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Medizin

TPalliativstation in der Klinik Dr. Hancken: Wo Sterben zum Arbeiten dazugehört

Ein Thema des Lebens ist der Tod, sagen Krankenschwester und Stationsleitung Manuela Beier (links) und Psychoonkologin Theresa Kapitza von der Klinik Dr. Hancken. So wird der Tisch am Bett eines verstorbenen Patienten hergerichtet.

Ein Thema des Lebens ist der Tod, sagen Krankenschwester und Stationsleitung Manuela Beier (links) und Psychoonkologin Theresa Kapitza von der Klinik Dr. Hancken. So wird der Tisch am Bett eines verstorbenen Patienten hergerichtet. Foto: Fehlbus

Wie hältst du das aus? Diese Fragen hören sie oft, die Mitglieder des Teams der Palliativstation. Sie arbeiten mit Menschen, die sterben werden. Wie sie das aushalten, und warum der Beruf erfüllend ist, erzählen zwei Frauen von der Klinik Dr. Hancken.

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Von Miriam Fehlbus
Sonntag, 26.11.2023, 19:15 Uhr

Stade. An der Tür hängt eine Rose. Sie ist ein für alle sichtbares Zeichen auf der Palliativstation der Klinik Dr. Hancken in Stade. Hinter dieser Tür ist heute jemand gestorben, signalisiert die Blume. Wer möchte, kann dem Menschen im Vorbeigehen einen letzten Gruß schicken. Viele der Mitarbeiter im Team verabschieden sich persönlich. „Ich gehe zu jedem Verstorbenen noch einmal rein und sage Tschüss“, sagt die Psychoonkologin Theresa Kapitza. Für sie gehört der Tod zum Leben dazu. Ganz selbstverständlich.

„Wir lachen viel“

Der Tod ist präsent auf diesen Fluren. Aber er ist nicht das Wichtigste auf der Palliativstation, dort wo eine Krankheit behandelt aber nicht mehr geheilt werden kann. Manchmal bleiben Jahre, manchmal nur Monate. „Bis zum letzten Atemzug geht es hier um das Leben“, sagt Theresa Kapitza. Viele Besucher gingen davon aus, dass alle leise und traurig sein müssten. Und dass hier niemand lachen dürfe. „Wir lachen viel“, sagt sie.

Was auf dieser Station anders ist? Sie denken bewusster über jeden Moment nach, sagt Krankenschwester und Stationsleitung Manuela Beier. „In Deutschland wird das Sterben verdrängt, das Thema muss anders angesprochen werden“, sagt sie. „Unsere Gesellschaft ist danach ausgerichtet, dass wir ewig leben“, sagt Theresa Kapitza. Eigentlich müssten es alle besser wissen. „Bei der Ankunft, der Geburt eines Menschen, da wird vorher so viel investiert. Warum bereitet sich niemand auf den Tod vor?“, fragt Manuela Beier.

Noch einmal im Garten in der Sonne sitzen

Für sie und ihre Kolleginnen ist es selbstverständlich, da zu sein, wenn der letzte Atemzug naht. „Es ist so wichtig, dass man würdevoll von dieser Welt geht“, sagt Theresa Kapitza. Die meisten Menschen, die diesen Weg bewusst gehen, haben noch einen letzten Wunsch. Einmal noch im Garten in der Sonne sitzen, einmal die Enkelkinder sehen und gemeinsam auf der Terrasse klönen. Einmal noch für die Freunde ein Festmahl kochen, auch wenn dafür die letzten Kräfte mobilisiert werden müssen. Einmal noch das Segelschiff sehen, mit dem es immer raus aufs Wasser ging. Einmal noch das Haustier in den Arm nehmen.

Auf der Palliativstation versuchen sie, alle Wünsche zu erfüllen, wenn sie sehen, dass die Zeit nicht mehr für viel mehr reicht. Es sind kostbare Momente. Und jedes kleine Glück macht den Weg leichter. „Wir merken es, wenn die Patienten bald sterben. Und wir erleben es immer wieder, dass sie auf den letzten Familienangehörigen noch warten, um dann ganz ruhig und zufrieden gehen zu können“, sagt Manuela Beier. „Wir sind hier aber keine Sterbeklinik.“

Das Glück des Lebens bewusst genießen

Seit sieben Jahren arbeitet Manuela Beier als Krankenschwester auf der Station. Weg will sie nicht. Das Team hier sei einfach unvergleichlich, sagt die Stationsleiterin. Sie halten zusammen, sie reden miteinander und sie erfahren die Anerkennung, die sie in diesem Beruf brauchen - von Patienten, der Klinikleitung und von Angehörigen. Dieses kleine Glück bedeutet ihnen viel, sagen die beiden Frauen. Überhaupt können sie die schönen Dinge vielleicht mehr genießen als andere, sinniert Theresa Kapitza. Sie denkt an Momente, wo sie merkt, dass sie das kleine Glück des Lebens schätzt, bewusst schätzen gelernt hat.

