TDrohendes Trinseo-Aus im Stader Chemiepark: Rettungspläne vorgelegt

In Hannover berieten die Betriebsräte aus dem Netzwerk Chemie Stade, Vertreter des IGBCE und Olaf Lies über mögliche Pläne für eine Trinseo-Rettung. Foto: Martin Elsen, luftbild.fotograf.de
Gemeinsam wollen die Betriebsräte der Firmen im Stader Chemiepark Trinseo vor dem Aus bewahren. Sie bekommen immer mehr Unterstützung aus der Politik: Jetzt wurde auch Wirtschaftsminister Olaf Lies eingeschaltet. Es gibt konkrete Ideen zur Rettung.
Stade/Hannover. Im Stader Chemiepark bangen seit gut einem Monat knapp 90 Menschen um ihre Jobs: Der US-Konzern Trinseo hatte von seiner Zentrale in Pennsylvania aus bekannt gegeben, dass er über eine mögliche Schließung des Standortes berate. Im Stader Chemiepark produziert das Unternehmen Polycarbonat.
Das empörte nicht nur die Trinseo-Mitarbeiter, sondern auch die Betriebsräte der Nachbarfirmen. Sie schlossen sich zusammen, um gemeinsam Pläne zur Sicherung des Standortes zu schmieden. Jetzt bekommt das Netzwerk aus Betriebsräten politische Unterstützung: Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) ist mit im Boot. In Hannover stellte das Netzwerk ihm seine Pläne vor.
Wirtschaftsministerium will bei Rettung helfen
„Olaf Lies will das von der Schließung bedrohte Chemieunternehmen Trinseo in Stade halten“, heißt es in einer Pressemitteilung der Industriegewerkschaft IGBCE. Das sei das Resultat des Treffens mit Betriebsratsvorsitzenden aus dem Netzwerk Chemie Stade und Gewerkschaftsfunktionären. Aus Sorge um 90 Arbeitsplätze und weitere Folgen hatte das Netzwerk um den Termin gebeten.

In Hannover berieten die Betriebsräte aus dem Netzwerk Chemie Stade, Vertreter des IGBCE und Olaf Lies über mögliche Pläne für eine Trinseo-Rettung. Foto: IGBCE
Auch Landtagsabgeordnete Corinna Lange, Landrat Kai Seefried, Stades Bürgermeister Sönke Hartlef und Stephan Engel von der Wirtschaftsförderung seien dem Treffen zugeschaltet gewesen.
Im Gespräch wurde es offenbar konkret: Die IGBCE gibt an, dass weitere Schritte, vor allem auch die Idee für ein neues Konzept für das Unternehmen, diskutiert wurden. Die Ansiedlung einer Recycling-Anlage soll Trinseo retten, so die Idee. „Trinseo betreibt aktuell ein Forschungsprojekt zum Thema Kunststoff-Recycling – ein Geschäft, das zukünftig weiterhin an Bedeutung gewinnen wird, und an dem der Konzern festhalten möchte“, so die IGBCE.
Recycling-Verfahren spart Energie und CO2
In einem speziellen Verfahren werde alter Kunststoff aufgelöst und zu neuem entwickelt. Das habe den Vorteil, dass der so erzeugte Kunststoff sowohl eine bessere Qualität als auch eine höhere Wertigkeit als Produkte bisheriger Recycling-Verfahren habe. Die Herstellung sei energieeffizient und spare dadurch große Mengen an CO2 bei der Kunststoffproduktion.
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Das Wirtschaftsministerium will nun prüfen, ob die Gegebenheiten in Stade so verändert werden können, dass die Zukunft für Trinseo in Stade gesichert wird und sich das Unternehmen für eine Recycling-Anlage entscheidet. Bei Gesprächen mit den Arbeitgebern im Chemiepark sollen Möglichkeiten erarbeitet werden.
