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Praxissterben

TProblem: Viele Hausärzte im Kreis Stade gehen in den nächsten Jahren in den Ruhestand

Dr. Stephan Brune ist Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Stade. Die KVN ist das Selbstverwaltungsorgan der niedergelassenen Ärzte.

Dr. Stephan Brune ist Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Stade. Die KVN ist das Selbstverwaltungsorgan der niedergelassenen Ärzte. Foto: Karsten Wisser

Wer im Landkreis Stade einen Hausarzt sucht, der könnte vor großen Problemen stehen. Die Zahl der Praxen in der Region nimmt immer weiter ab. Die Gründe dafür sind vielfältig - und die Worte eines Experten machen wenig Mut.

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Von Karsten Wisser
Montag, 18.03.2024, 05:30 Uhr

Landkreis. Die Aussage ist klar und deutlich, ohne etwas schönreden zu wollen - und deshalb ist sie so wenig ermutigend. „Wir müssen den Menschen erklären, dass der Anspruch, überall schnell versorgt zu werden, in Zukunft nicht mehr zu erfüllen ist“, sagt Dr. Stephan Brune.

Die Zahl der Ärzte im niedergelassenen Bereich geht im ländlichen Raum zurück. Stark betroffen im Landkreis Stade ist aktuell der Bereich Buxtehude. Brune, niedergelassener Kardiologe und Sportmediziner, ist Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), Bezirksstelle Stade.

Die KVN ist das Selbstverwaltungsorgan der niedergelassenen Ärzte. Sie ist verpflichtet, die ärztliche Versorgung sicherzustellen und gegenüber den Krankenkassen und ihren Verbänden die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Dazu gehört ein den Bedarf deckendes medizinisches Versorgungsangebot, einschließlich einer angemessenen Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten über die Notdienste.

In Buxtehude gibt es viel zu wenig Hausärzte

Die Bezirksstelle Stade ist für rund 1000 Mediziner zwischen der Hamburger Landesgrenze und Bremen zuständig. Brune warnt seit langem vor dem Ärztemangel in der Region. Der Landkreis Stade ist in die Hausarztbereiche Stade und Buxtehude aufgeteilt. Der Bereich Buxtehude steht mit 48,75 Hausarztstellen schlecht da.

Der Versorgungsgrad liegt nur noch bei knapp über 80 Prozent. Für die Stadt Buxtehude selbst ist die Situation noch schlechter, sie gilt inzwischen als unterversorgt. Im Januar sorgte eine weitere Praxisschließung in der Buxtehuder Ortschaft Hedendorf deshalb für Schlagzeilen. Im Bereich Stade sieht es besser aus: Im Nordkreis liegt die Versorgung mit 60,75 Hausarztstellen bei 90,70 Prozent.

Für die Probleme, Praxen im ländlichen Raum am Leben zu halten, gibt es viele Gründe. Aber: Zu wenig Ärzte gibt es nicht. 2022 gab es deutschlandweit 421.000 berufstätige Ärzte. 2012 waren es laut Bundesärztekammer 349.000 Ärzte. Verglichen mit dem Jahr 1990 hat sich die Zahl berufstätiger Ärzte sogar um mehr als 65 Prozent erhöht.

Die Medizin wird weiblich und ist keine One Man Show

Aber: Immer mehr Berufseinsteiger füllen nicht einen Arztsitz alleine aus. „Die Medizin wird weiblich“, sagt Brune. 70 Prozent des ärztlichen Nachwuchses seien Frauen. „Hervorragende Medizinerinnen, die aber aus nachvollziehbaren Gründen oft keine Vollzeitstellen wollen“, sagt Brune. „Um einen Arzt aus der Baby-Boomer-Generation zu ersetzen, brauchen wir eineinhalb neue Ärzte“, ergänzt KVN-Geschäftsführer Sören Rievers.

Zusammen mit dem hohen Altersdurchschnitt der niedergelassenen Ärzte zeichnet sich deshalb besonders für den ländlichen Raum eine düstere Perspektive ab. Die Hausärzte im Südkreis sind im Schnitt 55 Jahre alt, ihre Kollegen im Bereich Stade sind mit im Schnitt 58,8 Jahren noch etwas älter.

Wie dringend notwendig es ist, einen Zusammenbruch der Ärzteversorgung auf dem Land zu verhindern, zeigen Zahlen des Sozialverbands Niedersachsen. 2030 werden 60 Prozent der rund 5000 niedersächsischen Hausärzte im Rentenalter sein. „Ich hoffe, dass viele Ärzte länger arbeiten und so helfen, die Versorgung sicherzustellen“, sagt Brune.

Er selbst wolle bis 70 arbeiten, wenn es die Gesundheit zulasse. „Sollte eine Hausärztin oder ein Hausarzt mit dem Gedanken spielen, sich in einem der beiden Bereiche neu niederzulassen, würden wir dies, in Form eines Investitionskostenzuschusses, mit bis zu 60.000 Euro unterstützen“, sagt Geschäftsführer Rievers.

Angestellte Ärzte behandeln weniger Patienten als ihre Kollegen

Ein weiterer Faktor: Es gibt den Trend hin zum angestellten Arzt. Die Gründe sind weniger Bürokratie, kein unternehmerisches Risiko und geregelte Arbeitszeiten, auch wenn das alles weniger Einkommen bedeutet. In Stade, Beckdorf, Kutenholz und Harsefeld gibt es Medizinische Versorgungszentren (MVZ), die mit angestellten Ärzten arbeiten.

„Aber angestellte Ärzte sehen weniger Patienten als niedergelassene Ärzte“, sagt Brune. Auch die gestiegenen Gehälter der Ärzte an den Krankenhäusern sind ein Thema. „Hier hat der Marburger Bund gute Arbeit geleistet“, sagt Brune. „Wir gönnen das den Klinikärzten.“

Die gestiegenen Gehälter und die bessere soziale Absicherung für angestellte Ärzte senken jedoch die Motivation, sich als Arzt selbstständig zu machen. In der Summe heißt das, dass die Zahl der niedergelassenen Hausärzte weiter sinken wird und das Praxissterben im Landkreis Stade gerade erst begonnen hat.

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