„Manchmal denke ich auch einfach nur: Scheißkrebs“

Sie vergleicht sich nicht mit Patienten, aber sie weiß tief im Innern, dass es anders laufen kann. „Manchmal denke ich auch nur, Scheißkrebs“, sagt Theresa Kapitza. Manchmal müssten auch Pflegekräfte schreien, weinen. Das hilft beim Verarbeiten. Trauer ist ein wichtiger Teil des Annehmens der Situation.

„Meine Aufgabe besteht darin, die Ängste der Patienten vor dem Tod, vor dem Sterben auszuhalten“, sagt Theresa Kapitza. Das habe sie nicht von Anfang an gekonnt. Heute könne sie es. „Es ist doch das Größte, was Menschen füreinander tun können, für andere da zu sein, wenn sie gehen müssen“, sagt sie.

Krankenschwester Alissa Heinrich befestigt eine Blume am Türrahmen. Es ist das für alle sichtbare Zeichen für den Tod eines Menschen.

Krankenschwester Alissa Heinrich befestigt eine Blume am Türrahmen. Es ist das für alle sichtbare Zeichen für den Tod eines Menschen. Foto: Fehlbus

Auf der Station steht ein kleiner Tisch mit einem Koffer. Es ist der Koffer für die letzte Reise. Er wird geöffnet, wenn ein Mensch gestorben ist. „Wir entzünden hier ein paar Kerzen und stellen Blumen und ein Bild auf, das wir mit dem Patienten verbinden“, sagt Manuela Beier. Es sind Elektrokerzen, künstliche Blumen. Aber die Gefühle sind echt und natürlich.

Die Frage ist alt und unheimlich schwer für alle gleich zu beantworten: Was passiert kurz nach dem Tod mit einem Menschen, mit der Seele, dem Geist, das was wir nicht sehen, nicht analysieren können und doch den Einzelnen ausmacht?

„Es ist schon irgendwie enger im Zimmer, wenn man zu einem verstorbenen Patienten geht. Ich habe immer das Gefühl, ich müsste das Fenster aufmachen“, sagt Manuela Beier. Die Seele solle Platz haben, um zu entfliehen, heißt es. „Ja, die frische Luft, die Natur, das da draußen, das hilft“, sagt Theresa Kapitza. „Ich liebe meinen Beruf“, sagt sie noch. Denn vor jedem Tod komme das Leben. Und jeder bewusste Moment hat unschätzbaren Wert.

Über die Palliativstation

In der Palliativeinheit der Klinik Dr. Hancken werden Patienten aufgenommen, deren Krebserkrankung weit fortgeschritten ist und nicht geheilt werden kann. Ziel der Behandlung ist nach Angaben der Klinik die Linderung der Beschwerden, die Verbesserung der Lebensqualität und die Erhaltung einer ausreichenden körperlichen und seelischen Stabilität.

Neben der Behandlung der körperlichen Beschwerden liegt der Schwerpunkt in der patientenorientierten Pflege und der psychologischen Begleitung sowie der sozialen Beratung der Patienten und Angehörigen, um ihnen die Akzeptanz des Todes als Behandlungs- und Lebensende zu erleichtern.

Die Palliativeinheit ist in die Klinik für Strahlentherapie und Onkologie integriert und verfügt über Räume für Gespräche und Übernachtungsmöglichkeiten für Angehörige. Die Palliativeinheit der Klinik Dr. Hancken gehört zu den Modelleinrichtungen in Deutschland und ist durch zahlreiche Veröffentlichungen in Europa und den USA bekannt. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden für diese speziellen Aufgaben ausgebildet und geschult.

Die Palliativeinheit wurde 2004 von der ESMO (European Society for Medical Oncology) als Center of Integrated Oncology and Palliative Care akkreditiert und 2007, 2010, 2013, 2016, 2019 und 2022 rezertifiziert. Quelle.

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