TProzess um Millionen-Betrug in Stade wird immer skurriler

Eigentlich sollten vor der 5. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stade drei Zeugen gehört werden. Foto: Swen Pförtner/dpa/Symbolbild
Es geht um 1,8 Millionen Euro aus „windigen“ Palmöl- und Dünger-Geschäften. Doch die Lebensgefährtin des Angeklagten erscheint nicht vor Gericht: Sie stehe bei der Tafel an. Für ein „Osterei“ sorgt ein Antrag des Verteidigers.
Stade/Sandbostel. Sandbostel. Ein 56-Jähriger aus der Samtgemeinde Selsingen soll private Darlehensgeber um 1,8 Millionen Euro gebracht haben. Am Landgericht Stade muss er sich jetzt wegen besonders schweren Betruges verantworten. Nun steht die Einstellung des Verfahrens im Raum.
Mit einem überraschenden Antrag von Verteidiger Michael Stephan aus Dresden endete am Donnerstag nach nur gut einer Stunde der vierte Verhandlungstag gegen den ehemaligen Insassen der JVA Bremervörde, der seit der Entlassung 2016 in der Samtgemeinde Selsingen wohnt. Wegen „Verfolgungsverjährung“ seien zumindest einige der Verfahren gegen seinen Mandanten einzustellen, zeigte sich der Verteidiger überzeugt. Ein echtes „Osterei“ für das Gericht.
Hintergrund: Für Betrugsdelikte gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Nach Auffassung von Polizei und Staatsanwaltschaft läuft seit September 2017, als die Ermittlungen aufgenommen wurden, eine „Unterbrechung der Verjährungsfrist“. Verteidiger Stephan argumentiert anders. Er sieht die Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Eine Entscheidung über den Antrag wird der Vorsitzende Richter Stefan Tomczak erst am nächsten Verhandlungstag verkünden.
Zeugin erscheint nicht vor Gericht
Eigentlich sollten am Donnerstag vor der 5. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stade drei Zeugen gehört werden. Doch daraus wurde nichts. Mit Spannung waren vor allem die Ausführungen der Lebensgefährtin des Angeklagten erwartet worden. Doch die hatte sich kurzfristig mit der Begründung abgemeldet, dass sie zur Tafel müsse, um Lebensmittel zu holen.
Richter Stefan Tomczak verzichtete auf eine Zwangsvorführung. Er konnte sich ein kurzes Kopfschütteln aber nicht verkneifen. Hintergrund für die Milde dürfte sein, dass die Frau laut Ermittlungen der Polizei wenig bis keinen Zugriff auf das Geld des Angeklagten hatte. Selbst Konten, die auf ihren Namen liefen, wurden nach Erkenntnis der Ermittler vor allem vom 56-Jährigen für seine mutmaßlich krummen Geschäfte genutzt.
Wie berichtet, soll sich der Angeklagte, der aus dem Raum Diepholz stammt und von 2012 bis 2016 wegen Betruges in der JVA Bremervörde einsaß, von privaten „Investoren“ hohe Summen geliehen haben. Der 56-Jährige wollte das Geld im Palmöl- oder Dünger-Handel einsetzen. Das sagte er jedenfalls.
Trotz Gespräch mit Polizei noch mehr Geld verliehen
Zügig sollten die Darlehensgeber ihre Gelder plus satte Gewinne zurückerhalten. Das klappte bei kleineren Summen viel öfter als bei größeren. Als die Polizei 2017 nach einer Geldwäsche-Verdachtsanzeige eine Hausdurchsuchung vornahm, vermuteten die Beamten schnell ein Schneeball-System dahinter.
Am Donnerstag sagte einer der ermittelnden Polizisten aus, dass nur Monate nach Entlassung des Angeklagten bereits 600.000 Euro über die Konten des 56-Jährigen geflossen waren. Als Erklärung für die hohen Summen habe der Angeklagte damals (wörtlich) „mein großes Hobby, das Online-Casino“ ins Feld geführt. Entsprechende Belege habe er trotz Ankündigung nie vorgelegt.
Auch berichtete der Beamte, dass eines der mutmaßlichen Opfer selbst nach einem Gespräch mit ihm weiter Geld verliehen habe. Er habe den Mann, der auf 360.000 Euro wartete, über die laufenden Ermittlungen aufgeklärt. „Trotzdem hat er ihm später weiteres Geld geliehen.“
Wenig zur Aufklärung konnte ein 60-Jähriger aus dem Raum Diepholz beitragen, der als zweiter Zeuge des Tages geladen war. Mit seinem Bruder, der als eines der Opfer bereits im vergangenen Monat ausgesagt hat, betreibt der 60-Jährige ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen. Er berichtete, dass sein Bruder 12.000 Euro vom Privatkonto (des Zeugen) abgehoben habe. „Er wollte Löcher auf unserem Firmenkonto stopfen, die durch das verliehene Geld entstanden waren.“ Wofür der Angeklagte das Geld haben wollte? „Das kann mein Bruder mir bis heute nicht erklären.“