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Energieversorgung

TPreussenElektra: Abschied vom Stader Kernkraftwerk

Das ehemalige Kernkraftwerks wird zum Festakt am Montagabend von einem Regenbogen umrahmt. Bald ist vom Meiler nichts mehr zu sehen.

Das ehemalige Kernkraftwerks wird zum Festakt am Montagabend von einem Regenbogen umrahmt. Bald ist vom Meiler nichts mehr zu sehen. Foto: Strüning

Es war der offizielle Abschied vom Kernkraftwerk Stade. Und dabei gab es warme Worte vom Ministerpräsidenten, Rückblicke mit Wehmut, aber auch Ausblicke mit Hoffnung für den Energiestandort Stade.

Von Lars Strüning Dienstag, 28.10.2025, 19:20 Uhr

Stade. Seit 20 Jahren arbeitet die EON-Sparte PreussenElektra daran, das ehemalige Kernkraftwerk Stade rückzubauen, wie es offiziell heißt. Eine Pionierarbeit, sogar von Heldentaten war am Montagabend die Rede, als sich in der Kantine des Kraftwerks hoher Besuch ein Stelldichein gab. Noch nie wurde ein als Druckwasserreaktor arbeitendes Kraftwerk in seine Einzelteile zerlegt. Das dauerte, weil es immer wieder Überraschungen gab.

AKW Stade ging nach nur fünf Jahren Bauzeit ans Stromnetz

Zur Erinnerung: 1967 wurde der Bau des AKW Stade genehmigt, nach nur fünf Jahren, am 19. Mai 1972, ging der Reaktor in Betrieb, speiste Strom ins deutsche Netz ein. Ein Zeitplan, der aus heutiger Sicht undenkbar wäre. Damals ging es. Die Wirtschaft boomte, sagte Dr. Guido Knott, Vorsitzender der Geschäftsführung von PreussenElektra. Energie wurde gebraucht, gerade auch jenseits der Abhängigkeit vom Öl.

Das AKW zog die Ansiedlung energieintensiver chemischer Unternehmen auf Bützflethersand nach sich. Dow und AOS produzieren bis heute hier. „Es war der Aufbruch in ein industrielles Zeitalter“, sagte Stades 1. stellvertretende Bürgermeisterin Melanie Reinecke (CDU). Energie und Industrie schafften Lebensqualität in Stade und holten schlaue Köpfe in die Stadt. Mit den Gewerbesteuereinnahmen wurde die Altstadt mit dem Schwedenspeicher saniert, das Stadeum gebaut.

2003 wurde der Meiler an der Elbe abgestellt, aus wirtschaftlichen Gründen, sagte Knott. Das Kraftwerk war mit einer Leistung von 640 Megawatt eine kleine Anlage. Über die Jahrzehnte produzierte es 152 Milliarden Kilowattstunden Strom, wie Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) anmerkte.

Mehr als 1000 Menschen arbeiteten am Standort Stade

350 Menschen arbeiteten gleichzeitig im Leistungsbetrieb, mehr als 1000 waren über die Jahre am Kraftwerksstandort Stade beschäftigt, sagte Knott. Auf die Leistungen der Beschäftigten, ob im Leistungsbetrieb oder beim Rückbau, hob Olaf Lies ab. „Was hier geleistet wurde über die Jahrzehnte, verdient unseren Respekt.“

PreussenElektra-Chef Dr. Guido Knott: Kernkraftwerk Stade wurde aus wirtschaftlichen Gründen abgestellt.

PreussenElektra-Chef Dr. Guido Knott: Kernkraftwerk Stade wurde aus wirtschaftlichen Gründen abgestellt. Foto: Strüning

In den Worten von Guido Knott und Standortleiter Marco Albers schwangen Wehmut und Dankbarkeit mit. Während des Rückbaus wurden viele neue Fragen und Probleme aufgeworfen. Das Team von PreussenElektra löste sie, zum Beispiel das radioaktiv belastete Wasser in der Kalotte im unteren Bereich der Kuppel, mit dem keiner gerechnet hatte.

