TOrganspende ja oder nein? Das sagen die TAGEBLATT-Leser
Ein Mitarbeiter des DRK stellt eine Kühlbox für eine Organspende in einen Transporter des Deutschen Roten Kreuzes (gestellte Szene/Archivbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Organspende ist ein sensibles Thema. Viel zu wenige fällen zu Lebzeiten eine Entscheidung. Wie Menschen im Kreis Stade dazu stehen.
Landkreis. Schon zweimal musste Franziska Bleis von ihrem Ehemann reanimiert werden. Einmal eine halbe Stunde lang. Die 42-Jährige erkrankte 2019 an einer schweren Herzmuskelentzündung.
Dass sie heute lebt, verdankt sie nicht nur ihrem Ehemann, sondern auch dem Spenderherz, das ihr 2022 am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin transplantiert wurde. „Ich habe das Glück gehabt. Ich sehe es als großes Geschenk“, sagte Bleis bei einem Pressegespräch in Berlin anlässlich des Tags der Organspende am 7. Juni.
So viele Menschen in Niedersachsen warten auf ein Spenderorgan
In Niedersachsen warten nach Angaben der Techniker Krankenkasse 726 Menschen auf ein Spenderorgan - darunter 22 Kinder und Jugendliche; deutschlandweit waren es Ende Mai 8081. Die Angaben beruhen auf Zahlen von Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Organspenden, mit Sitz in den Niederlanden.
An den Elbe Kliniken gibt es einen Transplantationsbeauftragten
Im Landkreis Stade ist das Thema Organspende unter anderem bei den Elbe Kliniken Stade-Buxtehude angesiedelt.
Dr. Markus Kaufmann ist dort der Transplantationsbeauftragte. „Organentnahmen und die anschließenden Transplantationen werden nur von hoch spezialisierten Teams durchgeführt“, sagt Kaufmann, Oberarzt und Leiter der operativen Intensivstation in Stade.

