz zwischen Staatsgewalt auf der einen und Bürgerrechten auf der anderen Seite. Diese wichtige Rolle im Rechtsstaat wurde während eines Festakts zum Jubiläum am Dienstag im Königsmarcksaal des Stader Rathauses mehrfach betont. Beispiele gibt es genug.
Einst ging es häufig um Wehrdienstverweigerung, um Numerus-clausus-Verfahren bei der Zuweisung von Studienplätzen oder im Fall der Volkszählung um Datenschutz.
Auch Klagen gegen die Ansiedlung von Chemie-Betrieben auf Bützflethersand und der Bau des Stader Atomkraftwerks beschäftigten die Verwaltungsgerichte. Gleiches gilt für Sozialhilfe-Verfahren, wenn staatliche Zahlungen ausbleiben.
Die Corona-Pandemie und die staatlichen Auflagen dazu beklagten viele Menschen. Auch die hohe Zahl an Asylverfahren und in steigendem Maße Klagen im Sinne des Umwelt- und Naturschutzes, wie Wolfsabschuss oder Surfpark-Planungen, listete Dr. Thomas Smollich, Staatssekretär im Niedersächsischen Justizministerium und einst selbst Verwaltungsrichter, auf.
Verwaltungsgerichte kontrollieren den Staat
Gesellschaftliche Konflikte spiegelten sich häufig in den Verfahren wider. Verwaltungsgerichte, so seine Überzeugung, füllten das Grundgesetz mit Leben und seien eine Garantie der Grundrechte im Alltag. Sie seien Kontrollorgan staatlichen Handelns.
Susanne Lang, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Stade, wehrte sich gegen den eher schlechten Ruf der Instanz. Die Arbeit sei weder staubtrocken noch umständlich oder kompliziert. Als Beispiel, modern unterwegs zu sein, nannte sie die fortgeschrittene Digitalisierung der Justiz.
Zeit des Aktenschleppens ist längst vorbei
Schriftstücke gingen auf digitalem Weg ein und aus. Im Gericht trage keiner mehr Akten hin und her. Der Workflow bestehe aus Datensätzen. Arbeiten im Homeoffice habe sich etabliert.
Recherche im Internet oder der Einsatz von Spracherkennungssoftware gehörten ebenso zum Alltag wie Videokonferenztechnik bei mündlichen Verhandlungen. Heute arbeiten am Stader Verwaltungsgericht 20 Berufsrichter und -richterinnen sowie 20 weitere Kräfte.

Die offzielle Feier zum 75-jährigen Bestehen des Verwaltungsgerichts fand im Stader Rathaus statt (von links): Bürgermeister Sönke Hartlef, Staatssekretär Dr. Thomas Smollich, Präsidentin Susanne Lang und Referent Professor Uwe Berlit. Foto: Strüning
114 Laien komplettieren als ehrenamtliche Richter den Personalbestand. Stades Bürgermeister Sönke Hartlef warf zum Jubiläum einen Blick in die Geschichte, er enteilte der Zeit um etwa 750 Jahre und bezeichnete die historischen Stader Statuten als erste Niederschrift der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Der Königsmarcksaal, in dem der feierliche Akt zum 75-jährigen Bestehen stattfand, diente einst als Schwurgerichtssaal, aber auch als Arrestzelle und Folterkammer.
Warum es das Stader Verwaltungsgericht eigentlich erst ab 1981 gibt
Aus dem Jahr 1954 stammten die Pläne, den Platz am Sande neu zu gestalten mit Verwaltungsgebäuden für den Landkreis, aber eben auch für die Gerichte am Justizstandort Stade. 1967 waren die Bauarbeiten beendet.
Streng genommen gibt es das Stader Verwaltungsgericht erst seit 1981, als die Stadt den Zuschlag bekam für den Standort und nicht Lüneburg.
Stade war zuvor eine „auswärtige Kammer“ des Landesverwaltungsgerichts Oldenburg. Weitere Instanzen sind das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und als letzte Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Rechtsprechung
T 110 neue Schöffen: Sie entscheiden am Landgericht Stade mit
Dort arbeitete einst Professor Uwe Berlit als Vorsitzender Richter. Er war auch Vizepräsident des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes und warf in Stade einen Blick in die Zukunft, auf die Digitalisierung.
Er ist sich trotz aller Herausforderungen sicher: „Diese Transformation wird gelingen.“ Auch wenn sie Zeit und Nerven koste.
Roboter-Richter? Wird es nicht geben
Es stünden unruhige, aber spannende Zeiten an. Der technologische Wandel hinke den Entwicklungen auf dem Markt und in der Gesellschaft nahezu naturgemäß hinterher. Von Live-Übertragung von Gerichtsverfahren per Streaming im Internet hält er in diesem Zusammenhang nichts.
Über allen Entwicklungen stehe die richterliche Unabhängigkeit. Deswegen werde es trotz aller Entwicklungen bei der Künstlichen Intelligenz (KI) auch keine Roboter-Richter geben. Richter bleiben Menschen. Und: Irren bleibt menschlich.