Dieser Fund verzögerte den Abbau erheblich. Stück für Stück musste die massive innere Betonhülle abgetragen werden. Knott sagte, es seien aus Ingenieurssicht Heldentaten gewesen, von denen jetzt die anderen sieben Standorte seines Unternehmens profitieren, die sich auch im Rückbau befinden.

Noch steht die Kuppel - in einem Jahr ist alles weg

„Der Rückbau des Kernkraftwerks Stade hat Maßstäbe gesetzt – technisch, organisatorisch und menschlich“, sagte Albers. Über zwei Jahrzehnte hinweg habe das Team Standards etabliert, die die Rückbauprozesse sicherer, effizienter und besser planbar machten. Die äußere Kuppel steht noch, wird jetzt aber abgerissen. In gut einem Jahr ist vom ehemaligen Stader AKW nichts mehr zu sehen.

Ministerpräsident Olaf Lies: „Was hier geleistet wurde über die Jahrzehnte, verdient unseren Respekt.“

Ministerpräsident Olaf Lies: „Was hier geleistet wurde über die Jahrzehnte, verdient unseren Respekt.“ Foto: Strüning

Insgesamt werden am Ende des Rückbaus 300.000 Tonnen Material gemessen, behandelt, gereinigt und demontiert worden sein. Etwa 98 Prozent der Rückbaumasse können wiederverwertet oder konventionell entsorgt werden. Die Rückbaukosten von einer Milliarde Euro trägt PreussenElektra. Aktuell sind noch etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens sowie 100 Beschäftigte von Partnerfirmen am Standort tätig.

Mit dem Festakt am Montag wurde die Veranstaltungswoche „Orbitale“ offiziell eröffnet. Sie dauert noch bis zum 2. November an. Höhepunkt der Veranstaltungswoche ist die Bild- und Klanginstallation des Künstlerduos Gudrun Barenbrock und Sebastian Gramss im leeren Sicherheitsbehälter des Reaktors. Gleichzeitig findet die Woche der Industrie in Stade statt. 500 Interessierte bekommen Führungen und Infos aus erster Hand direkt in den einzelnen Industriebetrieben.

Nach dem AKW kommen die alternativen Energien

Das Stader Kernkraftwerk ist aus dem Atomgesetz entlassen, „und wir können machen, was wir wollen“, sagte Knott nahezu spitzbübisch. So wird es nicht kommen. Gemeinsam mit Gasversorger Uniper will PreussenElektra das Gelände in Bassenfleth weiter für die Energiegewinnung nutzen.

Uniper prüft, ob sich Salzkavernen als Speicher für Erdgas und Wasserstoff eignen. Zentral sind große Photovoltaik-Anlagen zur Gewinnung von grünem Strom. Der könnte ins Netz eingespeist oder in großen Batterien gespeichert werden. Das ehemalige Ein- und Auslaufwehr des Kernkraftwerks für Elbwasser könnte per Flusswärmepumpe dazu umfunktioniert werden, Teile der Stadt mit Wärme zu versorgen.

Für die Energienutzung sind 36 Hektar an der Elbe vorgesehen. Auf 14 Hektar soll Obstbau nebst Photovoltaik möglich sein, Stichwort Agri-PV. Eines stört dabei empfindlich: Lara, das Zwischenlager auf einer Fläche von einem Hektar für schwach und mittelradioaktive Abfälle direkt neben dem Kernkraftwerk. Dabei geht es dem Standort besser als anderen. Die stark radioaktiv belasteten Brennstäbe wurden in Stade noch abtransportiert, an den anderen Standorten werden sie gelagert. Die Entsorgungsfrage ist immer noch nicht geklärt.

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Die drei vom Kernkraftwerk (von links): Dr. Guido Knott, Olaf Lies und Marco Albers während des Festakts.

Die drei vom Kernkraftwerk (von links): Dr. Guido Knott, Olaf Lies und Marco Albers während des Festakts. Foto: Strüning

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