Spezialisierte Ärzte führen Organentnahmen und die anschließenden Transplantationen durch (Symbolbild). Foto: Jan-Peter Kasper/dpa-Zentralbild/dpa
Entnahmen von Organen durch die spezialisierten Ärzte gebe es einige im Jahr in den Elbe Kliniken. Die Transplantationen fänden in dafür ausgestatteten Zentren statt.
Ein Spenderorgan ist besonders gefragt
Besonders gefragt bei den Betroffenen, bei denen laut Krankenkasse oft mehrere Transplantationen erforderlich sind: eine neue Niere. Allein in Niedersachsen benötigen demnach 604 Patienten dieses Organ. 62 Menschen in Niedersachsen warten auf ein neues Herz, 46 auf eine neue Leber, 24 auf eine gespendete Bauchspeicheldrüse und 15 auf eine neue Lunge.
426 Menschen haben in Deutschland bis Ende Mai nach vorläufigen Zahlen nach ihrem Tod Organe für die Transplantation gespendet. 2024 waren es nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) insgesamt 953 Spender und 2855 gespendete Organe - viel zu wenig, sagen Experten.
Mehr als 8000 Menschen stehen auf der Warteliste
„Wir haben in Deutschland viele Patienten, die auf einer Transplantationswarteliste stehen und seit Jahren auch immer mehr Patienten, die gar nicht mehr auf eine Warteliste aufgenommen werden, weil die Aussicht, transplantiert zu werden, sehr gering ist“, sagte Felix Schönrath, Oberarzt für Herzinsuffizienz und Herztransplantation am DHZC.
„Im Moment sind nur 0,4 Prozent der Menschen, die mindestens 16 Jahre alt sind und für eine Organspende infrage kommen, im Organspenderegister registriert“, erklärte der Arzt. Bislang gibt es laut DSO rund 319.200 Eintragungen. Im Klartext: Es gibt zu wenige Organspender.
Widerspruchsregelung würde Spenden erhöhen
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Europa müssen verstorbene Personen in Deutschland zu Lebzeiten oder stellvertretend die Angehörigen einer Organentnahme explizit zugestimmt haben.
Tag der Organspende
T Dankbar für die zweite Chance: Oliver Schlichtmann lebt mit einem Spenderherz
„Wir wollen die Widerspruchsregelung, da die Zahl der Organspenden in Ländern mit Widerspruchsregelung deutlich über der in Ländern ohne Widerspruchslösung liegt“, sagte Volkmar Falk, Herzchirurg und ärztlicher Direktor des DHZC. Das heißt: Hat die verstorbene Person einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen, können Organe zur Transplantation entnommen werden.
Außerdem fordern Mediziner, dass auch Menschen, die an einem Herz-Kreislauf-Tod gestorben sind, Spender werden können. „Viele Länder in Europa ermöglichen das, außer Deutschland“, kritisierte Falk. In der Schweiz sei die Zahl der Spenden durch die Organentnahme nach Herz-Kreislauf-Stillstand fast verdoppelt worden. Bislang ist eine Spende in Deutschland nur nach einem Hirntod möglich.
So stehen Menschen im Kreis Stade zur Organspende
Was sagen Menschen im Kreis Stade zum Thema Organspende? Haben Sie einen Organspendeausweis? Das wollte das TAGEBLATT von seinen Lesern und Usern wissen.
„Ja, damit meine Organe vielleicht nach meinem Tod noch jemandem das Leben retten können“, schreibt Maren in der Umfrage auf der TAGEBLATT-Facebook-Seite. Thomas hat sogar zwei Organspendeausweise - einen bewahrt er „seit Jahren“ im Portemonnaie auf, den anderen im Auto.
Auch Sandra hat ihren Spenderausweis schon „sehr, sehr lange“. „Wenn ich tot bin, brauche ich den ganzen Rummel doch nicht mehr. Können alles nehmen, was sie brauchen. Wenn damit noch Menschen geholfen werden kann“, postet sie auf Facebook.
Habe einen Ausweis und spende nur für meine Eltern, Geschwister, Ehefrau und Kinder
Albert, TAGEBLATT-Facebook-Nutzer
Nicht jeder ist bereit, seine Organe für die Allgemeinheit zu spenden. Albert hat in seinem Spenderausweis vermerkt, dass er nur für Eltern, Geschwister, Ehefrau und Kinder spenden möchte.
Facebook-Userin Tanja möchte ihre Organe dagegen gar nicht spenden - auch aufgrund von Erkrankungen. „Ich gebe zu, dass ich so einen Ausweis im Portemonnaie habe, allerdings mit dem Vermerk ‚keine Organspende‘.“ Nach eigenen Angaben würde sie auch keine Organe von anderen annehmen.
Umfragen: Die meisten User haben einen Organspendeausweis
TAGEBLATT-Umfragen per Whatsapp und auf Instagram zeigen: Das Gros der Nutzer besitzt einen Organspendeausweis. Von 242 Abstimmungsteilnehmern auf Whatsapp geben 198 (82 Prozent) an, einen zu haben, 12 planen, sich einen zu holen (5 Prozent), 32 (13 Prozent) haben keinen und möchten ihre Organe nicht spenden.

Von 242 Nutzern, die sich bis Freitag, 14 Uhr, an einer Whatsapp-Umfrage beteiligt haben, geben 198 an, einen Organspendeausweis zu haben. Foto: TAGEBLATT-Screenshot
Auf Instagram haben 76 Prozent auf die Frage „Habt ihr einen Organspendeausweis?“ mit „Ja, natürlich“ geantwortet; 17 Prozent haben keinen und möchten ihre Organe auch nicht spenden. 8 Prozent haben noch keinen, wollen sich jedoch einen zulegen.

Eine Umfrage auf Instagram zeichnet ein ähnliches Bild. Foto: TAGEBLATT Screenshot
Landrat Kai Seefried appelliert an die Bürger
„Ein Organspender bedeutet viele Menschenleben. Mir ist bewusst, wie sensibel und zutiefst privat diese Entscheidung ist“, sagt Landrat Kai Seefried. „Dennoch appelliere ich an jede und jeden, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und es nicht beiseite zu schieben. Schließlich sterben jeden Tag zwei Menschen, weil sie keine dringend benötigte Organspende erhalten haben.“
Franziska Bleis findet, es sei jedem zuzumuten, sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen. Das sei auch ein Akt der Nächstenliebe. „Jeder kann von heute auf morgen krank werden.“ Es könne jeden treffen, jeder könne ein herzkrankes Kind bekommen. „Es geht uns alle etwas an.“ (mit dpa)