Die Idee für das neue Konzept in Stade stammt von dem Betriebsratsvorsitzenden-Netzwerk des Chemieparks. An dem Treffen in Hannover nahmen die vier Betriebsratsvorsitzenden Bernd Guse (Trinseo), Jonas von Holt (Olin), Oliver Elsen (AOS) und Christian Deppe (DOW) teil. Mit dabei waren auch die stellvertretende Leiterin des IGBCE Landesbezirks Nord, Petra Adolph, und IGBCE Gewerkschaftssekretär Kim Fleischmann.
Tarifkonflikt bahn sich in der Chemieindustrie an
Viele Chemieunternehmen in Norddeutschland blicken pessimistisch auf ihre wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr. Fast jedes dritte Unternehmen bewertet die Lage schlechter als im Vorjahr (32 Prozent), ähnlich viele rechnen mit einem Rückgang der Produktion (31 Prozent). Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Arbeitgeberverbandes Chemienord, an der etwa jedes dritte der rund 300 Mitgliedsunternehmen in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein teilgenommen hat. Knapp 42 Prozent klagen demnach über fehlende Aufträge und mangelnde Nachfrage.
„Unsere überwiegend kleinen und mittelständischen Mitgliedsunternehmen stehen konjunkturell und strukturell massiv unter Druck“, sagte Chemienord-Hauptgeschäftsführerin Sarah Saeidy-Nory. Die fehlenden Aufträge führten zum Ausbleiben von Investitionen und mancherorts zur Schließung von Standorten und zum Verlust von Arbeitsplätzen.
Am Dienstag (11 Uhr) beginnen in Hannover die Tarifverhandlungen für rund 68 000 Beschäftigte in der norddeutschen Chemieindustrie. Die Gewerkschaft IGBCE geht mit einer Forderung von sieben Prozent mehr Entgelt in die Gespräche. „Wir erleben keine branchenweite Krise von Chemie und Pharma – wir erleben eine gesellschaftliche Krise aus Reallohnverlusten und fehlender Binnennachfrage“, hatte der Chemie-Verhandlungsführer der IGBCE, Oliver Heinrich, nach dem Beschluss der Forderung gesagt. Der aktuelle Tarifvertrag läuft Ende Juni aus.
Chemienord forderte die Gewerkschaft auf, „krisengerechte Tarifverhandlungen“ zu führen. „Statt über die Verteilung von nicht vorhandenen Zuwächsen zu diskutieren, müssen wir als Sozialpartner jetzt vor allem gemeinsam dazu beitragen, Standorte und Beschäftigung zu schützen“, sagte Hauptgeschäftsführerin Saeidy-Nory.
Ifo: Tiefpunkt der Krise in der Chemie scheint überwunden
Die deutsche Chemieindustrie hat nach Einschätzung des Ifo-Instituts derweil wohl das Schlimmste hinter sich. Das Geschäftsklima in der Branche habe sich im März weiter aufgehellt, teilte das Ifo mit. „Die Auftragslage der Chemiebranche lässt zwar noch zu wünschen übrig, doch der Tiefpunkt der Krise scheint überwunden zu sein“, sagte Branchenexpertin Anna Wolf.
Das Geschäftsklima für die Chemie stieg auf minus 10,5 Punkte, nach minus 15,5 Punkten im Februar. Dabei verbesserten sich die Geschäftserwartungen stark: Dieser Indikator stieg von minus 14,9 Punkten auf minus 2,9 Punkte.
Die Chemieunternehmen hätten im Februar kräftige Produktionszuwächse von preisbereinigt 4,6 Prozent gegenüber Januar verzeichnet, schrieb das Ifo unter Verweis auf Daten des Statistischen Bundesamts. Auch im März seien die Produktionspläne in der Chemie expansiv gewesen. Der Beschäftigungsabbau in der Branche habe sich verlangsamt. „Nachfrageimpulse erwarten die Chemieunternehmen vor allem vom Export.“ (sas/dpa)