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Gesundheit

TPflege in der Krise: So halten sich Heime am Leben

Eine Pflegerin mit einer Heimbewohnerin

Der Bedarf an Pflegekräften wächst, gleichzeitig herrscht in vielen Heimen Personalmangel. Foto: Schuldt/dpa

Immer mehr Pflegebedürftige, gleichzeitig Personalmangel: Am Beispiel eines insolventen Seniorenheims zeigt sich, wie tief viele Häuser in der Krise stecken. Aber es gibt auch Einrichtungen, die sich behaupten. Wie gelingt ihnen das?

Von Timo Kühnemuth Samstag, 17.02.2024, 00:15 Uhr

Nordenham. Obwohl es immer mehr Pflegebedürftige gibt, nimmt die Zahl der belegten Betten in Pflege- und Seniorenheimen weiter ab. Das hat eine Befragung des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste unter 3.000 Heimen ergeben. Trotz hoher Nachfrage nach Plätzen waren im Schnitt nur zu 87 Prozent ausgelastet - wegen Personalmangel. Im Seniorenheim To Huus achtern Diek im Nordenhamer Stadtteil Blexen kennt man dieses Problem nur allzu gut.

Ende Januar hat die Einrichtung des Diakonischen Werkes im Oldenburger Land Insolvenz anmelden müssen. Ob und wie es weitergehen kann, wird jetzt ein vom Amtsgericht Oldenburg bestellter Insolvenzverwalter klären, der sich auch um das ebenfalls insolvente Diakonie-Haus in Oldenburg-Haarentor kümmern wird. Zwei Häuser, ein Problem: zu wenig Personal - und deshalb zu wenig belegte Betten und zu wenig Einnahmen.

Personaldienstleister müssen aushelfen

Doch das Problem greift noch weiter. Trotz reduzierter Bettenzahl hat man in Blexen bisher noch Personalmangel gehabt. Die Folge: Es mussten externe Personaldienstleister engagiert werden, die vorübergehend aushalfen. Das hat die Personalkosten zusätzlich in die Höhe getrieben.

Dass in solchen Zeiten eigentlich notwendige Investitionen auf die lange Bank geschoben werden, verwundert da wenig. Auch im Blexer Heim gibt es laut Diakonie einen „erheblichen Investitionsstau.“

Letztlich sind dies Folgeerscheinungen. Das Hauptproblem ist und bleibt Personalmangel. „Das gibt es in fast allen Heimen in der Wesermarsch. Uns geht es allen ähnlich“, weiß Tobias Hartwig, Leiter des Nordenhamer Wohn- und Pflegezentrums Gut Hansing, das zur Charleston-Gruppe gehört.

Sackgassenschild

Einige Senioren- und Pflegeheime stecken sogar in der Sackgasse - und müssen in die Insolvenz gehen. Foto: Kühnemuth

„Das Personal ist weniger beständig als früher“

Tobias Hartwig, der früher selbst in der Pflege gearbeitet hat, leitet die Einrichtung seit vier Jahren. Er weiß genau, wo in der Branche der Schuh drückt. „Insgesamt“, so sagt er, „ist das Personal weniger beständig als früher.“ Die betreffe in erster Linie junge Arbeitnehmer, die mitunter schon nach fünf, sechs Monaten wieder gingen - weil ihnen die Arbeit zu anstrengend ist, die Motivation fehlt - oder weil sie gut sind und abgeworben werden.

„Das ist eine hart umkämpfte Branche“, macht Tobias Hartwig deutlich. Er berichtet von einem Mitbewerber am Markt, der seine Leute gezielt angeschrieben habe, um sie zum Jobwechsel zu bewegen. Auch Krankenhäuser seien für Pflegeeinrichtungen eine große Konkurrenz, auch dort werde händeringend Personal gesucht.

Und trotzdem steht das Wohn- und Pflegezentrum Gut Hansing insgesamt gut da. „Wir haben eine Belegungsquote von 100 Prozent“, sagt Tobias Hartwig. Auch personell sei das 84-Betten-Haus gut aufgestellt. Man könnte noch zwei zusätzliche Betreuungskräfte gebrauchen. Doch ansonsten seien im Prinzip alle Stellen besetzt. 84 Mitarbeiter hat man aktuell.

Das „Drumherum“ muss stimmen

Wie schafft Gut Hansing das? Das „Drumherum“ müsse stimmen, sagt der Einrichtungsleiter. Klug austarierte, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnittene Dienstpläne seien wichtig, die Möglichkeit, auch mal die Station zu wechseln. Hinzu kämen Dankeschön-Veranstaltungen fürs Personal und kleine Aufmerksamkeiten.

Beim AWO-Altenwohnzentrum Nordenham mit insgesamt 95 Plätzen sind aktuell alle 116 Stellen besetzt. Die Auslastung liegt zwischen 95 und 100 Prozent. Gute Werte also. Wie erreicht man die?

Sein Haus setzte auf Teamwork und Arbeiten auf Augenhöhe, sagt Einrichtungsleiter Stefan Seidl. Ebenso wichtig seien Arbeitspläne und -abläufe, die den Teilzeitwünschen von Mitarbeitern entgegenkommen und dabei helfen, selbst schwierige Krankheitswellen zu meistern.

Zudem beschreitet man in der AWO-Einrichtung bei der Azubi-Suche neue Wege: Dort lernen derzeit fünf Auszubildende aus Marokko, Tunesien und Indonesien den Beruf der Altenpflege. Einrichtungsleiter Stefan Seidl: „Wir sind überaus glücklich mit unserem eingeschlagenen Weg - und die Bewohner sind es auch.“

Es zeige sich schon jetzt, dass die Entscheidung zum Recruiting über Landesgrenzen hinweg richtig war. „Nicht nur, dass wir angesichts der eilenden demografischen Entwicklung hier junge Menschen an unser Haus binden und so mittelfristig die Lücken unserer Ruheständler füllen“, sagt Stefan Seidl.

Das Team des AWO-Altenwohnzentrums Nordenham

Ein Foto aus der Vorweihnachtszeit: Um dem Personalmangel zu begegnen, setzt das AWO-Altenwohnzentrum Nordenham auf Auszubildende aus dem Ausland. Foto: Privat

„Corona hat Branche massiv unter Druck gesetzt“

Insgesamt sieht aber auch Stefan Seidl die Lage der Pflegeheime kritisch: „Die Corona-Pandemie hat die gesamte Branche massiv unter Druck gesetzt, die Politik hat den veränderten Bedingungen jedoch nicht Rechnung getragen“, sagt er.

Während der Hochphase der Pandemie sei die Unterstützung durch Fremddienstleister refinanziert worden. „Nicht aber danach, als noch immer die Folgen der Pandemie bewältigt werden mussten und müssen“, macht er deutlich. Hier sollte die Politik seiner Ansicht nach entgegenwirken.

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